Foodsharing-App

Valentin Thurn will mit einer Datenbank dafür sorgen, dass Lebensmittel nicht weggeworfen, sondern gegessen werden

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2010 drehte Valentin Thurn die Dokumentation Taste The Waste, in der er beklagt, dass Lebensmittel weggeworfen werden, die noch essbar sind. Die Abscheu davor, die sich in Deutschland unter anderem durch die Hungerjahre 1945 bis 1948 kulturell tief eingeprägt hat, bewegt den Filmemacher noch immer. Nun will er mit einem gemeinnützigen Verein und einer Foodsharing-App für iOS und Android dazu beitragen, dass weniger Nahrung im Abfall landet.

Thurns Vorstellung nach sollen damit Haushalte, die (beispielsweise vor der Fahrt in den Urlaub) entdecken, dass sie Lebensmittel nicht mehr verzehren können, bevor sie schlecht werden, diese über die App oder ein Web-Interface für eine Datenbank zur kostenlosen Abholung anbieten. Alternativ dazu stellt er sich einen gemeinsamen Verzehr unter gleichgesinnten Lebensmittelrettern vor, weil er glaubt, dass es ein Bedürfnis gibt, über das Teilen Menschen kennenzulernen. Zur Entwicklung der Software (von der noch nicht klar ist, ob sie unter Open-Source-Lizenzen veröffentlicht wird) hat der Filmemacher auf der Crowdfundig-Plattform Startnext über 10.000 Euro gesammelt. Außerdem plant er, beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) und bei Landesministerien Subventionen zu beantragen.



Damit Nutzer nicht für ein paar Tomaten mit dem Auto durch die halbe Stadt gondeln, sondern Angebote in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft finden, müsste das Angebot von möglichst vielen Bundesbürgern genutzt werden. Thurn zeigt sich hier optimistisch und hält ein bis drei Prozent der Bevölkerung für erreichbar. Eine größere Zahl potenzieller Anbieter könnte angesprochen werden, wenn sich Essensangebote mit einem Kaufpreis versehen ließen. Doch auf diese Option will man bewusst verzichten, um keinen Anreiz für Missbrauch zu bieten. Möglich ist allerdings der Tausch vorn Arbeit gegen Essen, wenn beispielsweise ein älterer Gartenbesitzer sein Obst nicht mehr selbst pflücken kann und bereit ist, die Ernte gegen Hilfeleistungen zu teilen.

Einer Studie der Universität Stuttgart nach werden in Deutschland pro Kopf und Jahr durchschnittlich 81,6 Kilogramm Nahrungsmittel weggeworfen, von denen etwa zwei Drittel noch essbar wären. Trotzdem ist weggeworfenes Essen kein ganz neues Phänomen: Bis zur Ära der großen Erfindungen im 19. und 20. Jahrhundert verdarb ein großer Teil der produzierten Lebensmittel oder wurde von Ungeziefer gefressen. Erst Kühlung, Bestrahlung, chemische Behandlung, Zucht und luftdichte Verpackung sorgten dafür, dass viele Lebensmittel heute lange haltbar sind und nicht mehr in großem Maßstab im Schweine- oder Hühnerstall recycelt werden müssen.

Die bessere Haltbarkeit trug maßgeblich dazu bei, dass Nahrung heute verhältnismäßig billiger und leichter verfügbar ist als früher. Es ist deshalb durchaus rational, wegen Speisen, die seltsam aussehen oder riechen, keine Lebensmittelvergiftung zu riskieren. Allerdings gibt es viele jüngere Menschen, die solche Vorsicht auch bei eher weniger gefährlichen Lebensmitteln und bereits nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums walten lassen, was andere als unnötige Verschwendung kritisieren. Dass heute mehr Lebensmittel weggeworfen werden als in den 1970er Jahren, hängt aber auch am Bio-Boom der letzten Jahrzehnte. Denn frisches und unbehandeltes Obst und Gemüse lässt sich deutlich weniger gut lagern als industriell konservierte und speziell auf Festigkeit und Resistenz gezüchtete Produkte.

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