BND-Informationen über Syrien werden von der Bundesregierung als "Verschlusssache" behandelt

Auf eine Kleine Anfrage der Linken verweigert die Bundesregierung mit Verweis auf das Staatswohl Informationen zum Massaker in Hula und über Waffenlieferungen nach Syrien

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Die Situation in Syrien ist unübersichtlich. Mit den Kämpfen in der Hauptstadt Damaskus und Hunderten, die am Montag aus Syrien in die Türkei geflohen sind, darunter nach türkischen Angaben auch Offiziere und ein General, scheinen die Tag des weiterhin allerdings von Russland gestützten Assad-Regimes angezählt zu sein. Das Internationale Rote Kreuz stuft den Konflikt bereits als Bürgerkrieg ein, diplomatische Initiativen wie die von Kofi Annan, haben keine Chancen mehr. Und wie immer zirkulieren wie im Fall des "Massakers" von Tremseh sehr unterschiedliche Versionen von Vorfällen durch die Medien.

Wie sich allmählich herausschält haben sich in der kleinen, vorwiegend von Sunniten bevölkerten Stadt mit 11.000 Einwohnern einige Dutzend Rebellen verbarrikadiert, die nach einem Angriff auf die dortige Polizeistation von den syrischen Truppen zunächst mit Hubschraubern, Panzern und Artellerie angegriffen wurden, bis diese nach großen Zerstörungen einmarschiert waren und vermutlich überlebende Rebellen oder einfach jüngere Männer teils exekutiert und teils gefangen genommen haben. Gefangene haben vermutlich nach Folter schließlich die Version des syrischen Regimes "bestätigt". Aber wie es wirklich ablief und ob wie viele Menschen, vor allem auch wie viele Zivilisten, bei dem Angriff ums Leben kamen, wird wohl weitgehend im "fog oft the war" verborgen bleiben.

Nicht restlich geklärt ist auch das am 25. Mai geschehene Massaker in Hula. Nach UN-Berichten wurden 108 Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder, getötet, mehr als 80 seien nach dem zuvor erfolgten Panzer- und Artilleriebeschuss in Massenexekutionen ermordet worden. Verantwortlich gemacht wird dafür die alawitische, regierungstreue Schabiha-Miliz. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte das Massaker, an dem syrische Truppen beteiligt waren, einige Staaten, darunter Deutschland, wiesen die syrischen Botschafter aus. Das syrische Regime und manche Beobachter (beispielsweise in der FAZ) machten jedoch die Rebellen dafür verantwortlich. Sie hätten angeblich ganze Familien getötet, weil diese sich der Opposition nicht anschließen wollten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage von Sevim Dagdelen, außenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, vom 29. Juni antwortete (17/10206). Die Antwort auf die Fragen nach Kenntnisstand und Positionierung der Bundesregierung, die auch den Bundesnachrichtendienst betrafen, erfolgte am 12. Juli. Die Täterschaft für das Massaker ließe sich derzeit noch nicht endgültig klären, die Bundesregierung schließt sich der Beurteilung des Berichts der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats an, nach dem "regimenahe Kräfte für einen Großteil der Todesopfer" verantwortlich gewesen seien. Dazu werden vor allem die alawitischen Schabibha-Milizen gezählt, die vom Regime regelmäßig Geld erhielten, über deren Zahl jedoch ebenso wenig bekannt ist wie bei der Freien Syrischen Armee. Bei letzterer scheine die Zahl von 40.000 Kämpfern überhöht, ausgerüstet seien sie "in der Hauptsache mit Handfeuerwaffen und Panzerabwehrhandwaffen". Eine gezielte Koordination der Verbände der FSA sei nicht zu erkennen. Die primäre Bedrohung der Zivilisten gehe von der syrischen Armee aus.

Die Regierung stellt sich hinter den Friedensplan von Kofi Annan, ist für eine "politische Lösung" und plädiert für einen Abtritt von Assad. Sie hält nichts von einer Bewaffnung der Opposition und kenne keine "belastbaren Hinweise", dass einzelne Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar Waffen an die Opposition liefern. Allerdings werden nähere Angaben zum Kenntnisstand aus "Geheimhaltungsgründen" verweigert. Informationen dazu können nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags eingesehen werden. Die Einstufung als "Verschlusssache" diene dem "Staatswohl" heißt es in dem Schreiben. So erfährt die deutsche Öffentlichkeit also nicht, welche Waffen nach Kenntnis der Bundesregierung und damit wohl nach der des BND an die syrische Regierung oder an die bewaffnete Opposition geliefert werden. Auch bei den "mehrfachen" Berichten des BND zu dem Massaker macht die Bundesregierung aus "Staatswohlgründen" dicht. Bei anderen Fragen wird auf den Bericht der Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats verwiesen.

Weil die Bundesregierung nicht erklärt, warum die Informationen unter Geheimhaltung, lässt dies natürlich Raum für Spekulationen. Für Dagdelen versucht sie Stimmung gegen das Assad-Regime zu machen und einer aggressive Politik gegenüber diesem keine Steine in den Weg zu legen: "Während sie öffentlich Aufklärung fordert, hat die Bundesregierung aus Gründen des 'Staatswohls' Informationen zum Massaker vom 25. Mai in Hula als geheim eingestuft, zugleich aber eingeräumt, dass sie mehrfach vom Bundesnachrichtendienst Berichte hierüber erhalten hat. Dass die Aufklärung des Massakers dem 'Staatswohl' untergeordnet wird, lässt nur zwei Schlüsse zu: Die Bundesregierung will die Aktivitäten ihres Auslandsgeheimdienstes in Syrien decken und lässt die Öffentlichkeit gerne im Unklaren über den tatsächlichen Hergang des Massakers, um Verdächtigungen gegen das Assad-Regime verbreiten zu können", so vermutet Sevim Dagdelen. Damit arbeite die Bundesregierung "mit an einer weiteren Eskalation des Konfliktes und wird sich zu gegebener Zeit einer militärischen Beteiligung auch nicht mehr enthalten können".