Vivian Schmitt und ihre Voyeure

Anwälte wollen Filesharer an den Pranger stellen

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Eine auf Massenabmahnungen spezialisierte Anwaltskanzlei hat angekündigt, die Namen von Gegnern zu veröffentlichen. An der Rechtmäßigkeit einer solchen Wild-West-Maßnahme und ihrer Ankündigung bestehen erhebliche Zweifel.

Bereits letztes Jahr war die für Abmahnungen insbesondere im Bereich des Aufklärungsfilms bekannte Anwaltskanzlei U + C mit einer ungewöhnlichen Versteigerungsaktion aufgefallen. Angebliche Ansprüche aus Abmahnungen, denen jeweils mit modifizierten Unterlassungserklärungen begegnet worden war, wurden schließlich von einem Inkasso-Unternehmen ersteigert, das eine Zweitverwertung versuchte.

Nun hat U + C angekündigt, voraussichtlich ab dem 01.09.2012 eine Auswahl der Gegner aus offenen und anhängigen Mandatsverhältnissen, gegen die Mandat zu außergerichtlichen oder gerichtlichen Tätigkeit erteilt wurde oder ist, öffentlich im Internet auszustellen. Der Ankündigung geht der Satz voraus, bei einem großen Teil der anvertrauten Mandate erziele man vergleichsweise Einigungen. Indirekt kann man also schließen, dass wohl vorzugsweise solche Gegner mit einer Veröffentlichung zu rechnen haben, die sich nicht als entsprechend geschmeidig erwiesen haben. Laut einer Zeitungsmeldung sollen 150.000 Filesharer betroffen sein.

Gegnerliste

Die Kanzlei bezieht sich auf die sogenannte Gegnerlisten-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2007 und bedient sich sogar der dort verhandelten Originalformulierung. Unterlagen Rechtsanwälte traditionell einem konservativen Standesrecht, das auch eine gewisse Diskretion gebot (lange galten sogar Fotos von Kanzleiräumen als unsachliche Werbung), dürfen sich Anwälte heutzutage ungleich freizügiger darstellen.

Berliner Anwälten war es seinerzeit verboten, sich in ihrer Werbung mit Gegnern zu brüsten, an denen man sich reibe. Dies empfanden die Advokaten als Eingriff in ihre grundgesetzlich garantierte Freiheit der Berufsausübung. Die Gerichte hatten geurteilt, die "Geschäftsehre" der Gegner sei als Teil des unternehmerischen Persönlichkeitsrechts von Art. 2 Abs. 1 GG umfasst und grundsätzlich höher zu gewichten als die Berufsfreiheit der Anwälte. Die Verfassungsrichter jedoch folgten der Argumentation "Viel Feind, viel Ehr" und erkannten auf ein entsprechendes Recht auf unternehmerische Selbstdarstellung, das jedenfalls nicht in der geschehenen Weise kategorisch eingeschränkt werden dürfe.

Porno-Pranger

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch kein Freibrief, der im Umkehrschluss jegliche Veröffentlichung von Gegnernamen erlaubt, vielmehr sollte den Anwälten lediglich die Möglichkeit eingeräumt werden, ihr großes Können zu demonstrieren, das sie von Mitbewerbern unterscheide.

Doch welche Potenz sollte eine mit Porno-Massenabmahnung befasste Kanzlei zur Schau stellen wollen? Bei solchen Abmahnungen handelt es sich um identische, aus Textbausteinen gezimmerte Schriftsätze, bei denen allenfalls Adressen und Objekte variieren. Womöglich wechselt nicht einmal die Sekretärin die Stellung, wenn diese die anzüglichen Titel der pornografischen Kunstwerke abtippt. Darin erschöpft sich auch schon die "anwaltliche" Leistung, denn der Anwalt muss lediglich die fertig servierte Abmahnung unterschreiben, bevor diese zum mutmaßlichen Filesharer ejakuliert wird. Ein sachlicher Grund für den angekündigten Exhibitionismus kann beim besten Willen nicht erkannt werden.

Persönlichkeitsrecht

Doch gegen diese Anprangerung spricht vor allem das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Abgemahnten. Wer bloßer Anschlussinhaber ist, könnte in Verdacht geraten, sich etwa die Werke der Erotikkünstlerin Vivian Schmitt heruntergeladen zu haben. Ob zutreffend oder nicht, ist irrelevant, denn selbst die vermeintliche Vorliebe für Frau Schmitts Körperöffnungen ist generell Privatsache.

Die Gegnerlisten-Entscheidung dürfte kaum stimulieren, denn es handelte sich dort um gierige Firmen, nicht etwa um Privatleute, die mit Frau Schmitt schwitzen wollen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kanzlei ihre feuchten Träume in die Tat umsetzen und die Hosen der Filesharer herunterlassen würde, liegt daher sehr deutlich unter 30 cm. Man sollte sich halt kein U für ein C vormachen lassen.

Nötigungsgeil?

Eine anregende Frage müssen sich die Anwälte allerdings gefallen lassen: Wozu das Vorspiel? Hätten die Abmahner mit ihren Anwaltskünsten protzen wollen, warum haben sie es nicht einfach getan, sondern öffentlich sogar einen Termin genannt?

Vermutlich wird sich der eine oder andere auf seinen Ruf bedachte Filmfreund veranlasst sehen, das unterbreitete Angebot einer gütlichen Einigung anzunehmen. Auf die rechtliche Einordnung dieser Frage durch die Behörden darf man gespannt sein.