Energiesparende Gebäude jetzt ganz easy!?

Das wegweisende erste Passivhaus Deutschlands in Darmstadt. Errichtet vom Institut Wohnen und Umwelt. Der Heizenergieverbrauch der vier Reihenhauseinheiten liegt bei 10 kWh/m²a und damit etwa 7x niedriger als ein Neubau nach der aktuellen Energieeinsparverordnung. Bemerkenswert dabei: Das Passivhaus ist 21 Jahre alt, europaweit soll dieser Baustandard erst ab 2021 für Neubauten verbindlich werden. Bild: Passivhaus Institut. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Bei der letzten Energieeinsparverordnung geriet die Energiesparbürokratie ins Straucheln, bei der neuen 2012er-Regelungen soll es jetzt klappen mit dem Energiesparen und der Akzeptanz dafür

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Seit drei Jahren wird die verschärfte Energieeinsparverordnung für Gebäude, die "EnEV 2012", angekündigt. Mittlerweile ist das Jahr schon halb rum, doch die Interessenvertreter aus Politik, Bau- und Immobilienwirtschaft und Sozialverbänden können sich noch immer nicht einigen. Zu sehr ist der Entwurf des Gesetzes besetzt mit Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen. Dabei soll er eigentlich nur dafür sorgen, dass Gebäude effizienter mit Energie umgehen und nicht, so wie bisher, 40% des gesamten Energieverbrauchs im Land nur für Heizwärme vergeudet werden.

Die Eckpunkte liegen nun auf dem Tisch: Der Entwurf der beiden federführenden Ministerien, Bundesbauministerium und Bundeswirtschaftsministerium, sieht vor, dass der zulässige Jahres-Primärenergiebedarf bei neuen Wohngebäuden um durchschnittlich weitere 7,5% gedrückt werden soll, für Nichtwohngebäude wird eine Verschärfung von im Schnitt 10% angepeilt. Für den Bestand soll es keine wesentlich höheren Anforderungen geben, einige Befreiungen sollen aber angezogen werden.

Zu viel Bürokratie - beim ersten Anlauf ging viel schief

Damit es diesmal klappt, sollen Fehler des Verfahrens und der noch geltenden EnEV 2009 korrigiert werden. Die Bauphysiker und Verbandsbürokraten hatten sich damals unter dem Motto "Viel hilft viel" in Berechnungsformeln und -wege verstrickt, die auch für Fachleute nicht mehr nachzuvollziehen waren. Denn zugrundegelegt werden sollte die neue Norm DIN V 18599, ein Konvolut aus elf Teilen auf über 1.000 Seiten für die Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs in Gebäuden für die Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasserbereitung.

Eigentlich war die Idee gut, alles zusammenzufassen und Gebäude von nun an als Ganzes zu betrachten. Doch in der Praxis erwies sich nicht nur die Berechnung per Hand als unmöglich, Berechnungswege entpuppten sich auch für Experten als nicht mehr durchschaubar. Dann setzte man seine Hoffnung auf die Berechnung per Software, um die Regelungen noch anwendbar zu machen. Doch dann der Eklat:

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung unterzog in einem extra aufgelegten Forschungsvorhaben die am Markt verfügbaren Energieausweis-Softwareprodukte einer Qualitätsprüfung mit dem Ergebnis, dass auch sie keine verlässlichen Ergebnisse liefern. Daraufhin zog die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), als größter Kreditgeber für energieeffizientes Bauen, die Notbremse und erkannte keine Nachweise mehr an, die mit der DIN V 18599 berechnet worden waren. Denn die Berechnungsergebnisse wichen in Abhängigkeit von der verwendeten Software "ungewöhnlich stark voneinander ab". Die Nachvollziehbarkeit der Fördermittelvergabe war nicht mehr gegeben (Beliebig weil zu komplex - KFW zieht Notbremse).

Und dann fiel auch noch der Energieausweis für Gebäude durch. Fünf Jahre nach der Einführung des "Gebäudeenergieausweises" veröffentlichte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Metaanalyse. Untersucht wurden ausgestellte Energieausweise der letzten Jahre auf ihre Richtigkeit. Das Ergebnis: Die Adressaten, also Eigentümer, und Mieter finden den Energieausweis im Prinzip gut und wichtig, nur die Angaben in den Ausweisen sind oft falsch (5 Jahre Energieausweis).

Zuletzt revidierte auch noch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) die Dämmpflichten der Energiesparverordnung und erklärte stattdessen ganz einfach einen Mindestwärmeschutz pro Bauteil für ausreichend. Das Resümee dieser Chronik: Die Umsetzung der Energiesparregelungen in die Praxis war oft nicht möglich, das soll mit der EnEV 2012 jetzt korrigiert werden.

Jetzt neu: anwendbar und nachvollziehbar

Energiesparen in Gebäuden beruht im Prinzip auf den ganz einfachen Prinzipen Wärmeverluste vermeiden und Effizienz der Wärmebereitstellung. Doch damit die Energiesparziele auch ankommen, müssen sie anwendbar und für alle Beteiligten nachvollziehbar sein. In der neuen Energiesparverordnung soll es deshalb das "EnEV easy"-Berechnungsverfahren geben - die Verantwortlichen haben, so scheint es, dazugelernt.

Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik hat im Auftrag des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg eine Methode entwickelt, die den Nachweis der Einhaltung der energetischen Anforderungen drastisch vereinfacht. Diese vereinfachte Nachweismethode "EnEV easy" soll in die 2012 Novelle EnEV einfließen.

Die Grundlage für die Untersuchungen bildet ein Datenpool aus typischen Wohngebäuden, die nach Einfamilien-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern differenziert sind. Den Gebäudegruppen wurden zehn marktgängige Anlagensysteme zugeordnet. Die beispielhaften Anlagentechniken umfassen den Einsatz von Brennwertkesseln mit Solarkollektoren, Biomassekesseln, die verschiedenen Arten von Luft-, Wasser- und Sole-Wärmepumpen, Nah- und Fernwärme sowie in Ergänzung dazu eine kontrollierte Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung.

Diese Anlagentechniken wurden zusammen mit Mindest-Wärmedurchlasskoeffizienten (U-Werte) von Dächern, Wänden, Kellerdecken, Fenstern und Türen für Einfamilienhäuser, Doppelhaushälften, Reihenmittelhäuser und Mehrfamilienhäuser in einer Tabelle aufgelistet. Werden diese beim Bauantrag nachgewiesen, gelten die Forderungen der EnEV und des EEWärmeG als erfüllt und es sind keine weiteren Berechnungen erforderlich.

Seit der ersten Energiespar-Regelung durch die Wärmeschutzverordnung (WSchVO 1977) bis hin zur aktuellen EnEV hat die sich in Sachen Effizienz einiges getan. Neubauten verbrauchen heute dreimal weniger Energie als noch vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1982. Bild: M. Brake

Weiter steigende Anforderungen - Ziel ist das "klimaneutrale" Gebäude

Die neue EnEV 2012 soll auch schon zur EU-Gebäuderichtlinie 2010/31/EU überleiten. Diese fordert, dass ab 2021 alle neuen Gebäude Niedrigstenergiegebäude sind, dass ab dann also ein dem Passivhaus vergleichbarer Primärenergieverbrauch erreicht werden muss. Schrittweise werden jetzt also die Anforderungen erhöht, allerdings unter dem Gebot, dass sie wirtschaftlich vertretbar sein müssen:

  • Es wird aufgrund der Erfahrungen eine Verpflichtung der Bundesländer eingeführt, die Gebäude-Energieausweise stichprobenartig zu prüfen, um die Qualität und Akzeptanz zu sichern.
  • Die Energiekennwerten eines Gebäudes müssen ab 2013 in kommerziellen Verkaufs- und Vermietungsanzeigen angegeben werden.
  • alle Gebäude mit Publikumsverkehr müssen den Energieausweis aushängen.
  • Die Anforderung an das Referenzgebäude des EnEV Rechenverfahrens, an dem sich Gebäude messen müssen, wird minimal verschärft, so soll 3-fach-Verglasung zum Maßstab werden.
  • Die Anlagentechnik soll nicht wesentlich verschärft werden, weiterhin dient ein Gas-Brennwert-Kessel mit solarthermischer Warmwasserbereitung als Effizienzmaßstab. Allerdings soll, um die Nutzung erneuerbarer Energien zu steigern, die primärenergetisch bewertete Anlagenaufwandszahl um 10% verschärft werden.
  • Bei der Altbausanierung sollen Befreiungen eingeschränkt werden. Bei Platzmangel z.B. der Dachdämmung soll die Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffes von bisher 0,04 W/mK auf mindestens 0,035 W/mK sinken.
Die neue EnEV wird die Anforderungen an den Primärenergiebedarf von Neubauten auf Effizienzklasse B anheben. Schrittweise soll dann in Europa ab 2012 das "Niedrigstenergiegebäude" verbindlich werden. Das Passivhausniveau, bzw. die Effizienzklasse A werden dann zum Standard. Bild: M. Brake

Soziale Schieflage? - Empirie gegen Befürchtungen und Besitzstandswahrung der Bedenkenträger

Bundesumweltminister Altmaier stellte diese Woche die Erreichbarkeit der bisherigen Energiesparziele prinzipiell in Frage. Er zweifelte, ob etwa die Stromsparziele von -20% bis 2020 überhaupt eingehalten werden können, und warnt vor sozialen Verwerfungen, falls Energie zu teuer werde: "Wenn wir nicht aufpassen, dann kann die Energiewende zu einem sozialen Problem werden." Im September sollen deshalb Vertreter der Sozialverbände, der Verbraucherschützer und der Politik zu einem runden Tisch eingeladen werden.

Doch die haben sich bereits zu Wort gemeldet. Vor allem geht es darum, wie viel gedämmt werden soll und wer die Kosten dafür übernimmt. Naturschutzverbände und der Mieterbund fordern eine sozial gerechte Kostenverteilung. Dabei ist gerade die Dämmung nicht nur energie- und klimapolitisch sehr wirksam, sondern auch wirtschaftlich ein Mittel, um steigende Energiekosten zu senken. Denn während seit 1995 die Kaltmieten um 24 % angestiegen sind, stiegen die Heizkosten im gleichen Zeitraum um 173 %.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) schlägt deshalb vor, das große Sanierungspotential im Gebäudebestand auszuschöpfen, um Energiekosten und CO2-Emissionen zu senken. Dies soll aber "warmmietneutral" über ein Drittel-Modell erfolgen. Dabei übernehmen Hauseigentümer, Mieter und staatliche Förderprogramme jeweils ein Drittel der Kosten. Durch dieses Modell wäre nicht nur eine sozialverträgliche Aufteilung der Kosten, sondern auch eine bessere Kontrolle der tatsächlich durchgeführten Maßnahmen möglich.

Doch besonders die Immobilienverbände zaudern noch in vielen Punkten zur EnEV 2012. Sie sind z.B. dagegen, dass nun nicht mehr nur Kessel, die vor 1978, sondern auch diejenigen, die bis 1985 installiert wurden, bis zum Jahr 2014 ausgetauscht werden sollen - nach 29 Jahren also! Außerdem kritisieren sie die neuen Regeln für die Veröffentlichung der Energiekennwerte. Soviel Transparenz und Vergleichbarkeit ist anscheinend bei einigen Gebäuden im eigenen Portfolio nicht gern gesehen. Sehr bemüht klingt da der Erklärungsversuch, ein Student, der in Zukunft an der Uni ein WG-Zimmer anbietet und dabei die Energiekennwerte nicht angibt, laufe, sollten die Veröffentlichungsregeln in Kraft treten, Gefahr, mit einem Bußgeld von bis zu 15.000 Euro belegt zu werden.

Um unabhängig von Lobby-Bedenkenträgern zu verlässlichen Entscheidungsgrundlagen für die EnEV 2012-Novelle zu kommen, ließ das BBSR empirische Studien zu den Fragestellungen in Auftrag geben. Dabei kam u.a. heraus, dass die tatsächlichen Kosten am Bau auch bei eigentlich gleichen energetischen Baumaßnahmen so stark unterschiedlich sind, dass also andere Faktoren als die Energiesparmaßnahme sich in der Praxis am Bau als Preistreiber entpuppen.

Auch zeigte es sich, dass es sehr wohl möglich ist, wirtschaftliche Energiesparmaßnahmen zu identifizieren und auch unter Prämisse des Wirtschaftlichkeitsgebots verbindlich zu machen. Bei der energetischen Sanierung von Heizanlagentechniken erwies sich das 1. für den Austausch alter Heizkessel, soweit es sich bei diesen nicht um Niedertemperatur- oder Brennwertkessel handelt, 2. Für den Austausch von ungeregelten Altpumpen und 3. Für den Austausch alter Thermostatventile an Heizkörpern.

Die Entscheidungsgrundlagen sind gelegt, damit die EnEV 2012 verabschiedet werden kann. Einige gute Ansätze wie der Energieausweis und die Einbeziehung erneuerbarer Energieträger in die Berechnungsverfahren wurden überarbeitet. Die neuen Anforderung und angezogenen Effizienzwerte sind moderat ausgefallen. Schließlich ist auch die Perspektive, dass in zehn Jahren das Passivhaus quasi Neubaustandard in Europa sein wird, erfreulich. Doch wenn man bedenkt, dass das erste Passivhaus in Deutschland schon 1991 gebaut wurde, fragt man sich, warum das alles nur so lange dauert.