Reiche Länder sind nicht die "glücklichsten"

Länderranking nach dem HIP von gut (grün) bis rot (schlecht). Bild: NEF

Nach dem aktuellen Happy Planet Index, der eine ökologische Alternative zum ökonomisch basierten Wohlstandsranking darstellen sollen, leben die zufriedensten Menschen in lateinamerikanischen Ländern und in Vietnam

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Die Menschen auf unserem Planeten sollen weitgehend unglücklich sein. Das ist zumindest das Ergebnis des neuesten Happy Planet Index (HPI), der passend vor dem Beginn der Rio+20-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung von der New Economics Foundation (NEF) veröffentlicht wurde. Der seit 2006 erstellte HPI soll "messen, was wichtig ist". Dabei geht es nicht darum, wie wohlhabend die Nationen sind, also etwa wie hoch das BIP pro Kopf ist, sondern wie zufrieden sie sind, welche Lebenserwartung sie haben und vor welchen "ökologischen Fußabdruck" sie produzieren, mithin um einen "nachhaltigen Wohlstand". Der Index, bei dem die Werte für Lebenserwartung und Lebenszufriedenheit durch die für den ökologischen Fußabdruck dividiert werden, soll die Staaten hervorheben, in denen die Menschen jetzt am glücklichsten und längen leben, während sie die Umwelt als Lebensbedingung für künftigen Generationen schonen.

In Verkehrung der üblichen Rankings stehen beim aktuellen HPI wie schon in den Jahren zuvor auf den ersten Plätzen keineswegs die üblichen Kandidaten, sondern ärmere Länder vor allem aus Lateinamerika. So hat Deutschland zwar eine relativ hohe Lebenserwartung und eine hohe Zufriedenheit zu bieten, aber weist einen schlechten ökologischen Fußabdruck auf, verbraucht also zu viele Ressourcen. Während Deutschland damit auf Platz 47 landet - vor Österreich (49) und Frankreich (50), aber nach Großbritannien (41) -, liegen die USA (105), Dänemark (110) oder Luxemburg (138) ziemlich am Ende. Den Schluss von 151 Ländern bilden Katar, Tschad und Botswana. Katar wegen des schlechten ökologischen Fußabdrucks, Tschad und Botswana, weil die Menschen unzufrieden sind, vor allem aber wegen der geringen Lebenserwartung. Ganz vorne liegen Länder aus Lateinamerika und der Karibik, allerdings nach Costa Rica an zweiter Stelle auch Vietnam. Kolumbien, Belize und El Salvador folgen, Jamaika, Panama, Nicaragua, Venezuela, Guatemala liegt an zehnter Stelle, viele Länder also, die nicht nur arm sind, sondern in denen auch eine hohe Gewalt herrscht. Schaut man nur auf die Lebenserwartung oder die Zufriedenheit, so ist das Bild vertraut. Dann nämlich stehen die Industrieländer wie Japan, Dänemark, Kanada, Norwegen, Schweiz, Schweden oder Holland an der Spitze. Schaut man nur auf den ökologischen Fußabdruck, so fahren die ärmsten Länder wie Afghanistan, Haiti oder Bangladesch am besten.

Bild: NEF

Ob der Index die Politiker beeindrucken wird, bleibt fraglich, auch wenn die Suche nach anderen Kriterien als rein ökonomischen wie dem BIP als Erfolgs- und Zufriedenheitsmaßstab in vielen Ländern stattfindet. Das bleibt allerdings in der Regel bei einer symbolischen Aktion stehen. Wie man bei der Krisenbewältigung sehen kann, orientieren sich Regierungen und Opposition ausschließlich auf quantitatives Wachstum, auf Rezession, BIP, Verschuldung. Lebensqualität, Lebenszufriedenheit, gar langfristige Ressourcenschonung spielen für die Krisenbewältigung keine Rolle. Dafür müsste man Wachstum als sakrale Orientierungsgröße ersetzen. Das wäre längst an der Zeit, schließlich merken auch die Menschen etwa in Deutschland, dass die europäische Wachstumslokomotive auch im eigenen Land nicht dazu führt, dass der Wohlstand für alle ansteigt. Ist Costa Rica ein Vorbild? Die Lebenserwartung ist hoch, höher als in den USA, die Lebenszufriedenheit ist ebenfalls hoch, der ökologische Fußabdruck liegt bei einem Drittel der USA, sei aber größer als die eigene Biokapazität, obgleich Costa Rica 99 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen produziert, die Entwaldung gestoppt hat und bis 2021 CO2-neutral werden will.

Aus dem HPI lässt sich wohl kaum eine realisierbare Politik ableiten, die in Demokratien zumindest bislang meist nur dann langfristige Ziele wie Umwelt- und Klimaschutz angehen kann, wenn das jeweilige Land sich in einem stabilen Aufwärtstrend befindet und die Kluft zwischen Arm und Reich sich nicht so sehr vergrößert, dass es zu Konflikten kommt. Wie können die Menschen glücklich werden und zugleich die Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhalten? Das wird zwar Thema der UN-Konferenz sein, auf der auch diskutiert werden soll, welchen Wert das natürliche Kapital besitzt. Aber ein Wald hat herkömmlich nur einen Wert, wenn Bäume geschlagen und das Holz verkauft werden kann. Welchen Wert hat ein Wald, der ungenutzt stehen bleibt. Ecuador hat hier die Gretchenfrage gestellt, bislang aber nur negative Antworten erhalten. Die Regierung bietet an, Erdölvorkommen im Nationalparks Yasuní nicht auszubeuten, wenn von der Weltgemeinschaft für die entgangenen Gewinne eine teilweise Entschädigung geleistet wird, um den Regenwald zu erhalten. Besonders hervorgetan hat sich die deutsche Regierung. Für eine Unterlassung will das von Niebel (FDP) geleitete Ministerium nicht zahlen.