Ältere Väter und das Versprechen auf längeres Leben des Nachwuchses

Eine US-Studie suggeriert, dass Spermien von älteren Männern für eine genetische Programmierung sorgen, die die Lebenserwartung der Kinder erhöht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Vererbung ist mehr als die halbe Miete. Das stimmt nicht nur materiell. Die komfortable materielle Ausstattung, die gar nicht so wenige Glückskinder von ihren wohlhabenden Eltern mit auf ihren Lebensweg bekommen, hat eine dreibuchstabige Analogie auf dem biologischen Wettbewerbsfeld: DNA. Auch mit dem genetischen Erbe wird um Ehre geworben. Das talentierte, gesunde Kind ist lebendiges Zeugnis talentierter, vitaler Eltern. In Zeiten, in denen Männer, die sich erst spät dazu entschließen, Kinder zu zeugen, keine Ausnahme mehr sind - und die Aufmerksamkeit für gesundheitliche Konsequenzen von Handlungen groß ist - , ist das eine gute Nachricht: Children with older fathers and grandfathers 'live longer'.

Umso mehr als sich die über-vierzig-jährigen Väter oder Männer, die erst im späteren Alter ihren Kinderwunsch entdecken, in den letzten Jahren mit Studien konfrontiert sahen, die in ihrem reiferen Samen den Keim zu unerwünschten Mutationen entdeckten:

Überdurchschnittlich häufig waren in den Spermien der älteren Männer - alle waren Nichtraucher - Mutationen, die bei den Nachkommen zu einem sogenannten Apert-Syndrom oder einer Achondroplasie (Minderwuchs, Einf. d.A.) ), einer genetisch bedingten Knorpelwachstumsanomalie, führen können.

Schadhafte Gene im Samen älterer Männer

Eine erhöhte Rate von Fehlgeburten bei Vätern, die über 35 Jahre alt sind; Kinder von Vätern über 45 hätten ein "fast doppelt so hohes Risiko, in der Kindheit zu sterben oder schwer zu erkranken"; Fehlbildungen, Autismus, Epilepsie und Herzerkrankungen, als "typische Fälle"; "auch psychische Erkrankungen wie Schizophrenie und Depressionen sowie eine geringere Intelligenz wurden bereits mit dem Alter der Väter in Verbindung gesetzt": Die biologische Uhr tickt auch für Männer, so lautet die Überschrift zu einem Artikel der die beunruhigenden Risiken aufzählt. Die gleiche Überschrift taucht auch in Spiegel-Artikel zum Thema auf. Solche Botschaften reichen weit.

Vorbei die Zeiten, in denen Erzählungen die Vitalität später Väter, Musterbeispiel Picasso, ungebrochen feiern konnten. Die Wissenschaft hat auch diese Mittelmeer- und Kaiser-und Rockstarlegenden erledigt. Das kann für manches männliche Selbstverständnis irritierend sein. Doch lebt der Nachrichtenfluss von positiven Meldungen. Bisweilen kann man sogar den Eindruck gewinnen, dass er mit manchen Meldungen umgeht, wie "Gute-Laune"-Radiosender mit schlechten Wetteraussichten, man spricht flappsig fröhlich die Wolken weg. Ähnlich werden wissenschaftliche Ergebnisse bereinigt, so etwa bei der Studie Delayed paternal age of reproduction in humans is associated with longer telomeres across two generations of descendants.

Sie lässt sich wunderbar auf "längere Telomere" verkürzen, wie das der Aufmacher der BBC-Artikel zur Studie vorführt oder auch das amerikanische Senior Journal: Those Long Telomeres Inherited from an Older Father Give You Longevity suggerieren. Telomere sind die Enden der Chromosomen, bestehend aus repetitiver DNA und assoziierten Proteinen; sie schützen, wie dies das Abstract der Studie anführt, Gene vor dem Verlust von Nukleotiden bei der Zellteilung. Die Verkürzung der Telomere wird mit dem Alterungsprozess in Verbindung gebracht.

Dazu wird aber auch das Phänomen beobachtet, dass im Alter die Länge der Telomere im Samen größer ist. Aus der Longitudinal-Studie mit 2.023 Personen aus den Philippinen, die Dan. T. Eisenberg, M. Geoffrey Hayes und Christopher W. Kuzawa zur Grundlage hatten, geht hervor, dass Kinder und Enkelkinder die längeren Telomere ihrer Väter bzw. Großväter erben.

Telomeres, measured in blood samples, were longer in individuals whose fathers were older when they were born.

BBC

Dass dies mit einer höheren Lebenserwartung der Kinder nur assoziiert wird und nicht naturgesetzlich, zwangsläufig einhergeht, wird erst bei genauerer Lektüre klar; wie auch der Hinweis darauf, dass die Länge der Telomere nur ein Faktor unter mehreren ist, der auch nur begrenzte Aussagen zur gesunden Entwicklung des neuen Lebens treffen kann. So kommentiert am Ende des BBC-Artikels Thomas von Zglinicki:

Nur sehr wenige der Studien, welche die Länge der Telomere mit der Gesundheit in späterem Leben in Verbindung bringen, haben den Einfluss des Alters des Vaters untersucht. Es ist noch immer völlig unklar, ob die Länge der Telomere bei der Empfängnis (oder der Geburt) oder die Verlustrate der Telomere im Alter wichtiger für die Krankheitsanfälligkeit oder für die Lebenserwartung wichtig ist. (…) Die Verfasser der Studie haben auch nicht den Gesundheitszustand der ersten Generation der Nachkommen untersucht.