Die Ein-Staaten-Lösung

Wer von Israel spricht, sollte auch von Neuseeland sprechen

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Wer von den Juden spricht, sollte auch von den Maori sprechen. Und wer von einer Zwei-Staaten-Lösung spricht, sollte auch von der DDR sprechen.

Es ist wenig bekannt, ein gewissermaßen "unterschlagenes" Kapitel der jüngsten Zeitgeschichte, dass der Staat Israel einst in Neuseeland ausgerufen werden sollte. Neuseeland ist ja auch heute noch ein Mitglied des britischen Commonwealth - und die englische Königin ist nach wie vor das Staatsoberhaupt im Land (wenn auch gewöhnlich vertreten durch einen Generalgouverneur oder zuweilen eine weibliche Gouverneurin).

Der Übergang von der Kolonie zur selbstständigen Republik war dabei eher fließend. D.h., es ist schwer zu sagen, wann oder ob er überhaupt jemals stattgefunden hat. Aber wenn es ein entscheidendes Zeitsegment dafür gegeben hat, dann ist das die Zeit zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Gründung des Staates Israel. Als die englische Regierung einen Ausweg aus dem palästinensischen Dilemma suchte, da trat sie auch an Neuseeland heran. Die Südinsel des Landes - damals noch spärlicher bewohnt als heute - könnte doch, so meinten die Briten, ein Auffangbecken für die nach Israel einströmenden Juden aus aller Welt bilden? Einen eigenen jüdischen Staat?

Und siehe da: Die sonst so königstreue und zu jedem imperialistischen Blödsinn bereite neuseeländische Kolonialverwaltung sträubte sich auf einmal. Sie lehnte sich auf. Sie verweigerte sich einem solchen Ansinnen.

Auch West-Australien, so meinten die Briten, könnte doch leicht einen Zipfel abtreten. Eine kleine Beschneidung täte dem Land nicht weh. Das mediterrane Klima würde den neuen Bewohnern sicher gut gefallen, der Unterschied zu Israel kaum auffallen. Aber auch die Australier murrten. Sie hatten sich bereits einige Jahre zuvor (als der Holocaust geschah) geweigert, ihr Minimal-Kontingent von 7.000 jüdischen Einwanderern zu erhöhen.

Jetzt, als die jüdischen Überlebenden aus aller Welt nach Israel strömten, weigerten sich die Australier weiterhin, diesen Flüchtlingen einen Fußbreit Erde auf ihrem großen Kontinent zu gewähren. Rückblickend und etwas zynisch betrachtet war das sogar nicht einmal unklug gehandelt - wenn man den humanitären Aspekt einmal außen vor lässt. Denn West-Australien ist reich an Bodenschätzen, und Australiens Wirtschaft stünde ohne diese Exporte heute weit weniger gut da, als es der Fall ist.

Aber kurios ist: Obwohl Neuseeland und Australien beide unterschwellig deutlich antisemitisch sind, haben beide Länder eine lange Tradition einer quasi-jüdischen kulturellen Anverwandlung oder sogar Verkleidung. Namen, die andernorts ihren Träger sofort als jüdisch markieren, wie Sarah und Rachel, oder David und Simon, sind hier "christlicher" Alltag - außer vielleicht bei den eingetragenen Katholiken, die lieber neutestamentarisch unterwegs bleiben, mit Mark, Luke, John und Matthew bzw. Mary oder Magdalena.

Höhere Leistungen im Sport durch Erschwernis der Masturbation

Aber noch kurioser wird es, wenn man dazu die Diskussion um die Beschneidung betrachtet, die derzeit in Deutschland und Österreich abläuft: Bis in die jüngste Zeit hinein wurden männliche Kleinkinder in Neuseeland und Australien routinemäßig beschnitten, ganz ohne irgendeinen religiösen Grund oder irgendwelches Zeremoniell - und auch ohne jede Kontroverse. Ich vermute (leicht boshafterweise) dass die Vorhaut eher dem Gott des Rugby-Spiels geopfert wurde. D.h. man blickte bereits bei der Geburt voraus auf die Pubertät und hoffte durch Erschwernis der Masturbation höhere Leistungen im Sport zu erzielen. In Ländern, deren wirtschaftliche Potenz auf der Schafzucht und dem Export von tiefstgefrorenem Bullen-Sperma beruhte, eine völlig natürliche Sichtweise.

Das Klagelied der Vorhaut - nein, eines Helden namens "Vorhaut", (natürlich ist er ein Rugby-Spieler) - bildete denn auch den Titel eines bedeutenden neuseeländischen Theaterstücks, Foreskin’s Lament, das vielleicht auf der Frankfurter Buchmesse als Eröffnungsbeitrag des diesjährigen Gastlandes Neuseeland dargeboten werden sollte.

Aber nun zur Frage: Wieso Neuseeland? Oder: Wieso England? Dazu ein kurzer Ausflug in die Geschichte: Als Israel noch Palästina hieß, da war es ein britisches Protektorat. Das brachte England in die Geschichte hinein. Die Leute, die dort wohnten, konnten häufig auf eine lange Geschichte der Ansässigkeit ihrer Vorfahren zurückblicken. Einige von ihnen stammten sicher auch von christlichen Kreuzfahrern ab. Die hatten sich einst in Jerusalem eingenistet und dort ein Königreich ausgerufen. Andere zogen nach Damaskus - und wer sich an das Foto erinnert, das den französischen Präsidenten Chirac und Assad den Älteren Seite an Seite zeigt, der möchte fast meinen, er sähe zwei Cousins auf dem Bild.

Tatsächlich erstreckt sich die gemeinsame Geschichte der Syrer und Franzosen über tausend Jahre; die Kreuzritter haben es gelernt, sich gegen jeden Widerstand der Bevölkerung im Sattel zu halten. Daran erinnert Syrien auch heute. Da war Libyen ein Kinderspiel dagegen. Wäre die syrische Nomenklatura erst neueren Datums (beispielweise wie das Schah-Regime im Iran), dann säßen der junge Assad und die "100 Familien" seiner Entourage sicher längst in St. Tropez am Privatstrand und süffelten ihre eisgekühlten Cocktails.

"Kaufen wenn die Kanonen donnern", und Deutschland feuert mit

Auch die Palästinenser haben ihre herrschenden Familien. Aber grundsätzlich ist das palästinensische Volk das Volk, dessen Vorfahren in Palästina siedelten. Plus minus einiger Neuzugänge. Die Bewohner Palästinas, sofern sie unvertriebene Juden waren (oder Nachkommen christlicher Raub … sorry: Kreuzritter), wurden aber häufig zum Islam zwangsbekehrt, weil sie im islamischen Herrschaftsraum lebten. Im Grunde genommen waren die Palästinenser aber (bis auf die Beduinen) keine echten Araber. Leute, die anderen Arabern (trotz einer gemeinsamen angenommenen Sprache) eher suspekt sind. Aber dank jahrhundertelanger Schriftunkundigkeit und kultureller Amnesie kamen ihnen die jüdischen Zuwanderer aus der "Diaspora", die seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts in immer größerer Zahl in ihrem Land einwanderten, nun auch nicht gerade wie "Heimkehrer" vor. Eher wie Eroberer.