Herz der Finsternis

Wenn die Bundesregierung den Salafismus an der Quelle bekämpfen wollte, müsste sie bei den Beziehungen zu Saudi-Arabien anfangen

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In der letzten Woche veranstalteten die deutschen Behörden bundesweit Razzien gegen Salafisten. Angehörigen dieser neoprimitiven Sekte, die das 7. Jahrhundert idealisiert, hatten vorher unter anderem zur Tötung kritischer Journalisten aufgerufen und Polizisten mit Messern schwer verletzt. Daneben wollen die Innenminister des Bundes und der Länder zukünftig verstärkt mit Vereinsverboten gegen salafistische Netzwerke vorgehen. Betrachtet man die Außenpolitik der Bundesregierung, dann wirkt dieses Verhalten allerdings widersprüchlich.

Denn fest gleichzeitig mit den Razzien gegen Salafisten wurde bekannt, dass an Saudi-Arabien möglicherweise nicht nur 300, sondern 600 bis 800 deutsche Panzer geliefert werden. Und in diesem Feudalstaat ist der Wahabismus Staatsreligion - eine spezielle Ausprägung des Salafismus. Dem beim baden-württembergischen Verfassungsschutz beschäftigten Islamwissenschaftler Benno Köpfer zufolge gab der Staat Saudi-Arabien in der Vergangenheit "sehr viel Geld aus", um in Deutschland Salafisten zu fördern. Dieses Geld war seiner Einschätzung nach "wesentlich" für das Wachstum der Bewegung.

Mittlerweile gibt es jedoch auch Salafisten, denen das saudische Königshaus nicht salafistisch genug ist. Sie schmähen zwar die Mächtigen im Ölstaat als "Tawaghit", als "Götzen" – aber nicht deren Geld. Die bekanntesten Beispiele dafür sind Osama bin Ladens al-Qaida-Terroristen, die ihren Weg als "Glaubenskämpfer" in Afghanistan begannen. Die Afghanistan-"Hilfskommittees" die bin Laden leitete, waren von Saudi-Arabien ins Leben gerufen. Die Spenden, die er sammelte, kamen ebenfalls vorwiegend aus dem Gottesstaat. Und in den Medien seiner Heimat wurde der Glaubenskrieger damals offen als Held gefeiert.

Erst 1990 überwarf sich bin Laden mit dem damaligen saudischen Auslandsgeheimdienstchef Prinz Turki bin Faisal al Saud, weil dieser seinen Plan, einen Bürgerkrieg im Südjemen anzuzetteln, als unnötig und zu verrückt verwarf. Nachdem sich bin Laden nicht an Prinz Turkis Weisung hielt, zog man lediglich seinen Reisepass ein. Zum endgültigen Bruch kam es erst, als die saudische Führung im Zweiten Golfkrieg US-Truppen ins Land ließ.

Trotzdem destabilisiert auch heute noch Saudi-Geld Afrika, Russland, Südostasien, den Westen Chinas und den Nahen Osten. In Syrien hat sich der dort im letzten Jahr ausgebrochene Aufstand teilweise zu einer Art Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran entwickelt, in dem von den Saudis finanziell unterstützte Salafistenfanatiker im Verdacht stehen, Alawiten und andere schiitische "Häretiker" massenhaft zu massakrieren.

Auch Nigerias Boko-Haram-Terroristen übernahmen einen großen Teil ihrer Ideologie von reichen Saudis, die im Norden des Landes jahrzehntelang mit viel Geld missionieren ließen. Inzwischen zerstört die Sekte regelmäßig Kirchen und tötet dabei fast jedes Mal zahlreiche Menschen. Den Niger stromaufwärts, in Mali, trieben radikale Salafisten, die im April im Norden des Landes zusammen mit Tuareg-Separatisten die Macht übernahmen, derweilen über 300.000 Menschen in die Flucht, die der Einführung der Scharia und der Umwandlung von Schulen in Medressen zu entkommen versuchen.

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