Juristisches Lehrbuch wegen Plagiatsverdachts zurückgezogen

Das vom Nomos-Verlag veröffentlichte Werk enthielt nicht nur Warnungen vor dem Zitieren aus Wikipedia, sondern auch zahlreiche wörtliche Übernahmen aus der Online-Enzyklopädie

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Im Februar 2011 äußerte Günter Krings, ein den Forderungen der Rechteinhaberindustrie sehr offen gegenüberstehender CDU-Politiker, die Meinung, die Plagiatsvorwürfe gegen den damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor Guttenberg seien "lächerlich" und Teil einer "Schmutzkampagne". Denn Guttenbergs Doktorarbeit, so der selbst in Köln promovierte Jurist, sei "in einem höchst renommierten Wissenschaftsverlag erschienen, der für seine strengen Maßstäbe bekannt ist". Die weiteren Enthüllungen zu Guttenbergs Doktorarbeit zeigten dann, dass die Arbeit von Verlagen möglicherweise nicht immer so abläuft, wie man sie darstellt, wenn man neue Monopolrechte gewährt haben will.

Einen weiteren Beleg dafür lieferte letzte Woche der Nomos/UTB-Verlag, der das Lehrbuch Juristische Arbeitstechniken und Methoden - Wissenschaftliches Arbeiten für Juristen in Zeiten des Internets wegen Plagiatsverdachts aus dem Handel nehmen musste. Bei VroniPlag hatte man nämlich entdeckt, dass große Teile davon wörtlich aus Wikipedia-Einträgen übernommen wurden.

Dies ist - wie man auf dem Crowd-Korrektoren-Portal hervorhebt - nicht nur deshalb bemerkenswert, weil gerade Juristen um die Plagiatsproblematik wissen sollten, sondern auch wegen des Inhalts, in dem sich Sätze wie die folgenden finden:

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Auch wenn viele Artikel der Wikipedia eine hohe Qualität aufweisen, dürfen Sie Wikipedia in wissenschaftlichen Arbeiten [...] nicht als zitierfähige Quelle ansehen. Wikipedia selbst rät dementsprechend auch vom Zitieren von den eigenen Wikipedia-Artikeln in wissenschaftlichen Arbeiten ab, da keine Garantie für den Inhalt gegeben werden könne.[FN 33: Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Zitieren_von_Internetquellen] (Stand: 25.04.2012)" Vgl. dazu wiederum: Wikipedia Auslegung (Recht) 2010 und Wikipedia Internet 2011.

Und:

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Des Weiteren gibt es eine immer wieder geführte Diskussion über die inhaltliche Verschlechterung von Arbeiten: Das Arbeiten mit Textbausteinen, Zitatensammlungen und Referenzen kann das Schreiben inhaltlich-operativ reduzieren. Schreiben kann sich dann auf das Zusammenstellen, im besten Falle "Komponieren", von Texten aus gespeicherten Textstücken beschränken.[FN 8: Riehm/Böhle/Gabel-Becker/Wingert, Elektronisches Publizieren, S. 26.] Pessimisten sehen hierin die Gefahr, dass partikulare Wissensbrocken in arbiträren Strukturen zusammengefügt werden.

Die Plagiatsforscherin Debora Weber-Wulff fragte sich angesichts solch "wirklich bizarrer" Stellen, ob es sich vielleicht um eine sehr aufwendige Satire handeln könnte und ob man beim Nomos-Verlag noch Lektoren beschäftigt. Am wahrscheinlichsten dürfte ihre Erklärung sein, dass Teile des Lehrbuchs in Wirklichkeit von Studenten stammen könnten und von deren Betreuern nur an einigen entscheidenden Stellen geändert wurden - zum Beispiel dort, wo der Name des Verfassers steht. Darauf deuten auch die zahlreichen handwerklichen Fehler beim Zitieren hin, die sich sogar in der Schilderung des Falles Guttenberg finden.

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