Spanien stellt Nothilfe-Antrag

Zunächst sollen nur spanische Banken mit 100 Milliarden Euro gerettet werden

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Wie seit langem erwartet wurde, hat sich mit Spanien am Samstag auch das viertgrößte Euroland entschlossen, einen Nothilfe-Antrag zu stellen. Wie erwartet fand die Telefonkonferenz statt und auf das Land wird erstmals eine Sonderregelung angewendet. So erhält zwar der Staat das Geld zur Refinanzierung der abstürzenden Banken, doch es schlüpft nicht wie Griechenland, Irland und Portugal zuvor unter den Rettungsschirm. Somit vermeidet Spanien die Kontrolle der Staatsfinanzen durch die Troika. Auflagen sollen nur zur Sanierung des Bankensystems gemacht werden. Mit dieser Salami-Taktik wird wieder einmal etwas Zeit erkauft.

"Die Regierung erklärt ihre Absicht, auswärtige Finanzierung zu beantragen", sagte der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos auf einer Pressekonferenz am späten Samstag. Eine genaue Kreditsumme, die man "zu sehr günstigen Konditionen" erhalten werde, nannte er nicht. Die Zinsen seien niedriger als an den Finanzmärkten, wo zuletzt am Donnerstag mehr als 6% Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen bezahlt werden mussten. Wie zu erfahren ist, soll der Zinssatz bei etwa 4% liegen.

Die Gesamtsumme beinhalte eine ausreichende "Sicherheitsmarge". Der von der Eurogruppe in der gemeinsamen Erklärung genannte Betrag von bis zu 100 Milliarden Euro, diene lediglich als "Anhaltspunkt", sagte der Wirtschaftsminister. Definitiv wird der Antrag erst gestellt werden, wenn die Prüfung der Bilanzen der Banken abgeschlossen ist. Damit sind die Beratungsgesellschaften Oliver Wyman (USA) und Roland Berger (Deutschland) beschäftigt und sie soll in etwa zwei Wochen abgeschlossen sein.

Einigermaßen geklärt ist, mit welchem Mechanismus gearbeitet werden soll. Unklar war zuvor, ob Spanien wie zuvor Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm schlüpft oder ob eine Sonderregelung eingesetzt wird. Darauf haben sich schließlich die 17 Finanzminister der Euro-Gruppe am Samstag während ihrer dreistündigen Telefonkonferenz geeinigt. Diese Sonderregelung wurde erst 2011 die Euro-Staaten mit Blick auf Spanien geschaffen und kam bisher nicht zum Einsatz. Sie sieht im Notfall eine Rekapitalisierung von Banken durch Hilfsdarlehen an Staaten vor.

Das Wort "Rettung" wird abgelehnt

De Guindos lehnte deshalb das Wort "Rettung" ausdrücklich ab, was der Regierung niemand abnimmt. Spanien hatte in den Verhandlungen versucht durchzusetzen, dass Banken oder der staatliche Bankenrettungsfonds (FROB) direkt Geld vom EFSF erhalten. Doch das sieht weder der Vertrag zum EFSF noch der Vertrag zum dauerhaften Rettungsfonds (ESM) vor, der im Juli starten soll. Nun soll das Land Geld erhalten und der FROB soll es für die Regierung an abstürzenden Banken weiterreichen.

Dieser Mittelweg war nötig, um Spanien die Rettung schmackhafter zu machen. Dem Land sollen keine neuen Sparvorgaben auferlegt werden, da die Regierung ohnehin längst den harten Sparkurs fährt Auflagen gäbe es nur für die Sanierung des Bankensystems und der Internationale Währungsfonds (IWF) wird in die Überwachung und Umstrukturierung einbezogen.

Dieser Weg bedeutet, dass die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) zunächst nicht den Blick in die Staatsfinanzen wie in den drei anderen Ländern werfen kann. Das wollte Spanien unbedingt vermeiden. Damit bleibt weiterhin der Einblick in die zweifelhaften Finanzen von einigen Regionen versperrt. Dabei wurde das Defizit wegen der Finanzlöcher in den aufgehübschten Bilanzen in nur sechs Monaten drei Mal nach oben korrigiert.

Nachweis einer soliden Finanzpolitik?

In der Region um die Hauptstadt Madrid hat es sich sogar vom ursprünglichen Wert fast verdoppelt. Noch dramatischer ist die Lage im bankrotten Valencia und vor allem auch in anderen Regionen, in denen seit vielen Jahren die Konservativen regieren. Dort blüht die Korruption und sogar Regierungschefs werden vor Gerichten wegen Korruption angeklagt.

Um in den Genuss der Sonderregelung zu kommen, hätte Spanien nach den Leitlinien dafür aber nachweisen müssen, dass es bisher eine solide Finanzpolitik aufwies und Verpflichtungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingehalten hat. Davon kann man wahrlich nicht sprechen. Statt 2011 ein Defizit von 6% auszuweisen, wurde das Haushaltsdefizit schon auf fast 9% nach oben korrigiert. Sogar die EU-Kommission geht längst davon aus, dass Spanien das versprochene Stabilitätsziel von 3% nicht 2013 erreicht wird, es sollen sogar 2014 noch 6,3% sein sollen.

Dass ist ein Prozentpunkt über dem ohnehin schon nach oben verschobenen Defizitziel von 5,3% für 2012. Und der IWF hat schon vor den neuen Milliardenschulden, die nun für die Banken aufgehäuft werden, prognostiziert, dass Spanien den Stabilitätspakt frühestens 2018 wieder einhalten kann. Eine solide Finanzpolitik sieht anders aus.

Die Basis für diese Entscheidung am Samstag hatte der IWF gelegt. Eigentlich sollte er erst am Montag seine Einschätzung über den Rekapitalisierungsbedarf der Banken abgeben, schloss aber seinen schnellen Stresstest vorzeitig ab und gab die Ergebnisse am Freitag in Washington bekannt. Er ermittelte einen Kapitalbedarf von mindestens 40 Milliarden Euro. Damit stand eine Zahl im Raum, die spanische Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría hatte erklärt: "Wir warten auf die Zahlen derer, die unser Bankensystem analysieren."

Da auch die EU-Kommission auf Eile gedrängt hatte, baute auch der Sprecher von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn Brücken. Amadeu Altafaj sagte, es sei ratsam aber nicht zwingend nötig, mit dem Antrag eine Summe zu nennen.

Weil sich die Wirtschaftsprüfer von Deloitte weigerten, die Bilanzen der Bankia-Bank abzuzeichnen...

Dass mit bis zu 100 Milliarden deutlich mehr Geld fließen soll, als der IWF veranschlagt, hängt mit verschiedenen Faktoren zu tun. In seinem Stresstest ging der IWF von einer Verschärfung der Rezession aus und im schlimmsten Fall würde demnach die Wirtschaftsleistung um 4,1 Prozent in diesem Jahr um 1,6 Prozent im nächsten Jahr schrumpfen. Dadurch würde die Arbeitslosigkeit von derzeit knapp 24,3 Prozent auf 26,6 Prozent steigen und weitere Kredite ausfallen.

Da schon bekannt ist, dass allein die nun verstaatlichte Großbank Bankia und ihre Muttergesellschaft BFA mit 23,5 Milliarden benötigen und die spanische Notenbank zudem erklärte, dass die verstaatlichten Sparkassen CatalunyaCaixa und Novagalicia weitere neun Milliarden Euro benötigen, sind die 40 Milliarden schon fast erreicht. Deshalb baute auch der IWF vor. Um die Kosten für faule Kredite und den Umbau von Geldhäusern abzufedern zu können, rechnete er damit, dass der Kapitalbedarf auch doppelt so hoch ausfallen könnte.

Dass nun für die Euro-Gruppe 100 Milliarden Euro als Referenz dienen, hat damit tun, dass man wohl sogar damit rechnet, dass die Rezession noch deutlich schlimmer ausfallen könnte. Schließlich ist Wirtschaft in Griechenland angesichts des Sparkurses 2011 um 7% eingebrochen und soll nun erneut um 4,4% schrumpfen. Dazu kommt, dass mit weiteren Milliardenlöchern gerechnet wird, die noch in den Bilanzen von Banken versteckt sind. Zu erinnern sei daran, dass die gesamte Spanien-Rettung nun auf den Weg gebracht wurde, weil sich die Wirtschaftsprüfer von Deloitte weigerten, die Bilanzen der Bankia-Bank abzuzeichnen.

Nach einer genaueren Prüfung stellte sich heraus, dass die Bank 2011 keinen Gewinn von 41 Millionen Euro machte, sondern einen Verlust von 3,3 Milliarden. Neben den Löchern in den Bilanzen müssen die Banken aber zusätzliche Rückstellungen für faule und faul werdende Kredite aufbringen. Dazu kommen neue Eigenkapitalanforderungen, die ebenfalls den Kapitalbedarf zusätzlich erhöhen. Viele können das Geld nicht aufbringen, weshalb der Staat auch ihnen beispringen muss. Deshalb kommt man allein bei Bankia auf einen Kapitalbedarf von insgesamt 23,5 Milliarden Euro.

Riesige Löcher

Wie schon angesprochen, sind aber nicht allein die Banken ein Problem. Auch in vielen Regionen klaffen, mit Ausnahme des Baskenlands, riesige Löcher. Geschätzt wird, dass die Regionen in etwa noch einmal etwa 140 Milliarden Euro benötigen. Es ist also unwahrscheinlich, dass es bei dieser kleinen Rettungslösung bleibt.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass nur versucht wird, kurzfristig die Lage zu beruhigen. Doch man handelt sich aber Problem ein, das über die eingeschlagene Salami-Taktik immer wieder für Unruhe sorgen wird. Dieses Vorgehen hatte Madrid schon bei Bankia gewählt und den Worten von EZB-Chef Mario Draghi ist nichts hinzuzufügen. "Das ist die schlechteste Art und Weise, die Dinge zu regeln." Und das gilt auch für den faulen Kompromiss der nun für Spanien gefunden wurde.