Tatort Urheberrecht

Laut Dr. Konstantin von Notz, dem netzpolitischen Sprecher der Grünen, wird heute mehr Geld für Inhalte ausgegeben als jemals zuvor, aber ungerecht verteilt. Das Internet sieht er als bloßen Sündenbock für dieses Problem.

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Gestern fand im Neuen Theater München die Podiumsdiskussion Tatort Urheberrecht statt. Geladen waren der Musiker und Labelbesitzer Bruno Gert Kramm als Piratenpartei-Beauftragter für das Urheberrecht, Reinher Karl, der Justitiar des Verbandes unabhängiger Musikunternehmen, Dr. Konstantin von Notz, der netzpolitischer Sprecher der Grünen, und der Tatort-Autor Jochen Greven. Im mit etwa mit 120 Leuten recht überfüllten i-camp-Theater führte Thomas Pfeiffer, der Vorstand von Twittwoch. e.V. Social media von und für Unternehmen, durch die Gesprächsrunde, deren Verlauf immer wieder von heftigen Zwischenrufen begleitet wurde.

Der Drehbuchautor und leicht überheblich sowie onkelhaft auftretende Jochen Greven meinte, das Leidensmaß sei nun voll. Künstler würden herabgewürdigt und enteignet. Eigentlich sei zwar das Urheberrecht ganz okay, die Ausführungsbestimmungen jedoch eine Katastrophe. In der Regel würde er für einen Tatort, in den er ein halbes bis einem Jahr Arbeit investieren müsse, 25.000 Euro einstreichen. Damit habe das Fernsehen die Lizenz erworben, den Film einmal auszustrahlen. Bei Wiederholungen würde er dann wieder 25.000 Euro kassieren. Das Problem sei aber, dass das Urheberrecht von einer Gleichberechtigung der Vertragspartner ausgehe, was nicht mehr der Realität entsprechen würde. Die vier Sendergruppen ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat1 wären durch die Marktstellung in einer vorteilhafteren Position als die Urheber.

Auf die Moderatoren-Frage, was sich ändern würde, wenn man das Urhebervertragsrecht grün ausgestalten würde, antwortete Dr. Konstantin von Notz, dass die GRÜNEN die Rechte der Urhebers an ihren Werken stärken möchten wollten. Im Urheberrecht sei zum Beispiel eigentlich intendiert, dass ein Zweitverwertungsrecht des Künstlers existiere, dies würde aber in vielen Fällen per Vertrag ausgeschlossen. Dies faktische Ungleichgewicht wolle man ändern - auch, indem man zum Beispiel die Frist verkürze, nach der die Rechte wieder an den Urheber zurück gehen.

Von links nach rechts: Pfeiffer, Greven, Notz, Karl, Kramm

Geradeso als hätten die GRÜNEN außer dem Dosenpfand jemals politisch etwas umgesetzt, was sie vorher in ihren Programmen versprochen hatten, vertrat das Mitglied der Internet-Enquete-Kommission unbekümmert die Position: "Die GRÜNEN sind es, die den Kreativen einen angemessenen finanziellen Ausgleich für die Nutzung ihrer Inhalte ermöglichen wollen." Und: "Bürgerrechtseinschränkungen sind mit mir nicht zu machen."

Damit hatte er Publikum, das überwiegend aus von den Neuen Medien begeisterten Studenten der Kommunikationswissenschaften, Jetzt-Magazin-Lesern und älteren Schneidersitz-Charlies bestand, genauso auf seiner Seite, wie der leutselige Indie-Rocker Bruno Gert Kramm von der Piratenpartei. Der machte im Urheberrecht verschiedenen Sphären aus, in denen die darin unterschiedlich positionierten Künstler unterschiedlich profitieren würden. Drehbuchschreiber wie Herr Greven seien eher eine privilegierte Spitze. Bei Kameraleuten, denen zum Beispiel keine Zweitverwertungsrechte zugesprochen würden, sähe das schon ganz anders aus. Auch würden Autoren von Dokumentarfilmen durch die Öffentlich-Rechtlichen alle möglichen Vertragsbedingungen nach dem Modell publish or perish (veröffentlichen oder umkommen, RJ) aufoktroyiert werden. Hier gebe es gleichfalls kaum Möglichkeiten über Zweitverwertungsrechte mitzuverdienen. Ähnlich wäre die Privilegienstreuung im Musikbereich.

Hier sollten zum Beispiel Rechte, die von den Verwertern nicht mehr wahrgenommen werden, nach einer gewissen Frist an den Urheber automatisch zurückfallen. Aus seiner eigenen Vergangenheit als Musiker erzählte er, dass er mit seiner Band ein Album bei der Industrie herausgebracht hatte, was sich nach vier Jahre nicht mehr so gut verkauft habe. Als er das Album bei Konzerten weiter verkaufen wollte, wäre es ein unglaublicher Kampf um die Rechte an den Songs gefolgt. Er habe dann die Rechte nur gegen eine Zahlung zurück bekommen, die etwa halb so hoch war wie die ursprüngliche Vorauszahlung der Plattenfirma seinerzeit. Das sei die Realität.

Auch müssten Künstler bei heutigen Verträgen mitunter den Verwertern Rechte abtreten, die noch nicht einmal existieren würden. Es gäbe zum Beispiel Klauseln, die die Verwertungsrechte an zukünftigen Medien beinhalten würden. Dies müsse in einer so schnelllebigen Zeiten wie heute dringend reformiert werden.

Des weiteren wären die Verteilungsmodi für die Pauschalabgaben zum Beispiel der GEMA und der VG-Wort intransparent und nicht nachvollziehbar. Bevor man über alternative Pauschalabgaben zu diskutieren beginne, sollte man sich die Deckelung anschauen und sich hier Gedanken machen.

In puncto Filesharing brachte er eine Studie der North Carolina State University in die Diskussion ein, laut der Songs oder Filme, die über Filesharing Verbreitung finden, sich auch besser verkaufen würden. Dies liege daran, dass Leute, die intensiv Filesharing betreiben, dies dazu nutzen würden, um zu selektieren und dann zu kaufen. Filesharing führt Kramm zufolge letztendlich dazu, dass mehr Werke gekauft werden. Seit im Musikbereich Angebote im Netz vorhanden wären, würde der Markt auch wieder wachsen. Im Filmbereich hingegen gebe es diese legalen Angebote nicht und solange diese nicht existierten, könne man niemand vorwerfen, dass er sich Werke anderweitig besorgt. Man müsse heutzutage auf die Nutzer und ihre Bedürfnisse eingehen und dementsprechend Angebote schaffen. Würde man Filesharing wirklich verbieten wollen, müsste man überdies den gesamten Datenverkehr im Internet kontrollieren.

Hier ergänzte Dr. Konstantin von Notz, dass das in Frankreich politisch umgesetzte Überwachungsregime, welches die Verwerter forderten, gescheitert wäre. Die Musikbranche verzeichne dort sogar Umsatzrückgänge. Mit dem Internet hätte ein Epochenbruch eingesetzt - und es sei nur die Frage, wie man darauf reagiert. Die Probleme im Urheberrecht wären für die Kreativen schon immer schlimm gewesen und die Digitalisierung würde hier eine Art Schuldenbockfunktion in der Diskussion erfüllen, denn so viel Geld für Inhalte wie heutzutage wäre auf der ganzen Welt noch nie ausgegeben worden. Wenn man hier so täte, als hätte man es ausschließlich mit einer Geiz-ist-geil-Generation zu tun, würde man nichts erreichen. Die Verwertungskaskaden über den Vertrieb entspräche nicht mehr der Lebensrealität. Diejenigen, die ihre Geschäftsmodelle auf eine neue Zeit hätten einstellen müssen, würden nichts tun und die Politik, die in der Öffentlichkeit Position für die Kreativen einnehme, würde sich bei der Lösung der Probleme merklich zurückhalten. Man bräuchte aus dieser Richtung aber jetzt Antworten damit nicht morgen die Welt google und facebook gehören würde.

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