Die wollen doch nur spielen

Nachrichten aus den digitalen Jauchegruben des Patriarchats

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Die amerikanische Medienkritikerin und Videobloggerin Anita Sarkeesian wollte sich auf Kickstarter ein paar Videofilme zu den sexistischen Stereotypen in Computerspielen finanzieren lassen. Und dann erlebte sie ihr blaues Wunder.

Denn kaum, dass Sie ihr Vorhaben auf Kickstarter und Youtube bekannt gemacht hatte, brach ein Shitstorm der ganz besonderen Sorte los. Die Autorin glaubte zunächst, es handele sich nur um eine der üblichen Trollveranstaltungen, bei denen ein paar einsame Herzen und Hodensäcke ihren Hass in das Internet husten. Aber es blieb nicht bei den üblichen grenzdebilen Äußerungen von einigen Wenigen.

Nicht nur versuchte man sie ,verbal permanent auf eine Rolle als Heimchen am Herd zurückzustutzen - es ist tatsächlich auffällig, wie häufig in den Äußerungen dieser speziellen geistig Armen die Forderung auftaucht, die Journalistin möge sich in die Küche begeben und dort bleiben. Ihre Wikipedia-Seite wurde vandalisiert, Todesdrohungen waren noch üblicher als sonst in den dunkelsten geistigen Verliesen des Netzes, sexuell und rassistisch gefärbte Beleidigungen und Drohungen waren ohne Zahl. Dazu das Gerede von "Feminazis" und ähnlicher Unfug.

Wenn man sich die betreffenden Wortmeldungen so anschaut, muss man sich immer wieder vor Augen halten, worum es eigentlich ging. Anita Sarkeesian hatte ihre Absicht bekundet, dokumentarische Videos über frauenfeindliche Stereotypen in Computerspielen zu machen, und zur Finanzierung des Unternehmens hatte sie Geld über Kickstarter eingeworben. Aus diesem Grund fiel die Idioteninternationale wie ein Rudel tollwütiger Hunde über sie her und wünschte ihr Tod und Verderben. Ein besonders intelligenter Vertreter der Idioteninternationale programmierte ein Spiel, bei dem man Anita Sarkeesian virtuell verprügeln konnte (das Spiel ist seitdem auf der betreffenden Seite deaktiviert worden).

Wer im Internet unterwegs ist, wird früher oder später mit den radikalen Ausbrüchen patriarchaler Idiotie konfrontiert. Aber die Intensität des Hasses erstaunt dann doch. Woher kommt er? Offensichtlich regenerieren sich frauenfeindliche Denkmuster auch in Zeiten des Internets in jeder Männergeneration neu. Und unter den Bedingungen des Internets toben sie sich offensichtlich besonders lautstark aus.

Trolle: Deutlich gemacht, wie wichtig feministische Interventionen weiterhin sind

Zusätzlich hat Sarkeesian es gewagt, die Schattenseite einer Männerdomäne zu diskutieren: Computerspiele werden immer noch überwiegend von Männern gespielt, und zwar häufig genug von Männern, die zwar mit moderner Technologie umgehen, von der psychischen und mentalen Entwicklung aber in der Steinzeit hängen geblieben sind. Darüber hinaus mag es die Wut der steinzeitlichen Computerfans gereizt haben, dass sich die Autorin ausgerechnet auf Kickstarter ein Forum und eine Finanzierungsbasis für ihre Idee suchte.

Wird doch Kickstarter ansonsten als Tummelplatz der überwiegend männlichen Bastler, Geeks und Nerds wahrgenommen, als virtuelle Werkstatt für all die groß gewordenen kleinen Erfinder, die mit ihren manchmal albernen, manchmal wunderbaren Projekten die Macht des Crowdfunding nutzen wollen. Dass eine Frau gerade dort Geld für die Recherche über die Abgründe einer Männerdomäne auftreiben wollte, war offenbar zu viel.

Die Ironie an all dem ist natürlich eine zweifache. Erstens macht gerade das Gebrüll der patriarchalen Hohlköpfe deutlich, wie wichtig feministische Interventionen weiterhin sind. Wer glaubte, dass das Thema eigentlich erledigt sei, sieht sich angesichts einer höchst lebendigen und aktiven Gemeinschaft von digitalen Höhlentrollen eines Besseren belehrt.

Zweitens hat gerade die Aufmerksamkeit für das Cybermobbing, dem Anita Sarkeesian ausgesetzt war, dazu geführt, dass ihr Projekt innerhalb eines Tages finanziert war, und in einem Monat das Sechsundzwanzigfache der ursprünglich anvisierten Summe (6000 Dollar) einspielte. "So kann's gehen, ihr Deppen!", könnte Sarkeesian ihren hasserfüllten Gegnern zurufen. Leider ist die Welt so beschaffen, dass das nur ein kurzer Moment des Triumphs in einem Kampf wäre, der, aus historischer Sicht, gerade erst begonnen hat.