Waschmaschinenlabel …

… jetzt auch für Autoreifen

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Den Bürgern Europas steht mit dem ab 1. November 2012 geltenden Label für Autoreifen eine weitere Informationsquelle für eine umweltgerechte Kaufentscheidung zur Verfügung. Ob sich das neue Label nun energiesparend oder im Ergebnis eher kontraproduktiv auswirkt, lässt sich bislang noch nicht eindeutig beurteilen. Zweifel sind jedoch durchaus angebracht.

Der Siegeszug des vor einige Jahren eingeführten EU-Energieeffizienzlabels hat die Käufer von Kühlschränken und Waschmaschinen offensichtlich über die Maßen motiviert, effizientere Geräte zu kaufen. Und es hat die Gerätehersteller angetrieben, die Energieeffizienz ihrer Produkte so dramatisch zu steigern, dass es im Bereich der effizientesten Geräte ziemlich eng wurde. So musste man die Effizienzklassen nach oben erweitern und endet derzeit bei der Effizienzklasse A+++.

Für die zuständigen Regulierungsbehörden war diese Entwicklung die klare Aufforderung weitere Produkte mit einem Effizienzlabel zu versehen. Dies geschieht offensichtlich in der Hoffnung, dass sich die Käufer von den bunten Aufklebern beeindrucken lassen. Die zuständigen Behörden versprechen sich von den Labeln eine effiziente und zielgerichtete Kundeninformation, wodurch sich die erwarteten Effizienzsteigerungspotentiale realisieren lassen sollen.

Reifenlabel. Grafik: © Europäische Union, 1995-2010.

So schwappte die Labelwelle inzwischen von den Küchengeräten auf Glühlampen und TV-Geräte über und seit dem 1. Dezember 2011 rückt man mit dem PKW-Label auch dem Automobil mit einer Labelpflicht zu Leibe. Nun erhält der Neuwagenkäufer zusätzliche Informationen, die ihm bei der umweltgerechten Fahrzeugauswahl helfen sollen, denn Deutschlands Autokäufer achten beim Neuwagenkauf ganz klar auf geringen Kraftstoffverbrauch und möglichst wenig CO2-Ausstoß.

Zumindest sagen sie dies bei entsprechenden Umfragen. Wenn man den Umfrageergebnissen Glauben schenkt, haben SUVs und andere Spritfresser am Markt keine Chance. Die Diskrepanz zwischen der geäußerten Meinung und der Realität zeigt sich in praktisch jedem morgendlichen Verkehrsstau. Und so wundert es kaum, dass das PKW-Label bei Neuwagenkäufern noch Anfang des Jahres eher unbekannt war.

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch mit dem PKW-Reifenlabel schon die nächste Informations-Offensive im Anrollen. Mit der Verordnung Nr. 1222/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates ... über die Kennzeichnung von Reifen in Bezug auf die Kraftstoffeffizienz und andere wesentliche Parameter und den in der Verordnung (EU) 1235/2011 der Kommission festgelegten Änderungen kommt ein weiteres Informationsbündel auf den Verbraucher zu.

Das Reifenlabel begleitet seit Juni 2012 alle neu produzierten PKW-Reifen. Mit seiner Hilfe soll der Käufer sowohl beim Neuwagenkauf, als auch beim Kauf von Ersatzreifen standardisierte Informationen über den angebotenen Reifen erhalten. Die Umsetzung der Marktüberwachung des Reifenlabels in nationales Recht erfolgte durch das Energieverbrauchskennzeichnungsgesetz (EnVKG).

Welches sind nun in der Praxis die entscheidenden Kriterien für den Reifenkauf?

  • Rollgeräusch
  • Seitenführung in Kurven,
  • Aquaplaningeigenschaften
  • Nasshaftung
  • Trockenhaftung
  • Rollwiderstand
  • Reifendesign
  • Lebensdauer
  • Preis

Beim aktuellen Reifenlabel, das ab 1. November 2012 zur Pflicht wird, hat man sich auf drei Reifeneigenschaften konzentriert, die man für wesentlich hält:

  • Rollwiderstand (Energieeffizienz/Kraftstoffverbrauch),
  • externes Rollgeräusch (Verkehrslärm für Anlieger) und
  • Nasshaftungseigenschaften (Bremsweg auf nasser Straße/Sicherheit)

Der Reifenpreis und das jeweilige Preis-/Leistungsverhältnis wird beim Reifenlabel nicht berücksichtigt.

Auf Basis dieser Informationen soll der Verbraucher eine sachkundige Kaufentscheidung treffen. Das durch die Verordnung festgelegte Label orientiert sich im Erscheinungsbild am Energieeffizienzlabel für Elektrogroßgeräte und Glühbirnen (entsprechend der Richtlinie 92/75 EWG). Das Reifenlabel übernimmt damit auch die bekannte Einteilung in unterschiedliche, teils farbig gekennzeichnete Klassen. Mit den Farben soll der Blick auf den Rollwiderstand des Reifens gelenkt werden. Man hofft, dass die Verbraucher zu Reifen mit geringem Rollwiderstand greifen werden.

Welche konkreten Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch mit den jeweiligen Klassen verbunden sind, ist aus der Labelgrafik jedoch nicht zu entnehmen. Da die Angaben nur für den neuen Reifen bei vorgeschriebenem Luftdruck gelten, werden sich in der Fahrpraxis möglicherweise abweichende Werte ergeben. Mit dem korrekten Reifendruck beschäftigt sich Otto Normalfahrer inzwischen eher selten. Die Luftdruckprüfer an den Tankstellen führen heute wahrlich ein Schattendasein. Auf Nachfrage bestätigten mehrer Auto-Werkstätten, dass der Reifenluftdruck bei Kundenfahrzeugen heute eher selten die vorgegebenen Werte erreicht.

Man war sich bei der Auswahl der drei im Label aufgeführten Kriterien offensichtlich bewusst, dass die drei ausgewählten Parameter in Wechselwirkung zueinander stehen. Die Verbesserung des Rollwiderstands kann sich nachteilig auf die Nasshaftung auswirken und die Verbesserung der Nasshaftung wiederum nachteilig auf das Rollgeräusch. Mit der Konzentration auf die genannten drei Kriterien wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit die Reifenentwicklung auf die Optimierung dieser drei Kriterien ausgelegt werden. Die ersten Pkw-Konzeptreifen, die eine A-Einstufung sowohl beim Rollwiderstand als auch in der Kategorie Nasshaftung erzielen, wurden inzwischen schon vorgestellt.

Ob sich dann der Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung in erster Linie - wie erwünscht - vom Effizienzkriterium leiten lässt oder eher die sicherheitsrelevante Nasshaftung als die für ihn subjektiv wichtigste Information berücksichtigt, wird die Zukunft zeigen. Hoffnungen, dass dem Rollgeräusch eine besondere Relevanz entwickeln könnte, erscheinen illusorisch. Den vom Rollgeräusch verursachten Lärm hören nur die, die nicht im Fahrzeug sitzen.

Zum Sicherheitsaspekt gibt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat in seinen Informationen den folgenden Hinweis:

Zwischen den einzelnen Klassen liegt ein zusätzlicher Bremsweg von drei bis sechs Metern auf nasser Straße bei einer Geschwindigkeit von 80 Kilometern pro Stunde. Das bedeutet, dass ein Reifen der Klasse C auf einer durchschnittlich griffigen Straße vier Meter später zum Stehen kommt als einer der Klasse B - immerhin eine gute Wagenlänge. Das heißt, während das eine Fahrzeug den Unfall knapp verhindert, prallt das andere mit 25 bis 30 km/h auf den Vordermann.“

Falls nun die Bestklassifizierung eines Reifens hinsichtlich seiner Nasshaftung dazu führen sollte, dass dieses Plus an Sicherheit einen aggressiveren Fahrstil ermöglicht, wäre das Reifenlabel in der Praxis eher kontraproduktiv.

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