Syrien, Wasser und Hunger

Nach einem amerikanischen Bericht gibt es Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und dem Aufstand in Syrien

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Es sieht derzeit nicht danach aus, als ob der blutige Konflikt in Syrien bald eingedämmt werden könnte. Seine kriminellen Begleiterscheinungen breiten sich derzeit auch in alarmierender Weise in Nachbarländern wie dem Libanon aus. Eine Rückkehr zu Verhältnissen, die nötig wären, um grundlegende Probleme der Bevölkerung zu lösen, scheint im Augenblick sehr fern. Tragisch daran ist - neben dem Gemetzel, das die Kontrahenten untereinander und in der Zivilbevölkerung anrichten, und dem Terror, der sich damit verbreitet -, dass die Krise in Syrien, die sich zu einem religiös aufgeladenen Krieg entwickelt hat, unter ihren Ursachen auch Bedingungen hat, die eine sorgfältige und weitsichtige Politik verlangen, was durch den blutigen Kampf wahrscheinlich auf längere Zeit hinaus verhindert wird.

Geht es nach einem Bericht des amerikanischen Bulletin of the Atomic Scientists so liegen dem Aufstand gegen die syrische Regierung Phänomene zugrunde, die durch den Klimawandel erklärt werden können und mit einer unzureichenden oder falschen politischen Antwort auf Dürren und der daraus folgenden Verarmung von größeren Teilen der Bevölkerung, Nahrungsknappheit und Binnenmigration.

Es sei nicht zufällig, dass der Aufstand gegen die syrische Führung in jenen Zonen begann und dort auch seine Zentren fand, wohin ein beträchtlicher Teil der von Dürren betroffenen Landbevölkerung im Nordosten Syriens flüchtete, so die Beobachtung: "Seit die Dürre begann, haben sich provisorische Ansiedlungen gebildet, die meist aus der heimatlos gewordenen flüchtigen Landbevölkerung bestehen, in der Peripherie von Damaskus, Hama, Homs, Aleppo und Dar'a."

Nach Schätzungen, die der Bericht zitiert, sollen es über 1,5 Millionen solcher Flüchtlinge sein. Und "die Dürre", wovon er spricht, ist die letzte große einer Reihe von sieben signifikanten Dürren. Die ersten sechs ereigneten sich im Zeitraum von 1900 bis 2005 und dauerten bis auf eine Ausnahme nur eine Ernte lang an. Die Ausnahme betraf zwei Erntejahre. Doch die letzte, die siebte, Dürre dauerte von 2006 bis 2010. Für die Verfasser ist dies ein Hinweis darauf, dass der Klimawandel dabei eine Rolle spielen könnte.

Zwar sei eine einzelne Dürre schwerlich mit Gewissheit als direkte Folge des "menschengemachten Klimawandels" darzustellen, doch habe eine Studie des National Oceanic and Atmospheric Administration aus dem Jahr 2011 festgestellt, dass der Klimawandel etwa zur Hälfte die zunehmende Zahkl der Dürren in dieser Region zwischen 1902 und 2010 erklären könne. Hingewiesen wird auch auf das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), das für künftige Jahrzehnte noch schwerere Dürren für diese Region vorhersagt.

Wie auch immer man solche Vorhersagen einschätzt, die die Region im Großen und nicht sehr präzise fassen, als faktisches und politisch relevantes Argument bleibt, dass die syrische Regierung den Effekten gerade der letzten großen Dürre nicht gut genug gegenarbeiten konnte, obschon Baschar al-Assad kein ganz schlechtes Zeugnis ausgestellt wird. Auch der UN-Sonderbeauftragte für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, spricht in seinem Bericht nach einem Besuch in Syrien vor zwei Jahren davon, dass die Regierung Einiges getan habe, um die Bevölkerung bei der Nahrungsmittelknappheit infolge mehrerer Dürren zu unterstützen. Andere UN-Berichte bestätigen dies. Damals war Baschar-al-Assad noch nicht dem Medienimage von heute unterworfen, die Korruption der Führung dürfte wahrscheinlich aber schon damals von Syrern angesichts der Nöte mit zunehmendem Widerwillen wahrgenommen worden sein.

Dem Bericht des Bulletins fehlen die überhitzten Schuldzuschreibungen, die den derzeitigen Konflikt ausmachen. Die grundsätzliche Kritik an falschen politischen Maßnahmen, die den Dürren vorausgingen und später deren Auswirkungen nichts entgegenstellten, kann auf viele Politiker in der Region zutreffen. Und es ist nicht sicher, ob eine Regierung nach Baschar al-Assad die Probleme besser in den Griff bekommt. Es geht um eine falsche Anbau- und Wasserpolitik, die nicht nachhaltig sei, so der Vorwurf der Wissenschaftler des Bulletins. Syrien habe zu sehr auf eine grundwasserintensive Bewässerung gesetzt und die falschen Pflanzen angebaut, so die Analyse des amerikanischen Magazins, das über die "Bedrohung des Überlebens und der Entwicklung der Menscheheit durch Atomwaffen, Klima wandel und neuen Technologien in Naturwissenschaften" informieren will:

Das Baath-Regime tat wenig, um die nachhaltige Verwendung von Wasser voranzubringen. In den zwei Jahrzehnten vor der gegenwärtigen Dürre hat der Staat intensiv in Bewässerungssysteme investiert - sie blieben dennoch unterentwickelt, extrem ineffizient und unzureichend. Der Großteil der Anlagen braucht Grundwasser als Hauptquelle, weil der Zufluss an Wasser aus Flüssen mangelhaft ist.

Dazu komme eine Lizenzvergabe für landwirtschaftlich genutzte Brunnen, die ungerecht verteilt wurden. Kritiker würden der Regierung vorwerfen, dass sie diese nach politischen Vorgaben verteile. Ihnen zufolge habe sie darauf geachtet, dass die Region im Nordosten des Landes, die mehrheitlich von Kurden bewohnt werde, unterentwickelt bleibe und so Bauern die Lizenz verweigert. Wie dem auch sei, so das Fazit des Berichts, die Folge davon, dass an Lizenzen so schwer heranzukommen war, habe dazu geführt, dass die Hälfte der Brunnen im Lande illegal gegraben wurden, das Wasserversorgungssystem unreguliert war und die Grundwasserreserven bald erschöpft waren.

Der diagnostizierten Kurzsichtigkeit solcher Politik schließt das Magazin eine große Warnung an:

The drought in Syria is one of the first modern events in which a climactic anomaly resulted in mass migration and contributed to state instability. This is a lesson and a warning for the greater catalyst that climate change will become in a region already under the strains of cultural polarity, political repression, and economic inequity.