Im Syrienkonflikt werden viele Strippen gezogen

Während die Kämpfe im Land weitergehen, versuchen andere Staaten wie Iran, Ägypten, die Türkei oder die USA ihre Interessen zu sichern

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Die Gewalt in Syrien eskaliert. Bei der vom syrischen Regime verkündeten Eroberung von Daraja, einem Vorort von Damaskus, in dem sich Rebellen verschanzt hatten, soll es nach Berichten der Opposition erneut zu einem Massaker durch Regierungstruppen gekommen sein. Mehr als 300 Menschen, darunter auch Zivilisten, seien getötet, viele nach Hausdurchsuchungen exekutiert worden. Das Regime weist alle Schuld den Rebellen zu. Welche Darstellung zutrifft, lässt sich nicht nachprüfen, da es keine unbeteiligten Zeugen vor Ort gibt. In Damaskus und anderen Städten gehen die Kämpfe weiter. Einer iranischen Delegation sagte Assad am Sonntag, das syrische Volk werde den von einer "ausländischen Verschwörung" geplanten Umsturz, der sich nicht nur gegen Syrien, sondern gegen die gesamte Region richtet, nicht dulden.

Die iranische Regierung hat zu einem Gipfeltreffen der blockfreien Staaten nach Teheran geladen, um einen "Friedensplan" für Syrien vorzulegen und zu demonstrieren, dass es als Unterstützer des syrischen Regimes nicht isoliert ist. Selbst UN-Generalsekretär Ban Ki-moon will an dem Treffen teilnehmen. Angeblich will Iran für einen Waffenstillstand sorgen, um Verhandlungen zwischen Opposition und Regimevertreter zu ermöglichen, und lädt Oppositionsgruppen zu Gesprächen nach Teheran ein. Iran hat für drei Jahre den Vorsitz der Organisation übernommen, die staatlichen Medien als "anti-imperialistisch" bezeichnen.

Nachdem Vertreter von über hundert Staaten erschienen sind, nutzte der stellvertretende Außenminister Hossein Amir-Abdollahian erwartungsgemäß den Erfolg, indem er erklärte, der von den USA und anderen westlichen Staaten ausgehende Druck und die Sanktionen hätten keine Wirkung gezeigt. Trotz der Unterstützung der Rebellen durch die "US-zionistische Regimeachse" sei die syrische Regierung nicht geschwächt worden. Iran versichert auch, den Staaten beim Erwerb der Technik zur friedlichen Nutzung der Atomenergie behilflich sein zu wollen.

Mit außergewöhnlichen hohen Maßnahmen wird das Treffen gesichert. 110.000 Sicherheitskräfte sollen die Hauptstadt überwachen, dazu kommen Hubschrauber und allgegenwärtige Straßenkontrollen, hatte der Polizeichef erklärt. Der Geheimdienstminister Heydar Moslehi versprach "absolute Sicherheit" und verwies auf die "feindlichen Absichten unserer Feinde". Der Iran will aber wohl vor allem jeden Protest verhindern und für Ruhe sorgen, schließlich hatte die iranische Führung vor drei Jahren erst vor dem Beginn des "Arabischen Frühlings" eine breite Protestbewegung brutal zerschlagen, um sich dann zynisch zum Vorreiter des Arabischen Frühlings zu erklären. Eine andere Initiative geht vom ägyptischen Präsidenten Mohamed Morsi aus, der auch das Treffen in Teheran besuchen wird. Er schlägt Gespräche zwischen den vom Syrien-Konflikt betroffenen Regionalstaaten vor, wozu neben Saudi-Arabien und der Türkei auch der Iran eingeladen werden sollte. Um für seine Initiative nach dem Scheitern der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga zu werben, will er auch Gespräche mit der chinesischen und russischen Regierung führen, die das syrische Regime noch stützen. Morsi, der schon einmal den Rücktritt von Assad gefordert hat, will damit für sich und Ägypten eine wichtige Rolle im Nahen Osten sichern und den Einfluss der USA auf den Konflikt in Syrien reduzieren.

Die Türkei freilich verfolgt eigene regionalpolitische Ziele und will die Entwicklungen in Syrien kontrollieren, auch wenn die kurdischen Gebiete bereits einen eigenen Weg gehen und sich dort die PKK ansiedelt. Mit Nachdruck arbeitet die türkische Regierung an der Durchsetzung einer Flugverbotszone zum Schutz der Bevölkerung (und der Rebellen), zumal das syrische Regime immer stärker zu Luftangriffen tendiert und die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien weiter anschwillt. Die türkische Regierung hatte schon einmal angekündigt, dass ab einer Schwelle von 100.000 Flüchtlinge die nationale Sicherheit bedroht und man dann zum Handeln. Jetzt befinden sich etwa 80.000 Flüchtlinge in der Türkei, also bringt die Regierung das Thema erneut ins Spiel.

Eine Flugverbotszone sei auch schon bei der ersten Sitzung der gemeinsamen Operationsgruppe zwischen der türkischen und der US-amerikanischen Regierung während der letzten Woche diskutiert worden. Auch mit dem französischen Außenminister Fabius habe man darüber gesprochen. Offenbar mit Wirkung. So hatte Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am letzten Freitag angekündigt, dass die Einrichtung einer Flugverbotszone zwischen der türkischen Grenze und Aleppo geprüft werden müsste. Im Sicherheitsrat durchsetzen lassen würde sich eine Flugverbotszone auch jetzt nicht. Türkische Regierungsquellen verweisen darauf, dass auch 1991 ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrats von den USA, Frankreich und Großbritannien über Teilen des Iraks eine Flugverbotszone eingerichtet worden war. Auch militärisch wäre sie vermutlich weitaus riskanter als etwa in Libyen, da das syrische Militär mit neuen russischen Luftabwehrsystemen ausgestattet ist.

Nach einem Bericht des britischen Telegraph sollen unter der Aufsicht des amerikanischen und britischen Außenministeriums syrische Rebellen in Istanbul geschult und mit Satellitentelefonen und Computern ausgestattet werden, um so eine Verbindung zwischen den Rebellen und der Außenwelt herstellen, Gewalttaten dokumentieren und auch im Land eine mediale Gegenöffentlichkeit aufzubauen. Man will nach einem britischen Ausbilder die Opposition stärken und Köpfe aufbauen, die politische Führung übernehmen können. Sichergestellt werden soll dadurch auch, dass man nicht al-Qaida hilft.