Ist ein Rechnerzugang ohne Admin-Rechte für Familienmitglieder zumutbar oder lebensfern?

Einrichtung eines Benutzerkontos ohne Admin-Rechte unter Windows 7

Das Landgericht München dehnt in einem Berufungsurteil die Prüfpflichten zur Abwehr einer Störerhaftung aus

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Eines der umstrittensten Konstrukte im Abmahnwesen ist die so genannte "Störerhaftung". Sie besagt in diesem Kontext, dass der Inhaber eines Internetanschlusses auch dann zur Zahlung eines Anwaltshonorars für eine Filesharing-Abmahnung herangezogen werden kann, wenn er den Zugang zu diesem Internetanschluss nicht ausreichend abgesichert hat. Aufgrund der Rechtsprechung zu dieser Störerhaftung gibt es heute kaum mehr offene WLANs in Deutschland – was Kritiker als ein in einem westlichen Land einmaliges Haftungsrisiko beanstanden. Die Bundesländer Berlin und Hamburg planen deshalb aktuell eine Bundesratsinitiative, die konkrete Überwachungsregeln für WLAN-Betreiber festschreiben soll, mit deren Einhaltung sie eine Störerhaftung von sich weisen können.

Der Zugang zum WLAN ist jedoch nicht der einzige Fall, in dem ein Abmahnanwalt mit einer Störerhaftung argumentieren kann: Ein anderer relevanter Bereich ist der Zugang von Familienmitgliedern und Besuchern zu Rechnern. Hier müht sich die Rechtsprechung bislang noch relativ uneinheitlich ab, um herauszufinden, welche Sicherungsmaßnahmen noch zumutbar und welche schon lebensfern sind. Bislang gingen Gerichte meist davon aus, dass Ermahnungen und Verbote die angemessenen Mittel sind, um Dritte von möglichen Urheberrechtsverletzungen im Internet abzuhalten.

Solche Ermahnungen und Verbote hatte der Aachener Grafiker K. um die Jahre 2003 und 2004 gegenüber seiner Schwester ausgesprochen, weil er erfahren hatte, dass sie die Tauschbörse Kazaa benutzte. Trotzdem flatterte ihm Anfang 2008 ein Schreiben der einschlägig bekannten Münchner Kanzlei Waldorf Frommer ins Haus, die 1.566 Euro Honorar für eine Abmahnung wegen des Herunterladens von drei älteren Hörbüchern geltend machte. Diese Hörbücher – so stellte sich später heraus – hatte K.s Schwester im November 2007 via eMule heruntergeladen, weil es in K.s Haushalt keinen Fernseher gab und ihr während eines zweiwöchigen Besuchs langweilig war.

Deshalb verfiel die Kanzlei Waldorf Frommer darauf, den Grafiker nicht als direkten Rechtsverletzer, sondern als "Störer" zur Zahlung des Abmahnhonorars zu zwingen. Der jedoch verwies darauf, dass er seine privatinsolvente Schwester ja über die Regeln der Internetnutzung bei ihm zuhause aufgeklärt hatte. Das jedoch sah das Amtsgericht München in erster Instanz wegen der bekannten früheren Kazaa-Nutzung nicht als ausreichend an und verurteilte den Grafiker in einem von Waldorf Frommer angestrengten Zivilprozess zur Zahlung von Schadensersatz.

Gegen dieses Urteil legte K.s Anwalt Bernhard Knies Berufung ein, scheiterte damit aber letzte Woche vor dem Landgericht München. Das ließ in der Berufungsverhandlung erkennen, dass es aufgrund des K. bekannten Tatbestandes einer sehr intensiven Internetnutzung seiner Schwester (die mit dem medizinisch nicht diagnostizierten Begriff "Internetsucht" umschrieben wurde) dazu verpflichtet gewesen sei, ihr auf dem Laptop, zu dem sie Zugang hatte, einen Zugang ohne Admin-Rechte einzurichten, mit dem sie keine Software hätte installieren können. K.s Ausführungen, dass solch ein Zugang ohne Admin-Rechte nicht verhindern hätte können, dass die Frührentnerin Hörbücher bei Sharehostern herunterlädt, sahen die Richter als insofern irrelevant an, als sie in dem konkreten Fall ein Filesharingprogramm installiert hatte.

Dem Argument, dass K. nicht von einer besonderen Urheberrechtsverletzungsgefahr ausgehen konnte, weil er zwischen 2004 und November 2007 nichts von weiteren Filesharingaktivitäten ihrerseits hörte, mochte das Landgericht ebenfalls nicht folgen, weil es das Protokoll der Verhandlung vor dem Amtsgericht dahin gehend interpretierte, dass K. bis 2007 immer wieder über Filesharing sprach - was dieser jedoch verneint.

Die Münchner Richter betonten zwar, dass es sich bei der Zurückweisung der Berufung wegen der Besonderheiten um einen "Einzelfall" handeln würde – dies dürfte allerdings Anwälte nicht davon abhalten, die Entscheidung Abgemahnten entgegenzuhalten, die sich auf Urteile des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Köln berufen, nach denen es bei volljährigen Kindern keinen Unterlassungsanspruch und bei Ehegatten keine Überwachungspflichten gibt. Knies will nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann zusammen mit seinem Mandanten prüfen, ob er auf dem weiteren Instanzenweg klären lässt, wie weit die Überwachungspflicht für Internetanschlussinhaber geht.

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