Russland fordert Untersuchung zum Blutbad in Hula

Der russische Außenminister Sergej Lawrow warnt anlässlich des Blutbades in der syrischen Ortschaft Hula vor einseitigen Schuldzuweisungen

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Angesichts des Blutbades in der syrischen Ortschaft Hula werden Moskaus Töne gegenüber der syrischen Regierung deutlich kritischer. Russland stimmte einer Erklärung des UNO-Sicherheitsrates zu, welche die Gewalt in Syrien verurteilt. Außerdem erklärte der russische Außenminister, Sergej Lawrow, für sein Land sei es jetzt "nicht das Wichtigste, wer in Syrien an der Macht ist. Das wichtigste ist für uns, das dort der Gewalt ein Ende gesetzt wird".

Nach Worten des Ministers bestehe "kein Zweifel daran", dass die syrische Regierung in der Ortschaft Hula Artillerie und Panzer eingesetzt hat. Das hätten "die Beobachter der UNO vor Ort bestätigt."

Britischer Außenminister fordert "zusätzlichen Druck"

Angesichts der Aufforderung seines britischen Amtskollegen William Hague, "zusätzlichen Druck" auf die syrische Regierung auszuüben, entgegnete Lawrow, Russland übe "täglich" Druck aus. Resultat sei, dass die Regierung in Damaskus im Herbst letzten Jahres der Beobachtermission der Liga arabischer Staaten und im April dieses Jahres dem Friedensplan von Kofi Annan zugestimmt hat. Lawrow traf mit dem britischen Außenminister gestern in Moskau zu Gesprächen zusammen.

Am Freitag waren in der Ortschaft Hula, 170 Kilometer nördlich von Damaskus, 116 Zivilisten getötet worden. Die Vorfälle müssten gründlich untersucht werden, erklärte der russische Außenminister. Die Ortschaft Hula liegt nach Aussage des russischen Außenministers in einem Gebiet, "welches von den syrischen Rebellen kontrolliert wird, aber von den Regierungstruppen umzingelt ist." Der Beschuss der Ortschaft durch syrische Artillerie begann am Freitag. Was der Auslöser war, ist bisher unklar.

Lawrow zieht Parallele zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien

Der russische Außenminister warnte vor einseitiger Schuldzuweisung an die syrische Regierung und zog eine Parallele zu dem Massaker im Dorf Reçak (serbisch: Racak) im Kosovo. Die Vorfälle in dem Dorf hätten dann zu Bombenangriffen der Nato auf Serbien geführt, welche der UN-Sicherheitsrat damals nicht genehmigt hatte. Ein Untersuchungsbericht finnischer Wissenschaftler über das Massaker sei vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien nicht berücksichtigt worden.

Russlands Uno-Vertreter, Aleksandr Pankin, hatte zuvor in New York gegenüber russischen Journalisten erklärt, "die überwiegende Mehrzahl der getöteten Bürger in Hula", seien Opfer "eines kaltblütigen Mordes" geworden und aus nächster Nähe mit "einem Schuss in die Schläfe" getötet oder ihnen sei "der Hals durchgeschnitten" worden.

"Verantwortliche werden zur Rechenschaft gezogen"

Der Leiter der UNO-Beobachter-Mission in Syrien, der norwegische General Robert Mood, erklärte gegenüber dem Fernsehkanal Al-Arabia, die Verantwortlichen für die Gewalttaten in Hula würden zur Rechenschaft gezogen, "unabhängig davon, wer zuerst das Blutvergießen provoziert hat oder darauf geantwortet hat".

Die syrischen Behörden bestreiten jede Täterschaft an dem Blutbad in Hula. Der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Jihad Makdesi, erklärte, es handele sich um einen Terrorakt gegen friedliche Bürger, Kinder, Frauen und alte Menschen. "Die syrische Armee handelt so nicht." Die Regierung werde die Vorfälle in Hula untersuchen.

"Äußere Kräfte" sollen zusammenarbeiten

Nach russischen Medienberichten sei es möglicherweise kein Zufall gewesen, dass sich das Massaker in Hula gerade jetzt ereignete. Damit würde der Friedensplan von Kofi Annan torpediert. Der UNO-Sonderbeauftragte für Syrien ist heute in Damaskus eingetroffen.

Der russische Außenminister erklärte, eine friedliche Lösung in Syrien sei nur möglich, wenn "alle äußeren Kräfte ein Spiel spielen". Um Tango zu tanzen, brauche man "zwei Partner". Die jetzige Situation in Syrien erinnere aber "mehr an eine Diskothek" mit zahlreichen Teilnehmern.

Washington will Moskau für seinen Syrien-Plan gewinnen

Nach einem Bericht der New York Times streben die USA in Syrien einen friedlichen Machtwechsel nach dem Vorbild des Jemen an. Angeblich habe sich der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew bei seinem Besuch in Camp David im Rahmen des G8-Gipfels gegenüber dem Plan offen gezeigt.

Nach dem Obama-Plan für Syrien soll Baschar Assad abtreten. "Reste" seiner Regierung könnten jedoch im Amt bleiben. Der schwache Punkt des Plans sei jedoch, dass es bisher keinen Nachfolge-Kandidaten für Assad gibt.

Russland soll Einfluss behalten

Nach dem Zeitungsbericht will Washington Moskau die Zusicherung geben, dass Russland seinen Einfluss in Syrien nach einem Machtwechsel in Damaskus behält. Russland unterhält an der syrischen Küste einen Flottenstützpunkt. Mitte Juni, auf dem G20-Gipfel in Mexico wolle Barack Obama mit Wladimir Putin über seinen Syrien-Plan sprechen.

Bisher gibt es jedoch keine Zeichen aus dem Kreml, dass Russland sich für Obamas Syrien-Plan erwärmen könnte. Im Gegenteil: Noch frisch in Erinnerung ist die harsche Äußerung von Putin, das Vorgehen der USA in Libyen erinnere ihn an einen "Kreuzzug" (Libyen entzweit Medwedew und Putin). Auch hatte Putin seine Teilnahme am letzten G8-Gipfel abgesagt (Putin bleibt zuhause, Medwedew fotografiert). Der Grund war vermutlich der begonnene Aufbau einer Raketenabwehr in Osteuropa, was Russland als Bedrohung empfindet.

Was will die syrische Opposition?

Der russische Arabien-Experte und Journalist Orchan Dschemal erklärte am Sonntag in einer Sendung von Radio Echo Moskau , für die syrische Opposition gehe es jetzt darum, "Assad zu ziemlich harten Maßnahmen zu provozieren". Ein "blutiges Opfer" sei nötig, um "Unterstützung von außen zu erhalten".

Die syrischen Rebellen hofften "auf Waffen und eine Flugsicherheitszone" wie in Libyen. In der gleichen Radio-Sendung erklärte der Experte Aleksandr Schumilin, Direktor des Zentrums für die Analyse der Konflikte im Nahen Osten, das Blutbad im syrischen Hula werde verschärfte Sanktionen gegen Syrien zu Folge haben. Außerdem gerate nun die Schaffung eines "humanitären Korridors" von der Türkei aus, in den Bereich des Möglichen.