EU-Kommissar will vorschreiben, wie lange man im Ehrenamt arbeiten darf

Die Regelung könnte theoretisch auch der Piratenpartei gefährlich werden

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EU-Kommissar Laszlo Andor plant einer Änderung der Arbeitszeitrichtlinie. Die soll in Zukunft nicht nur die Lohnarbeit regeln, sondern auch vorschreiben, wie lange jemand ehrenamtlich tätig sein darf. Das stößt auf massive Kritik bei der Feuerwehr und dem Katastrophenschutz.

Den Plänen Andors zufolge soll die Arbeitszeit zukünftig insgesamt 48 Stunden nicht überschreiten. Arbeitet jemand Vollzeit mit einer 40-Studen-Woche, dann soll er nur noch acht Stunden wöchentlich Fußballmannschaften trainieren oder Obdachlosen Essen austeilen dürfen. Besonders massive Nachteile befürchten die Freiwilligen Feuerwehren und der Katastrophenschutz, wo Einsatz- und Übungszeiten genau kontrolliert werden. Viele Vereine bezweifeln, dass bei Ehrenämtern überhaupt ein Regulierungsbedarf besteht. Denn die Arbeiten dort werden freiwillig und nicht aus Geldabhängigkeit verrichtet, weshalb sie im Falle einer gesundheitsgefährdenden Überlastung jederzeit aufgegeben werden können.

Feuerwehreinsatzübung. Foto: Alexander Blum. Lizenz: Public Domain.

Kommunalpolitiker wie der Regensburger CSU-Fraktionschef Christian Schlegl stimmen in die Kritik mit ein. Sie befürchten, dass die Städte und Gemeinden deutlich mehr Geld für Aufgaben wie Brandschutz und Jugendbetreuung ausgeben müssen, wenn die Richtlinie wie von der EU-Kommission geplant umgesetzt wird. Mittlerweile ist dieser Unmut auch in die Parteiführungen der Länder vorgedrungen. Heute um 19 Uhr wollen die Innenminister der deutschen Bundesländer deshalb im Schlosshotel Fleesensee in Göhren-Lebbin darüber beraten, wie die Richtlinie entschärft werden könnte.

Eine der im Vorfeld debattierten Möglichkeiten besteht darin, Notfalleinsätze von der Regelung auszunehmen. Den Vereinen reicht solch eine Ausnahme jedoch nicht. Dort befürchtet man, dass der Brand- und Katastrophenschutz durch unzureichend geübte Freiwillige leiden wird. Und auch bei Tätigkeiten wie dem Auspumpen von Kellern könne man nicht einfach eine Woche warten, bis die EU-Arbeitszeituhr von Neuem zu laufen beginnt. Vereinen außerhalb der Bereiche Brand- und Katastrophenschutz würde eine Notfallausnahme gar nichts bringen.

Auf Twitter wurden deshalb Befürchtungen geäußert, dass man das Arbeitsverbot für Ehrenamtler eventuell auch gegen die Piratenpartei einsetzen könnte, die bislang vollständig auf Berufspolitiker verzichtet und nur Zuarbeiter bezahlt. Bei Marina Weisband führte die Doppelbelastung aus Studium und dem Ehrenamt der politischen Geschäftsführerin zu gesundheitlichen Problemen. Sie zog daraus die Konsequenzen und pausiert bis zur Fertigstellung ihrer Diplomarbeit.

Allerdings ist offen, ob die EU-Richtlinie bei Schreibtisch-Ehrenämtern viel Praxisrelevanz entfalten wird. Schließlich sind Arbeitszeitbeschränkungen schon jetzt in vielen bezahlten Bereichen ein reiner Papiertiger. Außerhalb von Behörden wird mittlerweile nämlich häufig sehr viel länger gearbeitet, als gesetzlich oder im Tarifvertrag erlaubt wäre. Eine Entwicklung, die eher mit Riesenschritten voranschreitet, statt dass sie sich durch EU-Richtlinien aufhalten ließe.

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