Arbeitsarmut wächst, die Einkommen der Topmanager auch

In Großbritannien leben nach einer Studie sieben Millionen Menschen mit Job unter einem "extremen finanziellen Stress", vom Arbeitslohn leben zu können, wird für viele immer schwieriger

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In Großbritannien gibt es kein Hartz-IV, aber natürlich gleichen sich die Argumente, wenn es um die Arbeitslosen geht. Sie sollen sich bemühen, einen Job zu ergattern, dann ist alles gut. Zumal Arbeit, unabhängig von allen Bedingungen, immer besser sei, als nicht zu arbeiten, und Leistung auch immer belohnt wird.

Diese gerne von Konservativen und Liberalen gestrickte Ideologie, die nebenbei auf Flexibilisierung der Arbeitswelt setzt, hat zunehmend Schwierigkeiten, sich angesichts des wachsenden Heers der "Working Poor" behaupten zu können. Das Heer derjenigen wächst nämlich, die zwar Arbeit haben, aber dadurch nicht genügend verdienen, um leben zu können. Dazu kommen die vielen atypischen und schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnisse von Teilzeit, Leiharbeit und Minijobs. Und wenn diese Situation nicht nur vorübergehend gegeben ist, sondern länger anhält, dann verfällt auch beim Gutgläubigsten einmal das Vertrauen auf das systemerhaltende Versprechen, dass Billigarbeit doch der goldene Weg zu einem besser bezahlten Job sei.

In Großbritannien leben fast sieben Millionen Erwachsene im Arbeitsalter nach einem vom britischen Guardian in Auftrag gegebenen Bereich unter "extremen finanziellen Stress", obgleich sie Arbeit haben und weitgehend keine staatlichen Unterstützungen erhalten. Diese 3,6 Millionen Haushalte von insgesamt eines Teils der Mittelschicht, für die sich "Arbeit nicht lohnt", haben zudem weder Ersparnisse noch Immobilienbesitz und kommen bestenfalls gerade so eben über die Runde. Bruno Rost, der Studienleiter, erklärte, es handele sich hier um die "neue Arbeiterklasse - abgesehen davon, dass sich die Arbeit, die sie leisten, nicht mehr auszahlt. Diese Menschen sagen, dass es für sie die schlimmste Art des Selbstscheiterns oder der sozialen Schmach sei, wenn sie gezwungen wären, staatliche Unterstützung zu beantragen oder in eine Sozialwohnung umzuziehen".

In den durch Armut gefährdeten Haushalten gehören, in denen ein Erwachsene oder beide Eltern ein niedriges bis mittleres Einkommen beziehen, leben 2,2 Millionen Kinder. Als armutsgefährdet trotz Arbeit gelten Haushalte mit zwei Eltern und zwei Kinder mit einem Jahreseinkommen zwischen 17.000 und 41.000 Pfund (21.000-50.000 Euro) oder Paare ohne Kinder mit einem Einkommen zwischen 12.000 und 29.000 Pfund. Als besonders gefährdet gelten selbstbeschäftigte Händler in kleinen Gemeinden, ethnisch gemischte Gemeinschaften und Singles, die im Zentrum kleiner Städte leben oder junge Besitzer und private Mieter von Häusern in innerstädtischen Reihensiedlungen.

Die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft sich in der Krise

Während bei den einen das Geld knapp wird, wächst es bei den anderen dank der neoliberalen Steuererleichterungen für die Vermögenden weiter an, was letztlich zur Schuldenkrise geführt oder diese zumindest verstärkt hat. Die britischen Topmanager konnten letztes Jahr durchschnittlich ihre Einkommen um 10 Prozent erhöhen. Von der Krise spüren die Manager, die median 200 Mal mehr als der durchschnittliche Angestellte verdient, damit wohl kaum etwas. Das belegt auch, wer die Kosten der Krise ausbaden muss. Ähnlich ist die Entwicklung in anderen Staaten, beispielsweise den USA. Auch dort wächst das Einkommen der Manager weiter. Der Median des Jahreseinkommens der 200 höchsten Topmanager liegt bei 14,5 Millionen Euro, letztes Jahr stieg es um 5 Prozent.

Zwar verdienen die Vorstandschefs deutscher Dax-Unternehmen mit 5 Millionen Euro durchschnittlich weniger, aber 2011 stiegen die Einkommen deutlich und vergrößerte sich der Abstand zum Durchschnittsverdienst eines vollzeitig beschäftigten Arbeitnehmers weiter. Auch die Ausgaben für die Altersversorgung der Vorstandsmitglieder der Dax-30-Unternehmen gingen deutlich nach oben. Immerhin geben diese durchschnittlich sieben Millionen Euro an die früheren Mitglieder seines Vorstands gezahlt, für die noch aktiven werden durchschnittlich 2,4 Millionen in Rückstellungen gezahlt: "Die gesamten Rückstellungen für die Altersversorgung der DAX-Vorstände summierten sich auf knapp drei Milliarden Euro."

Auf der anderen Seite gab es zwar zuletzt Lohnerhöhungen, aber es wächst die Zahl der atypisch und damit meist gering bezahlten Beschäftigten und die der Minijobber. In Deutschland waren 2009 7,1 Prozent der Erwerbstätigen von Arbeitsarmut (Working Poor) betroffen, seit 2004, also seit der Einführung von Hartz-IV, ist die Zahl um 2,2 Prozent angestiegen. Der kürzlich veröffentlichte Monitor Jugendarmut 2012 macht deutlich, dass junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren am stärksten von Armut betroffen sind. Jeder Fünfte von ihnen ist trotz staatlicher Hilfen arm. Das sind 2,6 Millionen.