Fehlende Vorratsdatenspeicherung hat weder Internetkriminalität noch Aufklärung beeinflusst

Grafik: Polizeiliche Kriminalstatistik 2011

Gegner der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung werten die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2011 in ihrem Sinne aus

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Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundesinnenministeriums für 2011 dürfte den Befürwortern der Vorratsdatenspeicherung keine große Freude bereiten, dafür aber sorgt sie bei den Gegnern für Munition. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat die Statistik jedenfalls schon einmal ausgewertet und sieht die Argumente der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, die einen Anstieg der Internetkriminalität und ein Sinken der Aufklärungsrate prophezeien, entkräftet.

Im März 2010 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht das deutsche Gesetz zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt, die Daten wurden also vom 1. Januar 2009 bis Anfang März gespeichert. Seitdem sollten sich eigentlich, falls die Befürworter recht haben, Aufklärungsquoten verschlechtert und Internetstraftaten vermehrt haben. Inwieweit die Aufklärungsquote für die organisierte Kriminalität oder Terrorismus gesunken ist, was die Befürworter vor allem als Bedrohung an die Wand malen, lässt sich den Zahlen nicht entnehmen.

Insgesamt ist 2011 mit 5.990.679 die Zahl polizeilich registrierter Straftaten um ein Prozent angestiegen, die Gesamtaufklärungsrate lag bei 54,7 Prozent, etwas niedriger als 2010 mit 56 Prozent. 1993 allerdings lag sie allerdings nur bei 43,8 Prozent. 40 Prozent der 2011 begangenen Straftaten waren Diebstahlsdelikte, Tendenz ansteigend. 96,3 Prozent aller Straftaten wurden mithin nicht mit dem Internet als Mittel begangen. Inwieweit das Internet als Mittel zur Planung, zur Verabredung und überhaupt zur Kommunikation im Rahmen von Straftaten verwendet wird und dies erleichtert, lässt sich auch den Zahlen natürlich nicht ableiten.

Von dem verbleibenden Anteil von 3,7 Prozent an Onlinedelikten waren 2,8 Prozent Internetbetrug und 0,1 Pornografie. Insgesamt gingen die Straftaten, die unter Nutzung des Internets begangen wurden, gegenüber 2010 um 9,9 Prozent zurück. In den Jahren 2009 und 2010 war die Zahl der Straftaten leicht gestiegen. Einen Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung ist, wie der AK sagt, weder positiv noch negativ zu erkennen. Auch die Verbreitung pornografischer Schriften über das Internet ist um 2,1 Prozent auf 2,3 Prozent aller mit Tatmittel Internet begangenen Fälle zurückgegangen. Gestiegen um 5,5 Prozent sind die Zahlen hingegen "beim Ausspähen, Abfangen von Daten einschließlich Vorbereitungshandlungen".

Grafik: Polizeiliche Kriminalstatistik 2011

Die Aufklärungsquote liegt mit 65 Prozent noch deutlich über der allgemeinen. Allerdings sinkt sie kontinuierlich seit 2006 und nähert sich so vermutlich der allgemeinen Aufklärungsquote an. Auch hier lässt kein Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung erkennen. Bei der Internetpornografie verbesserte sich 2011 ohne Vorratsdatenspeicherung sogar die Aufklärungsquote von 79 Prozent im Vorjahr leicht auf 80,9% erzielt. Allerdings war die Vorratsdatenspeicherung 2010 gerade einmal zwei Monate in Kraft. Auch mit dem Internet verbunden ist ein Rückgang der Straftaten im Zusammenhang mit Urheberrechtsbestimmungen um 16,2 Prozent. "Ursächlich dürfte - wie in den Vorjahren - ein geändertes Anzeigeverhalten der Musikindustrie sein", heiß es in der Polizeistatistik.

"Das Internet ist auch ohne Vorratsdatenspeicherung weit sicherer als die Straße", so Ute Elisabeth Gabelmann vom Arbeitskreis. "Die 2008-2010 praktizierte verdachtslose Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten hat in Deutschland keine erkennbare Auswirkung auf die Entwicklung von Aufklärungsquote und Anzahl registrierter Straftaten gehabt - sie ist sowohl überflüssig als auch schädlich. Nicht alltägliche Kleinkriminalität wie eBay-Betrügereien macht das Internet unbrauchbar, sondern eine Rückverfolgbarkeit jedes Klicks durch IP-Vorratsdatenspeicherung würde das Netz unbrauchbar machen für viele politische Aktivitäten, für Whistleblower, für Presseinformanten und für Menschen in Not, die sich nur im Schutz der Anonymität überhaupt für Beratung und Hilfe erreichen lassen."