Verschwörungstheorien um Twitter-Sperre in Pakistan

Angeblich war nicht nur ein Mohammend-Karikaturen-Wettbewerb Auslöser der mittlerweile wieder aufgehobenen Blockade

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Am Sonntag berichtete die BBC, dass die pakistanische Regierung eine landesweite Sperre über den Kurznachrichtendienst Twitter verhängt habe. Danach befahl Raja Pervez Ashraf, der Minister für Informationstechnologie, allen Internetprovidern im Land den Zugang zu twitter.com zu blockieren. Allerdings war die Sperre nicht unumgehbar: Pakistanischen Nutzerberichten zufolge ließ sich der Dienst beispielsweise mit dem Mobilbrowser Opera Mini aufrufen.

Was der konkrete Auslöser für die Zugangseinschränkungen war, steht bislang noch nicht sicher fest. Der verbreitetsten Erklärung nach ging es um einen Facebook-Wettbewerb mit Mohammed-Karikaturen, der von einer nicht näher benannten Organisation initiiert wurde, die auf die mangelnde Meinungsfreiheit in vielen moslemischen Ländern aufmerksam machen will. Ein ähnlicher Anlass hatte bereits 2010 zu einer zweiwöchigen Facebook-Sperre geführt.

Angeblich ließ sich Facebook diesmal sofort darauf ein, Zensurforderungen der pakistanischen Regierung nachzukommen, während Twitter das nicht tun wollte. Diese Erklärung für die Sperre stammt Medienberichten nach von Mohammad Yaseen, dem Chef der pakistanischen Telekommunikationsaufsichtsbehörde PTA. Seltsam daran wirkt, dass der Kurznachrichtendienst, von dem es bisher noch keine offizielle Stellungnahme gibt, im Januar ein System vorstellte, mit dem sich Zensur landesspezifisch vornehmen lässt. Der pakistanische Innenminister Rehman Malik soll deshalb kurz vor der Sperre noch mit einer sicheren Einigung gerechnet und getwittert (!) haben, es werde keine Zugangsbeschränkungen geben.

TechCrunch und einige andere Medien berichten dagegen von Gerüchten aus Pakistan, nach denen die Zugangseinschränkungen nicht in erster Linie wegen neuer Mohammed-Karikaturen vorgenommen wurden. Denn solche Karikaturen finden sich auf Facebook und Twitter seit vielen Jahren. Stattdessen könnte es sich – so der Verdacht - um einen Testlauf für neue Systeme zum Filtern von Inhalten gehandelt haben. Dieser Erklärung scheint jedoch eine Stellungnahme von Wahaj us Siraj, einem Sprecher des Branchenverbandes der pakistanischen Internetprovider, zu widersprechen. Siraj kritisierte, dass die Twitter-Domain auf Weisung der Regierung komplett gesperrt werden musste, wo seiner Ansicht nach auch die Blockade einzelner Tweets möglich und ausreichend gewesen wäre.

Mittlerweile scheint Twitter in Pakistan wieder mit allen Browsern und in allen Netzen erreichbar. Rehman Malik zufolge geschah die Aufhebung der Sperre auf direkte Weisung des pakistanischen Premierministers Yousaf Raza Gilani, den er vorher zum persönlichen Einlenken überredet haben will. Shahzad Ahmad, der Kopf der Internet-Bürgerrechtsgruppe Bytes for All, sieht den Eingriff als Vorbote für weitere Zensurmaßnahmen, die er in einen Zusammenhang mit den im nächsten Jahr oder früher fälligen Parlamentswahlen stellt. Der Journalistin Nukhbat Malik nach hat Twitter in Pakistan unter anderem deshalb immense politische Bedeutung, weil dort Fragen diskutiert werden, an die sich die mit den Eliten eng vernetzten Mainstreammedien nicht herantrauen.

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