Vattenfall-Prokurist soll Doktortitel behalten

Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff vermutet hinter nicht veröffentlichten Entscheidungserwägungen der BTU Cottbus auch die Macht des Energiekonzerns

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Eines der definitiv lesenswertesten Blogs aus Deutschland heißt Copy, Shake, and Paste. Es stammt von der Berliner Medieninformatikprofessorin Debora Weber-Wulff, die sich seit über zehn Jahren intensiv mit Plagiarismus auseinandersetzt. In einem aktuell von ihr aufgegriffenen Fall geht es nicht nur um Verfehlungen oder Täuschungen einer einzelnen Person, sondern um Merkwürdigkeiten, die das ganze deutsche Bildungs- und Wirtschaftssystem betreffen.

Stein des Anstoßes ist der Prokurist der Vattenfall Europe Mining AG, Prof. Dr. Detlev Dähnert. Der reichte 1999 an der Fakultät für Umweltwissenschaften und Verfahrenstechnik der BTU Cottbus eine Dissertation mit dem Titel "Bewältigung technischer und sozialer Probleme bei der Konzeption von Umsiedlungen" ein, bei der es um die Verlegung von Dörfern beim Braunkohletagebau geht. Dähnert bekam dafür nicht nur einen Doktortitel, sondern wurde 2005 von der Hochschule Lausitz zum Honorarprofessor für "Rekultivierung, Umsiedlungen und Stadtumbau" bestellt. Dort durfte er Lehrveranstaltungen abhalten und wurde in die Berufungskommission im Fachbereich Informatik/ Elektrotechnik/ Maschinenbau berufen.

Grafische Darstellung der Plagiatsverdachstsstellen in Dähnerts Dissertation auf VroniPlag

Im Sommer letzten Jahres tauchten erste Vorwürfe auf, dass der Honorarprofessor in seiner Doktorarbeit nicht unwesentliche Teile ungekennzeichnet abgeschrieben habe. Das Plagiatsjägerportal VroniPlag verfolge einen dort geposteten Link allerdings vorerst nicht weiter. Erst als im September die Umweltgruppe Cottbus detailliertere Vorwürfe vorbrachte, nahm man sich auf dem Portal die Doktorarbeit genauer vor und entdeckte Plagiarismusverdachtsstellen in großem Maßstab.

Bis zum November hatte man auf 44 Prozent der Seiten nicht ausreichend gekennzeichnete fremde Inhalte gefunden - auf vielen davon scheint sogar über die Hälfte des Texts mehr oder weniger abgeschrieben. Besonders eindrucksvolle Beispiele finden sich Weber-Wulffs Ansicht nach auf den Seiten 28 (wo etwas Text in der Mitte der Seite geändert wurde), 35 (wo man lediglich konkrete Verweise auf das Dorf Horno tilgte), 48 (wo die eigene Leistung offenbar im Einfügen von Kommata besteht) und 104 (hier wurde eine Zahl ausgeschrieben).

Eigentlich ein klarer Fall für den Entzug des Doktortitels - sollte man meinen. Doch die BTU Cottbus weigert sich seltsamerweise trotz des Vorliegens solch eindrucksvoller Stellen, Dähnert den Doktortitel abzuerkennen und meint dazu in einer Presseerklärung, die Überprüfungskommission der Universität und ein Gutachter der DFG seien "zum Schluss kommen, dass es sich bei den festgestellten Problemstellen in der Arbeit um handwerkliche Schwächen aber nicht um Plagiate handelt."

Die Lausitzer Rundschau (die sich von der Bundesregierung gerade ein "Leistungschutzrecht" schenken ließ, das verhindert, den haarsträubenden Unsinn, den sie schreibt, mit eindrucksvollen Zitaten zu belegen) findet diese Entscheidung nicht nur völlig in Ordnung, sondern empört sich in einem Editorial auch noch über Weber-Wulffs Forderung, die genauen Gründe für die Entscheidung der Überprüfungskommission zu veröffentlichen (was die BTU Cottbus bislang ablehnt).

Die Professorin wundert sich deshalb nicht nur darüber, wie sie ihren Studenten zukünftig erklären soll, dass sie selbst durchfallen, wenn sie nur einen Teil dessen versuchen, womit Dähnert durchkam, sondern auch, welchen Einfluss wohl der Anteil von Vattenfall bei der Finanzierung ostdeutscher Hochschulen bei der Annahme von Dähnerts Doktorarbeit und der aktuellen Entscheidung spielte. Und, welchen Einfluss Vattenfall-Werbung wohl auf Regionalzeitungen hat.

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