Verwerter missbraucht Band

Die in Panama registrierte Firma World Digital Rights will Adressen und Geld von BitTorrent-Nutzern

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In der aktuellen deutschen Debatte um das Urheberrecht ist viel davon die Rede, dass Nutzer Urhebern angeblich in unangemessenem Ausmaß die Verfügungsgewalt über ihre Schöpfungen aus der Hand nehmen. Tatsächlich sind es allerdings regelmäßig nicht die Nutzer, sondern die Verwerter, die gegen den Willen von Urhebern kürzen, ändern - oder abmahnen.

Das zeigt aktuell der Fall der amerikanischen Metal-Band All Shall Perish, die öffentlich darüber klagt, dass ihr deutsches Label Nuclear Blast angeblich heimlich Verwerterrechte an die in Panama registrierte Firma World Digital Rights weiterverkaufte, der vorgeworfen wird, mit Klageandrohungen gegen BitTorrent-Nutzer Geld machen zu wollen.

Als die Band über negative Reaktionen von Anhängern erfuhr, dass World Digital Rights über ein Gericht in Florida die Namen und Adressen von 80 Personen herausfinden will, die das Album This Is Where It Ends via BitTorrent teilten, war sie nach Angaben ihres Managers Ryan Downey "schockiert" und "wütend". Downey zufolge hatten die Musiker weder ihre Zustimmung zur Weitergabe von Nutzungsrechten an World Digital Rights erteilt noch jemals von der Firma gehört. Seinen Angaben nach gab sich auch Nuclear-Blast-Chef Markus Staiger ahnungslos und vermutete, dass über unbekannte Zwischenhändler Verwertungsrechte weiterübertragen wurden.

Eine Behauptung, die das Portal TorrentFreak zumindest merkwürdig findet - denn in einem beim US District Court For The Middle District of Florida eingereichten Schriftsatz heißt es, dass Nuclear Blast World Digital Rights die entsprechenden Rechte am 12. März "exklusiv" übertrug. Von dem im schwäbischen Donzdorf ansässigen Unternehmen war bislang keine direkte Stellungnahme zu den Vorwürfen zu bekommen.

Obwohl All Shall Perish nach Angaben ihres Managers unmissverständlich deutlich machten, dass die Verfolgung von Fans ein Ende haben soll, gingen die Bemühungen von World Digital Rights zur Herausgabe von Adressen weiter. Nachdem die Band das Label über einen Anwalt aufforderte, Nutzungsrechte zurückzugeben und zu verhindern, dass der "Copyright-Troll" Fans mit Lizenzforderungen in vierstelliger Höhe konfrontiert, sagte Nuclear Blast angeblich am letzten Mittwoch zu, World Digital Rights entsprechend anzuweisen. Ob dies tatsächlich in einer Weise geschah, die unangemessene Geldforderungen verhindert, ist noch offen.

Kommt es zu solchen unangemessenen Geldforderungen, dann ist nicht ausgeschlossen, dass die Band dadurch erheblichen materiellen Schaden erleidet. Der Chaos Computer Club stellte nämlich in seinem gestern veröffentlichten Fachgutachten für den Bundestags-Unterausschuss "Neue Medien" fest, dass sich vor allem unter jüngeren Menschen schnell eine Boykotthaltung ausbreitet, wenn herauskommt, dass Urheber sich nutzerschädlich verhalten.

Allerdings lässt sich schwer differenzieren, was ein Boykott ist - und was eingeschlafene Aufmerksamkeit an Werken, die man - vorsichtig formuliert - nicht unbedingt zum Weltkulturerbe zählen muss. Sollte das deutsche Lesepublikum beispielsweise zukünftig weniger Interesse an Charlotte Roche zeigen, dann könnte das sowohl daran liegen, dass sich diese an prominenter Stelle für eine Verwerterkampagne einspannen ließ, als auch daran, dass mehr Menschen feststellen, dass Erlebniserzählungen einer Ex-Viva-Moderatorin, die sich die Rosette rasiert, zwar vollumfänglich talkshow-, aber nur bedingt lesetauglich sind.

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