Volkszählung auf und im menschlichen Körper

Im Rahmen des Human Microbiome Project wurden mit der Technik der Gensequezierung die Mitbewohner und deren Verteilung von 242 gesunden Menschen erfasst

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Den menschlichen Körper ist Heimstatt für unzählige Mikroben. Sie übersteigen die Gesamtzahl der menschlichen Zellen mindestens um das Zehnfache, woraus man den Schluss ziehen könnte, dass auf und im Körper das Menschliche in der Minderzahl ist oder dass das Körperich ein Anderes ist. Die genetische Vielfalt des Mikrobioms übersteigt die Zahl der menschlichen Gene um das Hundertfache. Allerdings unterscheiden sich Menschen biometrisch nicht nur anhand des Genoms, der Fingerabdrücke oder Irismuster voneinander, sondern auch durch die Zusammensetzung ihrer Mitbewohner, die sich an bestimmten Orten wie der Nase, dem Mund, dem Darm, der Vagina oder manchen Hautstellen häufen.

Die Vielfalt der Mikroorganismen verteilt sich vor allem gemäß den Körperstellen. Bild: Nature

Im Rahmen des Human Microbiome Project (HMP) wurde nun eine Volkszählung der Mitbewohner von 129 Männern und 113 Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren durchgeführt, die Ergebnisse wurden in Nature (Structure, function and diversity of the healthy human microbiome und Structure, function and diversity of the healthy human microbiome) und anderen Zeitschriften veröffentlicht. Deutlich wurde dabei, dass sich die Zahl und die Vielfalt der Bakterien auf und in den menschlichen Wirten erheblich von Individuum zu Individuum und von Habitat zu Habitat unterscheiden. Zwar wird vermutet, dass Ernährung, Umwelt, das Genom des Wirts und die ersten Besiedler eine wichtige Rolle für die individuellen ökologischen Nischen spielen, aber das war noch nicht Gegenstand dieser Studie und dürfte schon aufgrund der Komplexität schwierig zu erklären sein.

Die Zählung wurde mittels genetischer Sequenzierung gemacht, die Technik ist in den letzten Jahren deutlich billiger und besser geworden. Mehr als 11.000 Arten wurden identifiziert, hauptsächlich Bakterien, aber auch Viren, Mikroeukaryoten und Archaea. Insgesamt habe man zwischen 81 und 99 Prozent aller erwarteten Gattungen, Artengemeinschaften und Enzymfamilien gefunden, die es im westlichen menschlichen Mikrobiom von gesunden Menschen gebe. Die Untersuchung erstreckte sich allerdings nicht auf den ganzen Körper, sondern nur auf 18 Habitate bei Frauen und 15 bei Männern. 9 Proben wurden im Mund- und Nasenraum genommen, 5 auf der Haut, 3 in der Vagina und eine aus einer Stuhlprobe. Die größte Vielheit an Mikroorganismen wurde im Speichel und im Stuhl gefunden.

Die Unterschiede zwischen den Individuen sind, so die Studie, "spezifisch, funktionell bedeutsam und personalisiert". Verwiesen wird etwa auf die im Mundraum verbreitete Gattung der Streptokokken. Hier finden sich bei den einzelnen Menschen nicht nur allgemein unterschiedliche Arten, sondern auch in den einzelnen Habitaten. Eine ähnliche Personalisierung findet man auch in den Gattungen, die im Mundraum in geringerer Häufigkeit vorkommen. In fast allen Nischen und bei allen Menschen werden die Habitate von einer Gattung oder wenigen Gattungen dominiert, aber es gibt auch Ausnahmen. Bei Menschen mit demselben ethnischem Hintergrund sind die Mikrobengemeinschaften ähnlicher. Im Unterschied zur genomischen Vielfalt ist jedoch die metabolische Vielfalt bei den Menschen und den Körperhabitaten einigermaßen gleichmäßig verteilt, sodass erstaunlicherweise trotz unterschiedlicher Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaften die Funktionalität bei den Menschen gleich ist.

Abgesehen von von Staphylococcus aureus und Escherichia coli und in zwei Stuhlproben von Helicobacter pylori wurden keine gefährlichen Pathogene wie Vibrio cholerae, Mycobacterium avium, Campylobacter jejuni oder Salmonella enterica aufgespürt, allerdings fand man mit einer geringen Prävalenz zwischen 0,1 und 1 Prozent 56 von 327 opportunistischen und mäßig riskanten Pathogenen der PATRIC-Liste. In den Nasen von 30 Prozent der untersuchten Personen wurde Staphylococcus aureus gefunden. Das ist auch aus anderen Untersuchungen hervorgegangen. Meist lebt es friedlich auf dem Menschen, kann aber Toxine produzieren, die für den Menschen gefährlich werden, vor allem wenn die Stämme eine Multiresistenz (MRSA) ausgebildet haben. Unklar ist, unter welchen Bedingungen sie von friedlichen Mitbewohnern zu Krankheitserregern werden.