Sloterdijks Idee der "helfenden Hand" findet Einlass in die Politik

Die Diskussion um Spenden, die dem Piraten Johannes Ponader ein Auskommen ermöglichen sollen, hat gerade erst begonnen. Das ist zu begrüßen, denn die Spendenidee ist letztendlich unausgegoren und kontraproduktiv, wenn es um politische Arbeit geht.

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Johannes Ponader, der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, hat mit dem Problem zu kämpfen, mit dem viele Künstler kämpfen müssen. Der Regisseur, Schauspieler und Autor hat nicht zu jeder Zeit Engagements oder Aufträge. Daher ergeben sich des Öfteren Zeiten, in denen er auf Transferleistungen angewiesen ist. Seit er im Gespräch mit Günther Jauch diese Tatsache auch einer breiten Öffentlichkeit mitteilte, ist die Debatte darum, wer wieso Transferleistungen bezieht, neu entfacht worden. Und Johannes Ponader stand im Mittelpunkt einer personalisierten Debatte, die damit endete, dass er ankündigte, von nun an auf Transferleistungen verzichten zu wollen. Er begründete dies mit dem Verhalten der Bundesagentur für Arbeit nach seinem Interview bei Günther Jauch und teilte mit, dass er in Kürze genug Einkommen haben würde, um von solchen Zahlungen unabhängig zu sein. Ferner würden ihn übergangsweise Freunde unterstützen.

Seitdem macht der politische Geschäftsführer Nägel mit Köpfen und finanziert sich neben seinen diversen beruflichen Tätigkeiten durch Spenden von Privatleuten. Hierbei ging er jedoch eher ungeschickt vor, sodass es sich lohnt, die Kritikpunkte, die an der Spendenaktion geäußert wurden, noch einmal gesondert und detailliert zu betrachten.

Existenzsicherung und Bedingungsloses Grundeinkommen

Die Initiatoren der Spendenaktion für Johannes Ponader schreiben in ihrem Aufruf nichts von einem Bedingungslosen Grundeinkommen, doch sie nutzen den Begriff Existenzsicherung. Die Seite, auf der die Spendenaktion zu finden ist, läuft unter dem Titel "Grundeinkommen". Der Begriff Existenzsicherung ist allerdings irreführend bzw. unvollständig, da es nicht darum geht, Johannes Ponaders Existenz zu sichern, sondern ihm seine Tätigkeit als politischer Geschäftsführer zu ermöglichen. Dies ist durchaus getrennt zu betrachten - denn die Initiatoren sagen deutlich:

Die Aktion wird fortgesetzt, solange Johannes Ponader sein Amt als politischer Geschäftsführer der Piratenpartei innehat.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Existenzsicherung des Johannes Ponader schlichtweg nur solange getragen werden soll, wie er von Nutzen für die Partei ist. Nicht die Existenz der Person an sich steht dabei im Mittelpunkt, sondern seine Leistung - weshalb der Begriff "Existenzsicherung" irreführend wirkt. Es handelt sich vielmehr um eine Art Gehalt, welche jedoch nicht von der Partei, sondern von verschiedenen Einzelpersonen getragen wird.

Doch auch der Begriff "Gehalt" trifft hier nur bedingt zu, da ja keinerlei rechtliche Verpflichtung besteht, die Mittel so lange aufzubringen, wie Johannes Ponader seinen Posten besetzt. Das Geld, welches Johannes Ponader derzeit durch die Spendenaktion erhält, ist weder vertraglich geregelt, noch ist damit zu rechnen, dass es regelmäßig erbracht wird. Johannes Ponader ist somit eher in der Position eines Menschen, der zwar einer geregelten Tätigkeit nachgeht, hierfür jedoch nach Gusto bezahlt wird.

Eine solche Regelung folgt im Endeffekt der Idee, die Peter Sloterdijk in seinem Essay Die Revolution der gebenden Hand entwarf. Keine zwangsweise verordnete Zahlung soll mehr im Mittelpunkt stehen, vielmehr wird auf Freiwilligkeit gesetzt, auf die Gelder der gebenden/helfenden Hand, die unterstützt, was ihr unterstützenswert erscheint.

Sowohl Sloterdijk wie auch die Befürworter der Spendenaktion lassen dabei jedoch außer Acht, dass eine solche Spendenkultur für denjenigen, der (temporär) von ihr profitiert, nicht nur (versteckte) Abhängigkeiten bedeutet, sondern ihn auch (ohne jeglichen Rechtsanspruch auf Leistungen) der Willkür der Zahlenden aussetzt. Anders als bei einem vertraglich festgelegten Gehalt oder Transferleistungen hat derjenige, der auf Spenden angewiesen ist, keine Möglichkeit, seine finanzielle Absicherung einzuklagen und somit langfristig planen zu können.

Korruption und Abhängigkeit

Die Kritik der beiden jungen Piraten Florian Zumkeller-Quast und Paul Meyer-Dunker am Fall Ponader geht auch auf den Punkt der Abhängigkeiten ein, ohne dafür das Wort Korruption bzw. Korrumpierbarkeit zu erwähnen. Das ist lobenswert, da der Begriff Korruption zwar mit Abhängigkeiten verknüpft ist, jedoch den Blick zu sehr auf Klischees wie schwarze Koffer oder zweckgebundene Großspenden, Einladungen usw. lenkt.

Korruption bezeichnet nach deutschem Recht Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung - allesamt Straftatbestände laut Strafgesetzbuch. Korruption ist in diesem Sinne illegal und daher wäre es unfair und verleumderisch, Johannes Ponader Korruption vorzuwerfen. Hierbei ist aber zu ergänzen, dass Korruption nicht immer aus den obigen Klischees besteht und deutlich zu Geschenken/Spenden abzugrenzen ist. Ein Beispiel dafür, dass selbst Geschenke (z. B. von Unternehmen an Mandatsträger) einen Korruptionsverdacht entstehen lassen können, wurde erst vor einem Jahr thematisiert. Dabei ging es um Einladungen zu Kultur- und Sportveranstaltungen durch Unternehmen. Hier zeigte sich bereits, wie schmal der Grat zwischen Geschenken, Begünstigung und Korruption ist - bzw. wie leicht ein solcher Verdacht entsteht.

Was aber die beiden Jungpiraten anmerken, ist eine (schleichende) Abhängigkeit, wenn die eigene Existenz nur durch mehr oder minder bekannte Personen gewährleistet ist:

Außerdem steht zu befürchten, dass Johannes sich durch die Spenden an seine Person nicht mehr so frei äußern kann, wie wir es von einem politischen Geschäftsführer erwarten, oder es zumindest vermeidet, innerparteilich allzu stark anzuecken.

Dieses Verhalten ist oftmals eine Art stillschweigender Pakt - und er kann (muss jedoch nicht) eingehalten werden. Ein Beispiel dafür, wie oft seitens der Spender bestimmte Verhaltensweisen des Beschenkten vorausgesetzt werden, wäre eine Spende an einen Obdachlosen, der jedoch diese Spende für Alkohol verwendet. Nicht selten sehen die Spender dies als Affront an, da sie für sich beurteilen, welcher Verwendungszweck sinnvoll wäre und der Alkohol von ihnen als sinnlos angesehen wird, weshalb sie das Verhalten des Beschenkten als undankbar einstufen.

Ob nun Spender/Gebende seitens Johannes Ponader (un)bewusst irgendwelche Erwartungen hegen, ist unbekannt. Klar ist jedoch, dass Johannes Ponader aufgrund der freiwilligen Natur der Spenden jederzeit damit rechnen muss, dass die Zahlungen ausbleiben und er wieder von seinen selbständigen Tätigkeiten leben muss. Dies muss nicht zwangsläufig eine Entwicklung, wie sie die beiden Jungpiraten skizzieren, mit sich bringen - die Gefahr diesbezüglich besteht jedoch. Aus diesem Grund wird die Spendenkultur, die z. B. Sloterdijk so positiv darstellt, vielerorts auch negativ gesehen. Stattdessen wird auf rechtlich einklagbare Leistungen und Hilfe zur Selbsthilfe gesetzt.