Urheberrechtseliten

Urheberrecht? Das betrifft mich (nicht), Teil 2

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Alle diskutieren über das Urheberrecht? Nein, eigentlich kaum jemand mehr. Die Debatte um ein modernisiertes Urheberrecht wurde erfolgreich in die Debatte um Verwerterrechte und „Künstler“ umgewandelt.

Zu Teil 1

„Liebe Künstler, können wir reden?“ fragt die Piratenpartei NRW auf ihrer Homepage und bietet generös einen Dialog mit den kulturschaffenden Rechteinhabern an. „Es würde uns natürlich umso mehr freuen, wenn sich viele Kulturschaffende bei uns einbringen und unsere Ideen mit konstruktiven Vorschlägen und Ergänzungen bereichern" heißt es weiter - und damit ist klar, dass die Debatte rund um das Urheberrecht nunmehr (mit tatkräftiger Unterstützung der kampagnenführenden Verwertungsrechteinhaber) den Punkt erreicht hat, an dem es (fast) nur noch um „Künstler“ geht – egal, wie dehnbar dieser Begriff ist.

Bereits die Kampagnen Mein Kopf gehört mir, besonders aber das schon im Titel überheblich klingende Wir sind die Urheber schafften es, die Urheberrechtsfragen immer mehr zu Verwerterrechtsfragen umzudeuten, wobei die sich zu Wort meldenden Kreativen brav die Rolle der Verwerter in den Vordergrund rückten und ihre eigene Position mehr oder minder zur reinen Rolle des Geldempfängers, der kurzfristig kreativ ist und dann nur noch dank der Verwerter überhaupt weiterexistieren kann, verkümmern ließen. Doch zugleich konzentrierte sich die Debatte mehr und mehr auf Musik, Literatur, um die Frage, welche Downloads und Privatkopien erlaubt sein sollen und ließ damit all die Urheber außen vor, die in dieser Künstlerdebatte keinen Platz mehr haben, egal ob Softwareprogrammierer, Erfinder, Forscher, Journalisten ...

Dabei wäre eine Stärkung des Urheberrechtes gerade auch für sie eine wirkliche Hilfe, wäre eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwiefern gerade auch ausufernde Marken- und Patentgesetzgebungen hier hineinspielen von Nöten. Doch seit Beginn des Erfolges der Piratenpartei haben es vorrangig die Medien geschafft, lediglich die „Kunst“frage im Sinne der Musikfrage (Privatkopie, private Downloads usw.) zu thematisieren und die Piratenpartei hat nunmehr diese Umdeutung aufgegriffen und führt die Entwicklung der Urheberrechtselite fort, wenn sie sich "umso mehr freut, wenn Kulturschaffende sich einbringen“, ohne diesen Begriff näher zu definieren.

Kunst? Wer baucht die schon?

Auch die sogenannte „Kulturflatrate“ birgt schon einen gewissen Dünkel mit sich, wenn sie vorrangig für Musik und Filme (und natürlich nur für digitale „Produkte“) propagiert wird und die anderen Künste geflissentlich außer Acht lässt. Doch nicht nur eine kurze Erinnerung an Klio. Melpomene, Terpsichore, Thalia, Euterpe, Erato, Urania, Polyhymna und Kalliope, jene neun Musen, die für das Theater, die Lyrik, das Flöten- und Leierspiel als Synonym für Musik, den Tanz sowie auch die Philosophie, die Wissenschaft, die Astronomie stehen, zeigt, dass Kunst weitaus mehr bedeutet als nur Musik, Filme und ggf. Literatur. Beide Seiten, die sich momentan im Kampf um das Urheberrecht gegenüberstehen, kaprizieren sich jedoch auf ihre Ansicht, was Kunst angeht und reden wahlweise von Musik und Filmen oder von Literatur, der Rest der Urheber und Künstler schaut dem Treiben zu und fragt sich, wer denn nun eigentlich ihre Interessen mit vertritt.

Dabei ist neben der Tatsache, dass Urheber fast nur mehr mit Künstlern gleichgesetzt werden, noch zu bemerken, dass die Kunst an sich in einer (für mich) bestürzenden Art und Weise an Wichtigkeit für die Menschen verliert. Wird in den Argumenten nämlich die Frage laut, wie denn Kunst in der Zukunft noch möglich sein soll, so lautet die einfache Antwort: Wer Kunst nicht als (kostenlos umgesetzte) Berufung ansieht, sei kein Künstler, ferner könne ein guter Künstler von seiner Kunst leben, der Rest sei eben den schlechten Künstlern zugehörig, ergo selbst schuld, wenn er von dem „Hobby“ nicht leben könne. Die Kunst wird insofern zum belanglosen Hobby degradiert, so sie nicht, ganz im Sinne des Kapitalismus, Geld einbringt. Lapidar gesagt: Wer benötigt schon Skulpturen, wenn er Steinbrüche haben kann, aus denen gewinnbringende Grabsteine gehauen werden können?

Letztendlich könne sich Kunst ja auch privat finanzieren lassen, lautet ein weiteres Argument und schickt damit die Künstler rhetorisch geradewegs wieder in die Zeit der Mäzene, in denen begüterte Menschen sich den Künstler ihrer Wahl leisten konnten und somit auch dafür sorgten, dass entweder höchstens hungernd Menschen alternative Kunst anboten oder aber die Kunst eben in ihrem Sinne umgesetzt wurde. Dies bedeutet in letzter Konsequenz eine Neudefinition von Kunst, die nicht mehr auch der Ästhetik, der Weiterentwicklung, der Neuerung dient, sondern nur noch aus ökonomisch verwertbaren Gegenständen oder Daten besteht.

Radikal wird somit auch die Einstellung jeglicher finanzieller staatlicher Unterstützung für Opernhäuser, Theater usw. gefordert, auf dass sich nur noch das halte, was genug finanzielle Unterstützung durch private Personen erhält. Ein Gedanke, der letztendlich das Land in eine Oase der Ökonomie verwandeln würde, in der das, was kein Geld einbringt, automatisch sinnlos ist. „Andere müssen auch für ihr Geld arbeiten.“ heißt es lapidar, wenn es darum geht, dass der Literat sein Buch bitte online stellen und nur einmal dafür Geld bekommen soll. Großzügig wird eingeräumt, dass Künstler ja durch Lesungen und Konzerte Zusatzgeld verdienen können, als sei jeder Literat nichts weiter als ein banal ein paar Zeilen zu Papier bringender Wanderarbeiter, jeder Musiker nur der klampfende Hobbymusiker von nebenan, als seien Orchester ebenso unbekannt wie die Arbeit, die ein Film, ein Text, ein Musikstück, eine Skulptur ... mit sich bringen. Die Tatsache, dass ein Buch, wenn es nur einmal verkauft werden darf und zeitgleich auch die gesamten Kosten abdecken soll, kaum erschwinglich wäre, wird ausgeblendet, die Zeit, die in Kunst investiert wird, negiert und letztendlich wird nur das fertige Kunstwerk auf seine Daten reduziert.

Beide, sowohl jene, die sich vor den Karren der Verwerter spannen ließen und lassen, als auch jene, die Kunst an sich per se herablassend als unnütz ansehen, tun den Urhebern und der Debatte um das Urheberrecht sowie der Kunst keinen Gefallen. Dass gerade auch jene, die mittlerweile gut von ihrer Kunst leben können, insofern sich mit einem „Wir sind die Urheber“ über jene erheben, die in dieser Debatte zu kurz kommen, wird diese Debatte nicht ihrer Schärfe berauben, sondern eher neue Gräben sich auftun lassen. Die Zeit für Dialoge jedoch scheint vorbei zu sein. Auf der einen Seite positioniert sich die Urheberrechtselite, wie eine Herde vorangetrieben von den Verwertern, die mit dem totalen Ausverkauf der Urheberechte als Damoklesschwert herumfuchteln, auf der anderen jene, die in genauso herablassender Art und Weise Künstler als höchstens dann relevant ansehen, wenn sie genug Geld einbringen.

Die „Kulturflatrate“ hat längst die Claims abgesteckt, hat erläutert, für wen sie gelten soll und wird höchstens eine Neufassung von Gema und Co. bedeuten, wenn sie umgesetzt wird. Sie wird aber vor allen Dingen auch Kultur weiter degradieren und den nicht digitalen Aspekt völlig missachten. Die Kulturflatrate ist insofern jener Dünkel der „digital natives“ und „digital citizens“, der bei denjenigen, die bei „Wir sind Urheber“ unterzeichnen, kritisiert wird. Neben jenen Urhebern, die in der Debatte nie zu Wort kommen, ist es vor allem der Kultur- und Kunstbegriff an sich, der in dieser Diskussion das Opfer ist.

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