Euro-Krise: Redundanz für das System

Ökonomen fordern Diskussion über Parallelwährungen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auf Einladung des Bundesverbands der mittelständischen Wirtschaft trafen sich am 24. Juli in Berlin Ökonomen zu einem Workshop, um über die Idee von Parallelwährungen angesichts der "griechischen Tragödie" und der zunehmenden Instabilität im Euro-System zu diskutieren. "Die Euro-Rettungspolitik muss um neue Instrumente ergänzt werden", so ließ der Wirtschaftsverband in seiner Pressemeldung verlauten.

Teilnehmer waren unter anderem Roland Vaubel (Universität Mannheim), Bernd Lucke (Universität Hamburg), Christian Gelleri (Chiemgauer e.V.) und der bisherige Chefvolkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer. Letzterer hatte bereits im Mai mit seinem Vorschlag eines "Geuro" auf sich aufmerksam gemacht, einer Parallelwährung für Griechenland, die einen harten Absturz dämpfen sollte (Civic statt Geuro). Das Papier der DB Research sieht einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone als folgenschweren Schritt:

Die meisten kommen zu dem Schluss, dass die direkten finanziellen Kosten für Griechenlands ausländische Gläubiger zwar hoch wären, das Hauptrisiko jedoch in einem Zusammenbruch des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Systems in Griechenland und den Folgen des griechischen Dramas für die Einwohner und die Gläubiger anderer, unter finanziellem Druck stehender Länder bestünde.

Die üblicherweise dargestellten Szenarien stützen sich auf die zentrale Annahme, dass Griechenland den Euro nach dem Ende der finanziellen Unterstützung aus dem Ausland durch eine neue Währung ersetzen müsse. Dies würde unseres Erachtens zu umfangreichen Zahlungsausfällen und einem Zusammenbruch des Bankensektors führen, was wirtschaftliche, soziale und politische Katastrophen auslösen könnte.

Thomas Mayer

Parallele Währungen, so lässt sich diese Aussage interpretieren, könnten die Folgen eines Ausfall des Euros dämpfen. Parallelen lassen sich aus diesem Blickwinkel ins Ingenieurwesen oder die Informatik ziehen: Wo die Funktionsfähigkeit von Systemen unabkömmlich ist, arbeitet man mit Redundanz - systemrelevante Bauteile werden mehrfach ausgelegt, so dass der Ausfall eines Systems durch das Einspringen des Zweitsystems ausgeglichen wird. Am bekanntesten ist der Einsatz von mehreren Bordcomputern in der Raumfahrt (Beispiel: Voyager-Sonde: :www.bernd-leitenberger.de/voyager-sonde.shtml). Und natürlich würde eine Systemänderung derart, dass ein zweites (Währungs-)System parallel verfügbar ist, zu einer veränderten Funktionsweise des Gesamtsystems führen. Leider gibt es wenig moderne Untersuchungen, welche Effekte ein paralleles Währungssystem hätte und welche Änderungen der Systemparameter zu welchen Wirkungen führen.

Während die Politik bislang nur in digitalen Kategorien in Form von AN oder AUS hinsichtlich des Euro diskutiert (Griechenland bleibt "drin", Griechenland muss "raus"), eröffnet die Idee der Parallelität von Währungssystemen ("SOWOHL als AUCH") neue Handlungsspielräume. Schon weit vor der Euro-Einführung war die Frage nach dem "optimalen Währungsraum" Teil des wissenschaftlichen Diskurses, doch hat es diese Diskussion in der politisch geprägten Diskussion vor der Euro-Geburt kaum in die öffentliche Wahrnehmung geschafft. Mit der Systemkrise rückt diese Frage verstärkt in den Fokus und führt beispielsweise zu dem Vorschlag von Markus C. Kerber, eine Parallelwährung namens "Guldenmark" für die strukturstarken Volkswirtschaften der Euro-Zone einzurichten. In Deutschland mit den Regiogeldern sowie im Umfeld der Transition Towns wird die Parallelität von Währungssystemen in einem lokalen bzw. regionalen Kontext seit einigen Jahren ausprobiert.

In der Schweiz gibt es mit dem WIR-Ring eine inzwischen 80-jährige Tradition eines parallelen Verrechnungssystems, an dem 60.000 Unternehmen teilnehmen. Seine inzwischen 10-jährige Erfahrung mit dem Chiemgauer brachte Christian Gelleri in den BVMW-Workshop ein und stellte die Idee eines "Expressgeldes" für Griechenland vor.

Die Vielfalt der Vorschläge, die für den Einsatz von Zweitwährungen plädieren, ist in den letzten Monaten rasant gewachsen. Der Option einer Rückkehr zu den ausschließlich nationalen Währungen des 20. Jahrhunderts stehen nun auch Vorschläge gegenüber, die die währungspolitische Kooperation der strukturstarken Volkswirtschaften fordern (Guldenmark), die den Kommunen auf lokaler Ebene diese Möglichkeit einräumen wollen (Lietaer/Brunnhuber), die weitergehende Funktionsänderungen vorschlagen (Expressgeld) oder auch sehr fundiert eine "Neue Drachme" skizzieren, wie jener von Udo Neuhäußer.

Allen ist gemeinsam, die kontinentale Währung beizubehalten und parallel zu nutzen. Und die Vorschläge kommen auch aus unerwarteter Richtung, wie beispielsweise vom Chef der polnischen Notenbank Marek Belka.

Die Workshop-Teilnehmer einigten sich auf folgende Erklärung, die die Politik dazu auffordert, Alternativen zu den bisherigen finanzpolitischen Strategien zu prüfen:

Die Unterzeichner teilen die Sorge, dass ein unkoordinierter Zerfall der Europäischen Währungsunion allen beteiligten Ländern einen gravierenden ökonomischen Schaden zufügen und die Integrationsidee Europas nachhaltig beeinträchtigen würde.

Daher fordern die Unterzeichner die Verantwortlichen auf, Alternativen zu der derzeitigen Euro-Krisenpolitik zu prüfen. Für eine ökonomisch überzeugende und politisch durchsetzbare Alternative sehen wir die Einrichtung einer Parallelwährung an, die auch mit Artikel 128 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union) vereinbar ist.

Bei einer Parallelwährung wird zusätzlich zum Euro eine weitere Währung eingeführt. Dadurch können Defizitländer wettbewerbsfähiger werden und die Europäische Währungsunion bleibt in den Grundzügen erhalten. Dabei ist uns bewusst, dass eine Parallelwährung notwendige Strukturreformen nicht ersetzen, sondern nur ergänzen kann.