Standard Chartered vor Showdown mit New Yorker Behörden

SCB-London: "You f---ing Americans. Who are you to tell us, the rest of the world, that we're not going to deal with Iranians."

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Die Klageschrift des "Superintendent of Financial Services"; der erst vor zehn Monaten gegründeten New Yorker Finanzaufsicht (DFS) Benjamin M. Lawsky war deftig: Die Standard Chartered Bank (SCB) "operierte als verbrecherische Institution ("rogue institution"). Mindestens neun Jahre lang, von Anfang 2001 bis 2010, hat SCB für iranische Kunden grob geschätzt 60.000 sogenannte U-Turns fingiert, um das herrschende Embargo gegenüber dem Iran zu umgehen. Diese Transaktionen hätten "insgesamt ein Volumen von mindestens 250 Milliarden Dollar" erreicht und SCB "hunderte Millionen Dollar an Provisionen" eingebracht. 340 Millionen US-Dollar zahlt jetzt Standard Chartered, mitsamt einem Schuldgeständnis.

For almost ten years, SCB schemed with the Government of Iran and hid from regulators roughly 60,000 secret transactions, involving at least $250 billion, and reaping SCB hundreds of millions of dollars in fees.

Benjamin M. Lawsky

Standard Chartered, die 2011 mit rund fünf Milliarden US-Dollar den höchsten Gewinn ihrer 150jährigen Geschichte eingefahren hatte, betreibt in ihrer New York Filiale (Bilanzsumme zuletzt 40,8 Mrd. USD) insbesondere das Clearing von Dollar-Transaktionen, wobei sie laut DBS für ihre internationalen Kunden täglich im Schnitt rund 190 Mrd. Dollar bewegt.

Zu dieser Zeit hatte das U.S. Office of Foreign Assets Control ("OFAC"), das für die Überwachung von US-Handels- und Wirtschaftssanktionen zuständig ist, die in den USA operierenden Finanzinstitutionen angewiesen, alle Transaktionen zu identifizieren, an denen sanktionierte Staaten oder Organisationen beteiligt waren, und die Zahlungen einzufrieren, bis diese allenfalls von der OFAC genehmigt würden.

Dies war für die betroffenen Kunden riskant und hätte jedenfalls zu Zahlungsverzögerungen geführt, weshalb SCB unter völliger Missachtung der US-amerikanischen Regeln alles unternommen hatte, um einen ungestörten Zahlungsverkehr sicherzustellen.

You f---ing Americans. Who are you to tell us, the rest of the world, that we're not going to deal with Iranians.

SCB-Group Director

Einigermaßen verärgert hatte den Ankläger dann anscheinend die Replik des zuständigen Vorstands am Londoner Banksitz, als der Amerika-Chef 2006 seine Bedenken geäußert und gemeint hatte, es müsse "1. dringend auf Holdingebene geprüft werden, ob die Gewinne und der strategische Nutzen des Iran-Geschäfts noch dem Risiko entsprechen, der Gruppe dadurch eine sehr ernste bis katastrophale Rufschädigung" einzuhandeln. Und 2. gebe es das "ebenso gewichtige Risiko, dass das Personal in den USA, London und anderswo Gefahr laufe, die persönliche Reputation zu gefährden und ernste strafrechtliche Verfolgung zu riskieren".

Wie der Head of Cash Management Services der New Yorker Filiale in einem Interview mit der Behörde angab, hätte der namentlich nicht genannte SCB-Vorstand ihn brüsk abserviert: "Ihr verdammten Amerikaner, wer seit ihr uns zu sagen, dass wir nicht mit den Iranern handeln dürfen!"

Die ominösen U-Turns

Bei diesen über die New Yorker SCB-Filiale abgewickelten U-Turns handelt es sich um Transaktionen, die es US-Banken unter bestimmten Umständen und strenger Überwachung erlauben, mit Geldern aus Embargo-Ländern US-Dollar-Transaktionen durchzuführen. Das war von Anfang an festgelegt worden um New York, dem dafür mit Abstand wichtigstem Finanzplatz, zu ersparen, dass im Ausland vergleichbare Infrastruktur aufgebaut und dieses Geschäft nachhaltig ins Ausland wandert wie einst der sogenannte Eurobond-Markt nach London.

Folglich wurden Transaktionen erlaubt, die zwischen zwei nicht-iranischen Offshore-Banken stattfanden und durch die USA nur durchgeleitet wurden. Dabei waren die beteiligten US-Banken (bzw. die US-Töchter von Auslandsbanken mit New Yorker Banklizenz) verpflichtet, sich vor jeder Zahlung zu vergewissern, dass die Transaktion nicht von der OFAC untersagt wird. Dabei verlassen sich die US-Banken wiederum vor allem auf von den Auslandsbanken im elektronischen Zahlungsverkehr mit übermittelten Details zu den Geschäften, die dann den Behörden übermittelt wurden, um verdächtigen Transaktionen nachzuspüren. Sollten bei einer dieser Anweisungen nicht genügend Informationen vorliegen, um einen U-Turn zu rechtfertigen, mussten die Gelder eingefroren werden, bis die benötigten Informationen nachgeliefert würden,oder die Transaktion musste ganz abgeblasen werden. Sollte bei iranischen Geldern ein U-Turn dann nicht zulässig sein, durften sie zudem erst ausgezahlt werden, nachdem die OFAC eine spezielle Genehmigung erteilt hätte.

Nachdem 2008 klar wurde, dass dieses System missbraucht werde und dadurch "Außenpolitik und Nationale Sicherheit kompromittiert" würden, sind diese U-Turns abgeschafft worden, weil das Finanzministerium vermutete, dass der Iran seine Banken (genannt werden CBI/Markazi, Bank Saderat and Bank Melli ) "zur Finanzierung seines Atomwaffen- und Raketenprogramms" nutzt. Zudem besteht der Verdacht, dass sie auch "Terrorgruppen wie Hisbollah, Hamas und den Palästinensischen Islamischen Jihad unterstützen sowie sanktionierte Waffengeschäfte finanzieren".

Masterplan schon 1995 in London entwickelt?

Laut Anklageschrift hätte Standard Chartered schon 1995, kurz nachdem Präsident Clinton die Iran-Sanktionen verhängt hatte, überlegt, wie die Sanktionen umgangen werden könnten. Demnach müsste London, sollte SCB die US-Sanktionen ignorieren wollen, die US-Tochter darüber absolut im Unklaren lassen. SCB NY durfte also keinerlei Ahnung vom Vorgehen Londons haben und wäre, da die Filiale zudem keinerlei Kontrolle über die Mutter hat vor strafrechtlicher Verfolgung sicher, wobei das Memorandum, in dem das dargelegt wurde, mit dem Hinweis versehen war, dass das als hoch vertraulich eingestufte Dokument nicht in die USA gelangen darf. Dementsprechend habe SCB einen Prozess installiert, der später sogar automatisiert worden sei, mit dem die zweifelhaften Transaktionen beigefügten Informationen so angepasst wurden, dass sie einen U-Turn rechtfertigten.

Verdient habe SCB vor allem am Management der iranischen Öl-Einnahmen, nachdem sich die staatliche iranische Bank CBI/Markazi laut Anklagebehörde Anfang 2001 dahingehend an SCB gewandt hatte, um als Empfängerbank für die Öl-Gelder zu fungieren. Ein kritischer Punkt sei dabei das Timing von täglich 500 Millionen an Dollar-Zahlungen an die National Iranian Oil Company gewesen, wobei SCB zusagen musste, im Tagesverlauf bis zu 200 Mio. USD auszuzahlen, noch bevor das Geld tatsächlich eingelangt wäre, wobei betont worden sei, dass eine zügige Zahlungsabwicklung gegenüber CBI/Markazi ein weiteres Geschäft mit iranischen Banken bringen könnte. SCB hätte demnach dieses Geschäft gemacht und nur konsequent dafür gesorgt, dass bei den sanktionierten Transaktionen mittels einer sogenannten "Reparatur-Prozedur" nun harmlose Geschäftspartner angegeben wurden, so dass die Zahlungen unverzögert fließen konnten.

Allerdings hatten US-Behörden bereits 2003 Mängel in den Prozeduren von SCB festgestellt und sich mit der Bank 2004 auf Verbesserungen geeinigt, unter anderem sollte ein externer Wirtschaftsprüfer engagiert werden, um die entsprechenden Geschäftsfälle aus den Jahren 2002 bis 2004 zu analysieren. Die dazu engagierte Unternehmensberatung Deloite & Touch (D&T) erwies sich laut Anklagebehörde dann aber auch nur als mäßig verlässlich und gab nicht nur die "streng geheimen" Erfahrungen über die Vorgangsweise der Behörden an SCB weiter, über die D&T aus drei ähnlichen Verfahren verfügte, sondern war auch bereit, ihren "unabhängigen" Bericht auf Wunsch des SCB-Managements von allen Hinweisen auf die illegalen Iran-Geschäfte zu reinigen, womit die Behörden schließlich zufrieden waren.

Nun klagt Lawsky SCB wegen sieben verschiedene Gesetzesbrüche an und droht damit, die Banklizenz zu entziehen. Heute muss die Führung der New Yorker SCB bei der Behörde antreten, um sich zu rechtfertigen, wobei die Wogen aber schon vorher an mehreren Fronten hochgingen. So monierten britische Parlamentarier sofort, dass die New Yorker Finanzbehörde bei ihrem Vorgehen gegen die britischen Banken (wie gerade auch Barclays und HSBC) vor allem das Ziel hätten, den Londoner Finanzplatz zu schädigen, wobei die Standort-Förderung tatsächlich in den Statuten der Behörde festgeschrieben ist.

Aus den US-amerikanische Bundesbehörden kolportieren die Finanzmedien Kritik, dass die New Yorker mit ihrem Vorpreschen ihre Ermittlungen gefährden würden. Berichtet wird zudem von mehreren Telefonaten des britischen Finanzminister George Osborne mit seinem US-Amtskollegen Timothy Geithner, der Fairness und koordiniertes Vorgehen versprochen habe.

99,9 Prozent der Iran-Transaktionen waren korrekt.

Standard Chartered

Standard Chartered verweist indes darauf, die US-Behörden ab 2010 von sich aus fortlaufend über "unabhängige" eigene Untersuchung ihres Irangeschäfts informiert und den externen Prüfer angewiesen zu haben, den US-Behörden alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls hätten 99,9 Prozent der Iran-Transaktionen den U-Turn-Regeln entsprochen, wobei das verbliebene Volumen bei weniger als 14 Millionen Dollar gelegen sei. Noch dazu hätte es keine einzige Zahlung im Auftrag einer Organisation gegeben, die von den US-Behörden damals als terroristisch eingestuft wurde. Zudem hätte SCB das Neugeschäft mit iranischen Kunden vor fünf Jahren eingestellt.

The Group’s review of its Iranian payments also did not identify a single payment on behalf of any party that was designated at the time by the US Government as a terrorist entity or organization.

SCB

Standard Chartered befinde sich in andauernden Gesprächen mit den relevanten Behörden und sei, da derartige Angelegenheiten von den Behörden normalerweise koordiniert verfolgt würden, nach eigenen Angaben von der DFS-Order völlig überrascht worden, weshalb in den Medien auch schon über Schadenersatzklagen spekuliert wird. Schließlich hatte SCB zeitweise bis zu 20 Milliarden Dollar an Börsenkapitalisierung verloren, während die Ratingagentur Fitch bereits angedroht hat, das AA-minus-Rating vielleicht noch diese Woche herabzusetzen.

Lawsky, ehemals Stabschef von New Yorks Governor Andrew Cuomo und zuvor Distrikt-Staatsanwalt, antwortete auf die Aufregung mit einem dürren Statement: "In diesem Fall geht es um den Iran, Geldwäsche und Nationale Sicherheit. Wir werden in dieser Angelegenheit weiterhin eng mit unseren Staatlichen Justizbehörden und den Bundesbehörden zusammenarbeiten. Keine Bank, ob groß oder klein, amerikanisch oder aus dem Ausland, steht über dem Gesetz."

Analysten spekulierten nun auf eine rasche Einigung gegen eine Zahlung von bis zu einer Milliarde Dollar (die Londoner Großbank HSBC hatte zuletzt für ähnliche Vorwürfe 700 Mio. Dollar zurückgestellt). Tatsächlich hat SCB eingelenkt, um die New Yorker-Bankenlizenz nicht zu verlieren, weil Standard Chartered damit praktisch seine globale Geschäftsgrundlage verloren hätte. Die Einigung ist mit 340 Millionen US-Dollar auch deutlich günstiger geworden, als vorhergesehen wurde.