Das griechische Schuldenrätsel - gelöst?

Trotz 150 Milliarden Hilfe war Griechenland im Juni noch mit 303 Milliarden Euro verschuldet

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im Juni 2012 war Griechenland noch immer mit 303 Milliarden Euro verschuldet - und dies, obwohl angeblich mehrere Schuldenreduzierungsprogramme mit einem Gesamtvolumen von bis zu 150 Milliarden Euro, darunter nach Angaben von IWF-Chefökonom Olivier Blanchard das größte je getätigte, Griechenland aus der Schuldenfalle befreien sollte. Dies wirft Fragen auf.

Im März 2010 hat die Statistikbehörde Eurostat auf Druck der Geberländer die Berechnung des griechischen Bruttosozialprodukts, des Haushaltsdefizits und der Verschuldung bis 2010 einer Prüfung unterzogen. Der Prüfbericht enthält korrigierte Zahlen, die uns interessieren sollten: Auf 184,6 Milliarden Euro konnten nach der Revision die griechischen Staatsschulden im Jahre 2006 beziffert werden. Das ist bemerkenswert, denn am 22. April 2010 veröffentlichte Eurostat eigene Zahlen, wonach Griechenland 2006 mit 205,7 Milliarden Euro verschuldet war. Eine Differenz von 20 Milliarden Euro? Das kann für einen Staat mit einem Haushaltsdefizit von 10-30 Milliarden Euro das Überleben bedeuten.

Auch für 2009 bringt die Revision interessante Ergebnisse. In diesem Jahr trugen die Hellenen eine Schuldenlast von nur 246,2 gegenüber 273,4 Milliarden Euro in der noch immer veröffentlichten Hauptberechnung - eine Differenz von 27,2 Milliarden Euro, gut 10 Prozent des gesamten griechischen Sozialproduktes.

Quellen: Basel Institute of Commons and Economics nach Berichten von Eurostat

Auch der Autor verwendete die Zahlen, als er Ende 2010 die Pro-Kopf-Verschuldung der Griechen deren Vermögen gegenüberstellte (Ist die Tilgung der deutschen Staatsschulden möglich?). Der griechische Reeder Peter Nomikos hat die rechnerisch daraus folgende Idee der Tilgung durch Vermögen aufgenommen.

Zugegeben: Weder wir Alternativökonomen noch der IWF, Eurostat oder die EZB sind derzeit in der Lage, den Überblick über die griechischen Finanzströme, vor allem aber über die wechselnden Besitzer griechischer Staatsanleihen, zu behalten.

Aber der Kommentar des FH-Ökonomie-Dozenten Karl Betz zu Blanchards Mitteilung zur Griechenlandhilfe könnte eine unangenehme Wahrheit enthalten: "Die griechische Position nach dem Rettungspaket ist schlechter als vorher." (Blog-Kommentar am 11. April 2012)

In einer eigenen Analyse im Januar 2012 hat Betz ausgeführt, dass mit der Schonung des Gläubigervermögens letztlich ein Konkurs Griechenlands verunmöglicht würde. Erst dieser aber, so schrieb mir Betz zu diesem Beitrag, würde eine Bereinigung ermöglichen. Faktisch fand bisher nur eine Umschuldung von privaten Gläubigern an staatliche statt.

Vertreter eines moderaten Hellenismus mit Haircut und Asset Levy: Autor Alexander Dill

Da angesichts sinkender Steuereinnahmen und steigender Zinszahlungen die Haushaltsdefizite der Athener Regierung logischerweise nicht sinken, wäre ein Schuldenwachstum von 15 Milliarden Euro pro Jahr seit 2006 durchaus erklärbar. Damit sollten die Staatsschulden 2012 bei 274 Milliarden Euro liegen.

Wie aber konnte die Schuldenlast von 2009 auf 2010 gleich um 120 Milliarden Euro, 60 Prozent des Bruttosozialproduktes steigen? Hier ist möglicherweise höhere Zins- und Zinseszinsrechnung gefragt. Im April 2010 setzte der Zinsssprung ein, der von 6,42 Prozent im März 2010 bis zu 27,82 Prozent im Juni 2012 zu beobachten ist.

Ein Haushaltsdefizit von über 50 Prozent des BIP gibt es nicht. Aber ein von 4% auf 20% Zins umgeschuldeter, zehnjähriger Kredit sprengt jeden Haushalt. Und ein Gläubiger, der großzügig auf 50 Prozent der geplanten Zinseinnahmen verzichtet, also "nur noch" 10 Prozent Zins erwartet, erhält dabei einen hundertprozentigen Aufschlag auf die ausgereichte Darlehenssumme. Soll er diesen zurückweisen, weil der Bürge EU und Deutschland heißt?

Wir hoffen, bald das Rätsel der griechischen Staatsschulden lösen zu können. Zumindest eine Quelle haben wir bereits: Stefan Homburg, sinnigerweise Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen an der Leibniz Universität Hannover, bekannte im Spiegel freimütig:

In den letzten Tagen habe ich selbst einen namhaften Betrag in griechische Anleihen gesteckt. Sie laufen noch ein Jahr und bringen im Erfolgsfall 25 Prozent Rendite. Damit schlafe ich wunderbar, weil ich an die grenzenlose Dummheit der Bundesregierung glaube. Sie wird zahlen.