Beschreibbarer genetischer Bitcode

Forschern ist es gelungen, in Erbsubstanz einen Speicherbereich einzuschleusen, der sich auslesen und verändern lässt

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Dass die Erbsubstanz ein riesiger Datenspeicher ist, haben Forscher schon vor der Entdeckung der Struktur der DNA vermutet. Gegenüber einem Computerspeicher weist sie ein paar Vor- und Nachteile auf. Ein Pluspunkt ist sicher, dass es durch die Doppelhelix-Struktur einen natürlichen Fehlerkorrektur-Algorithmus gibt.

Außerdem kann jede Informationseinheit immerhin vier Zustände einnehmen (A, G, T, C), also zwei Bit - doppelt so viel, wie in der Informatik üblich sind. Trotzdem ergibt sich insgesamt gar kein allzu großer Informationsgehalt. Beim Menschen etwa mit seinen gut drei Milliarden Basenpaaren hat man etwa 750 Megabyte errechnet. Das passt fast noch auf eine CD. Jedes Notebook bringt heute die hundertfache Speichermenge mit. Interessanterweise sind uns einfachere Tierarten wie der Teichmolch und selbst simple Pflanzen in dieser Hinsicht sogar überlegen.

Den Speicherinhalt der DNA auf ebenso simple Weise wie bei einer Festplatte zu ändern oder zu löschen, ist ebenfalls nicht möglich. Das ist natürlich von der Evolution sehr geschickt so eingerichtet, sonst wären bei der Vererbung wohl gar zu viele Kopierfehler möglich. Biologen wünschen sich allerdings schon seit einiger Zeit einen Speichermechanismus, der auch die Vererbung übersteht.

So könnte man zum Beispiel ungebremst wuchernde Krebszellen besser untersuchen oder gar Aktionen in der Zelle vom Zustand bestimmter Speicherzellen abhängig starten. Einen ersten Ansatz in diese Richtung stellen jetzt US-Molekularbiologen in den Veröffentlichungen der US-Akademie der Wissenschaften vor.

Simpler Speicher

Den Forschern ist es gelungen, ein einzelnes Bit in einer DNA-Struktur anzulegen, und zwar so, dass es sowohl von außen zu ändern und abzulesen ist, als auch im Laufe vieler Generationen nicht verloren geht. Als Signal wählten die Forscher die Ausrichtung eines in das Genom des Bakteriums Escherichia Coli eingeführten Gen-Abschnitts.

Je nach Zustand produziert dieser entweder ein grün oder ein rot fluoreszierendes Eiweiß. Als Schalter dienen dabei zwei aus einem Virus abgeleitete Enzyme: Integrase und Excisionase. Je nach Konzentration dieser beiden Enzyme nimmt der Speicher einen seiner beiden Zustände an. Die spezifische Ausrichtung blieb im Experiment auch erhalten, nachdem sich die Zelle bis zu 100 Mal geteilt hatte.

Mehr noch als das Ergebnis interessiert die Forschergemeinde an dieser Arbeit das dabei entwickelte Werkzeug: Das Verhältnis von Integrase und Excisionase ist offenbar so heikel, dass die Arbeit bis zur Veröffentlichung immerhin drei Jahre gebraucht hat. Die Hoffnung, so die Forscher, besteht nun darin, den simplen Speicher vielleicht als Grundlage für eine zellinterne Logik nutzen zu können: Einen Zähler zunächst, der sich einfach nur von Generation zu Generation erhöht, und später vielleicht auch für echte Berechnungen. Das ist aber, so die Forscher, eher die langfristige Perspektive: Sie schätzen, dass bis dahin wenigstens noch eine Dekade vergeht.