Syrien: Annans unmögliche Mission?

Der französische Außenminister Juppé erwägt ein stärkeres UN-Mandat für eine Intervention

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Kann die vom UN-Sicherheitsrat und der Arabischen Liga unterstützte Friedensmission Kofi Annans die kritische Situation in Syrien verbessern? Kritiker bezweifelten das von Anfang an.

Die einen, weil sie argwöhnen, dass Annan den Interessen einer westlich-petroarabischen Gemeinschaft zuarbeitet, die vor allem Regime-Change aus ist (USA, Saudi-Arabien, Katar), auf die Entfernung Baschar al-Aassads und seinem Kreis von der Macht. Andere sind skeptisch, weil Annan die politischen Mittel fehlen, um tatsächlich eine Waffenruhe durchzusetzen.

Annan selbst äußert sich enttäuscht von der Kooperation der syrischen Regierung; nichtsdestoweniger stellt er seinen Sechs-Punkte-Plan als einzige Alternative dar, um die Auseinandersetzung zwischen den Machthabern in Damaskus und bewaffneten Gruppen wie auch dem sehr unterschiedlichen Oppositionslager vor einer Eskalation zu bewahren und den Konflikt wieder in politische Bahnen der Konfliktlösung zu lenken.

Die Nachricht von 16 Toten bei einer Explosion gestern in Homs zeigt an, dass die Gewalt weitergeht. Sowohl die offizielle Berichterstattung der syrischen Nachrichtenagentur SANA wie auch Bekundung seitens des SNC (Syrischer Nationalrat, eine von mehreren Seiten umstrittene Vertretung der Opposition) gehen von ursächlicher Gewalt aus. Die SANA bezichtigt oppositionelle Bombenbastler, der SNC die Arbeit syrischer Panzer. Eine objektive Darstellung dazu gibt es nicht.

"Which can be enforced militarily"

Bislang halten sich nur elf UN-Beobachter in Syrien auf, bald sollen es dreißig sein, auch vier russische Beobachter sind angekündigt; von der UN anvisiert sind 300. Laut Kofi Annan ist ihre Arbeit starken Beschränkungen unterworfen. Die Hoffnung von ihnen ein genaueres und möglicherweise objektiveres Bild von der Situation in Syrien zu erhalten, stellt sich als ebenso gering heraus wie schon bei der Beobachter-Mission der Arabischen Liga Ende des vergangenen Jahres.

Die ersten Vertreter westlicher Staaten, wie der französische Außenminister Juppé und die US-Außenministerin Clinton, zeigen Ungeduld. Während Clinton sich schärfere Sanktionen fordert, deutet Juppé an, dass Frankreich Möglichkeiten für ein robusteres UN-Eingreifen diskutiert ( "invoking Chapter 7 of the U.N. Charter, which can be enforced militarily, with other world powers") und gibt damit der eingangs genannten Kritikerposition Recht. Dass es eine UN-Sicherheitsratsresolution geben wird, die eine Intervention, die über die Beobachtermission hinausgeht, geben wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Dem stehen das russische und das chinesische Veto entgegen. Beide Länder betonen mit Nachdruck, dass sie keinen Beschluss zulassen würden, der die Türen für einen von einer internationalen Gemeinschaft unterstützten Regimechange öffnet.

Es gibt keine guten Milizen

Dass eine militärische Intervention - wie auch "halb-militärische" Operationen, zum Beispiel die Einrichtung eines Hilfskorridors", was immer wieder in die Diskussion gebracht wird - mit allergrößter Wahrscheinlichkeit Bürgerkrieg, Chaos, viele Todesopfer und unabsehbare Folgen in der ganzen Region mit sich bringen, wird nur von Falken bestritten - als ob es mit Irak und Libyen nicht eindeutige Beispiele aus der jüngsten Geschichte gebe, die vor Augen führten, das genau das Chaos eingetreten ist, das Kritiker befürchtet hatten. Solche Konflikte lassen sich nicht mit Waffengewalt beenden. Stattdessen gibt es nur neue.

Nach Lagebeschreibungen von Nir Rosen - einem Reporter, der schon mehrmals mit Nahaufnahmen genauere Einblick aus einem Milieu gab, das in der normalen Berichterstattung meist nur als pauschaler Kampfbegriff (Insurgents, Taliban, Oppositionelle) vorkommt - versammelt sich in Syrien und an seinen Grenzen ein unüberschaubares Gemisch an Söldnern, Gotteskriegern und anderen Milizionären. Berichte von Menschenrechtsorganisation aus Libyen wie auch über die Kämpfer, die mit dem SNC in Verbindung stehen, dürften darüberhinaus jedem Verständigen längst klargemacht haben, dass es keine guten Milizen gibt, die man mit Waffenlieferungen oder auch Geld fördern sollte.

So ist auch die Forderung von Teilen der syrischen Opposition im Land, die sich deutlich von dem SNC - dessen Verbindungen zu anderen Staaten und deren Agenden zweifelhaft sind - distanzieren, eindeutig: Sie lehnen jede bewaffnete Einmischung von außen ab.

Auch Annans Mission dürfte dort umstritten sein, doch bietet sie, zumindest unterstellen ihr das besonnere US-Experten, die Möglichkeit, dass wieder friedlich auf Syriens Straßen demonstriert werden kann.