Lehrer mit Baum verwechselt

Ein Münchner Radfahrer, der ohne Licht einen 74-Jährigen ins Koma fuhr, wartet mit einer originellen Erklärung auf

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Am 30. Mai wich der pensionierte Lehrer Orhan S. in der Münchener Hansastraße einem auf dem Gehweg parkenden Automobil aus und wurde dabei von einem Radfahrer erfasst, der nachts ohne Licht unterwegs war. S. zog sich bei dem Zusammenprall nicht nur mehrere Knochenbrüche, sondern auch eine Hirnblutung zu, wegen der er in ein bis jetzt anhaltendes Koma fiel.

Der Radfahrer, ein 30-jähriger gelernter Speditionskaufmann, der derzeit keiner bezahlten Beschäftigung nachgeht, wartete nur kurz bei seinem bewusst losen Opfer und machte sich heimlich davon, als sich Rettungskräfte darum kümmerten. Dabei konnte ihn auch die Ehefrau des Überfahrenen nicht aufhalten, die ihm hinterherlief und nachrief, er solle anhalten.

Erst, als der Fall durch die Presse ging, wo über mögliche genetische Spuren des Täters spekuliert wurde, meldete sich der 30-Jährige zusammen mit seinem Rechtsanwalt bei der Polizei und wartete dort unter anderem mit der Erklärung auf, er habe den pensionierten Lehrer zuerst für einen Baum gehalten und später gehofft, dass ihm bei dem Unfall nichts Schlimmes zugestoßen sei, weshalb er sich vom Unfallort entfernt und sieben Tage lang nicht gerührt habe.

Der Speditionskaufmann ist nicht der einzige "Fahrrad-Rambo", der die Gemüter in München derzeit empört: Auf des Stadtrat Richard Quaas (CSU) wurde jetzt bekannt, dass alleine zwischen dem zwischen Odeons- und dem Marienplatz jeden Tag etwa 750 Radfahrer durch grobe Rücksichtslosigkeit auffallen. Das Kreisverwaltungsreferat, das diese in vier Jahren Beobachtung entstandene Zahl jetzt herausgab, relativiert sie damit, dass die "Radl-Rambos" lediglich fünf Prozent der täglich ungefähr 15.000 Radfahrer ausmachen, weshalb man nicht von einer "generellen Wild-West-Manier" sprechen könne. Aber auch Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle musste zugeben, dass die "absolute Zahl an Auffälligkeiten […] relativ hoch" ist.

Der Münchner Marienplatz. Foto: Chris 73 / Wikimedia Commons. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Zu den häufig bemängelten Fahrfehlern zählen beispielsweise massive Geschwindigkeitsüberschreitungen in Bereichen, in dem eigentlich nur mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden darf, das Überfahren von roten Ampeln und das Verjagen von Fußgängern mit der Klingel oder durch aggressives Heranfahren. Besonders verbreitet scheint rücksichtsloses Verhalten bei Kurierfahrer und bei Pendlern zu sein, die es eilig haben. Inzwischen räumt man sogar im Münchener ADFC ein, dass sich nicht nur Fußgänger, sondern auch verängstigte Radfahrer über "Radl-Rambos" beschweren.

Darauf, dass das Verhalten solcher "Kampfradler" nicht nur ärgerlich ist, sondern auch zu Unfällen führt, deutet die aktuelle Statistik der Münchner Polizei hin. Danach gab es 2011 um 21 Prozent mehr Unfälle mit Fahrradbeteiligung als 2010. Und bei etwa der Hälfte der insgesamt 2978 aktenkundig gewordenen Vorgänge mit 2895 Verletzten und drei Toten trugen Radfahrer die Schuld.

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