Studie deckt versteckte Kosten von Kohle- und Atomstrom auf

Grafik Greenpeace Energy/Bundesverband Windenergie

Erneuerbare Energien sind nach der Studie von Greenpeace und dem Bundesverband Windenergie schon heute billiger als die klassischen Energieträger

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Nur mit billigem Atom- und Kohlestrom bleibt Deutschland wettbewerbsfähig. Auch nach Angela Merkels großer Energiewende ist das eine oft gehörte Behauptung von wirtschaftsnahen Politikern und Industrievertretern. Zweifel an der angeblichen Kostentreiberei durch Wind- und Solarstrom sind jedoch angebracht. Wenn Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka Strompreissteigerungen um bis zu 30 Prozent bis 2020 ankündigt und dies zu einem guten Teil auf die Energiewende schiebt, erwähnt er dabei nicht, dass die Verbraucher letztlich auch die Kosten für jene Großunternehmen subventionieren, die Schwarz-Gelb von der Mitfinanzierung weitgehend befreit hat. Ebenfalls fehlen die Subventionen, aber auch die Folgeschäden, die Kohle und Kernkraft mit sich bringen.

Diesen Kostenfaktoren hat sich eine Studie von Greenpeace Energy und dem Bundesverband Windenergie angenommen. Sie kommt zu dem Schluss: Die konventionellen Energieträger seien mit viel höheren Folgekosten für Steuerzahler und Gesellschaft verbunden als die Erneuerbaren.

Um die wahren Stromkosten der verschiedenen Energieträger miteinander vergleichen zu können, haben die Autoren zunächst die gesamten staatlichen Förderungen ermittelt, die zwischen 1970 und 2012 geleistet wurden. Die Studie geht dabei von einem sehr weiten Subventionsbegriff aus. Nicht nur direkte Finanzhilfen und Steuervergünstigungen, sondern auch der Förderwert des Emissionshandels, Atomrückstellungen und das Erneuerbare-Energien-Gesetz sind in die Betrachtungen mit eingeflossen.

Unangefochtener Spitzenreiter bei der staatlichen Förderung ist demnach die Steinkohle, die Vergünstigungen in Höhe von 311 Milliarden Euro erhalten hat, davon knapp 200 Milliarden allein als direkte Finanzhilfen. Die Atomkraft kommt auf 213 Milliarden Euro an staatlicher Förderung, die Braunkohle hat 87 Milliarden erhalten, wobei hier Steuervergünstigungen den Löwenanteil ausmachen. Mit 67 Milliarden Euro haben die Erneuerbaren bislang die geringste Förderung erhalten, was auch auf den bislang noch recht kurzen Förderzeitraum zurückzuführen ist, wie die Studie erklärt. Jedoch werde die EEG-Förderung transparent im Strompreis ausgewiesen, was bei den staatlichen Förderungen für Kohle und Atom nicht der Fall sei. Deshalb entstehe der Eindruck, dass die Erneuerbaren aufgrund der EEG-Vergütungen der Preistreiber der Stromversorgung seien, während konventionelle Energieträger eine bezahlbare Energieversorgung sicherstellen würden.

Wirklich vergleichbar sind diese Zahlen jedoch erst dann, wenn die Fördersummen auf die erzeugten Strommengen umgerechnet werden. Hier ergibt sich, gemessen am Zeitraum von 1970-2012, eine staatliche Förderung von 3,4 Cent pro Kilowattstunde für die Erneuerbaren. Die Braunkohle erhielt im gleichen Zeitraum 1,3 Cent, die Steinkohle 3,3. Am höchsten ist der angeblich so billige Atomstrom subventioniert, nämlich mit 4 Cent. Die geringste Förderung gibt es für Erdgas - nur 0,3 Cent.

Wird die Förderung pro Jahr betrachtet, so stellen die Autoren der Studie fest, dass die Erneuerbaren im Jahr 2007 erstmals eine höhere Subvention pro Kilowattstunde erhielten als Strom aus Steinkohle. 2010 lag die Subvention der Erneuerbaren bei 7,6 Cent und damit erstmals höher als die Subvention für Atomstrom. Jedoch könne dies nicht als Beleg für die hohen Kosten des grünen Stroms gelten, da die konventionellen Energien bereits über einen längeren Zeitraum durch staatliche Subventionen bezahlbar gemacht worden seien und zudem derzeit ein zügiger Ausbau der Erneuerbaren angestrebt wird.

Grafik Greenpeace Energy/Bundesverband Windenergie

Zudem verweist die Studie darauf, dass der Atomstrom im Jahr 1970 sogar mit 70,2 Cent pro Kilowattstunde subventioniert war. Die Subventionen von 7,3 Cent, die die Erneuerbaren im Jahr 2012 erhalten werden, nehmen sich dagegen doch recht bescheiden aus. Zudem verursachten Kohle und Atomenergie hohe und derzeit kaum bezifferbare Folgekosten, da ein Endlager für radioaktive Abfälle eine Million Jahre lang betrieben werden müsse und die Grubenwasserhaltung in den Steinkohlebergbaugebieten Ewigkeitskosten verursache. Somit müssten diese Energieformen wahrscheinlich auch dann noch finanziert werden, wenn sie keinen Beitrag zur Stromversorgung mehr leisten können.

Bei den externen Kosten der einzelnen Energieträger, die zu den verschiedenen Subventionen noch hinzu kommen, arbeitet die Studie mit aktuellen Zahlen des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI. Demnach kommen für Strom aus Steinkohle 8,9 Cent, für Braunkohle 10,7 Cent und für Erdgas 4,9 Cent je Kilowattstunde hinzu. Die externen Kosten der Erneuerbaren Energien liegen durchweg niedriger. Windstrom kostet 0,3 Cent, Wasser 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Die höchsten externen Kosten im Bereich der Erneuerbaren hat die Photovoltaik, sie liegen bei 1,2 Cent.

Schwer zu beziffern sind hingegen die externen Kosten der Atomenergie, für die es weder beim ISI noch beim Umweltbundesamt Angaben gebe. Die verfügbaren Schätzungen schwanken extrem zwischen 0,1 Cent und 320 Cent pro Kilowattstunde. Die Greenpeace-Studie selbst geht von externen Kosten zwischen 10,7 und 34 Cent je Kilowattstunde aus.

Gesamtgesellschaftliche Kosten der Stromerzeugung sind bei den Erneuerbaren niedriger als bei klassischen Energieträgern

Insgesamt haben Greenpeace Energy und der BWE errechnet, dass die gesamtgesellschaftlichen Kosten der Stromerzeugung schon heute bei den Erneuerbaren niedriger liegen als bei den klassischen Energieträgern. So liegt die Summe aller Kosten, also der Stromverkaufswert an der Börse beziehungsweise die EEG-Vergütung zuzüglich der staatlichen Förderung und der nicht internalisierten externen Kosten für den preiswertesten konventionellen Energieträger, für die Steinkohle bei 14,8 Cent, für die Braunkohle bei 15,6 Cent und für die Atomenergie bei 16,4 Cent - wobei die Kosten der Kernkraft auf bis zu 42,2 Cent steigen können, wenn externe Kosten von 34,4 Cent angenommen werden.

Der preiswerteste klassischer Energieträger ist der Studie zufolge Erdgas mit Gesamtkosten von 9 Cent - es ist zugleich der konventionelle Energieträger, der sich am flexibelsten regeln lässt und damit am besten zu der stärker schwankenden Einspeisung der Erneuerbaren passt. Windenergie kommt auf Gesamtkosten von 8,1 Cent, Wasserkraft auf 7,6 Cent. Vergleichsweise teuer ist hingegen die Photovoltaik mit 36,7 Cent je Kilowattstunde. Die hohen Kosten des Solarstroms müssten jedoch im Vergleich zur Markteinführungsphase der Atomenergie gesehen werden, fordern die Autoren der Studie. Zudem habe die Photovoltaik ein hohes Potential für künftige Kostensenkungen. Die Studie hat die durchschnittliche Vergütung nach dem EEG von 36,5 Cent zur Kostenberechnung herangezogen. Ab Oktober lägen die Vergütungssätze für neu installierte Anlagen jedoch zwischen 12,6 und 18,2 Cent.

Würden konsequent alle Umwelt- und Klimabelastungen auf den Strompreis umgelegt, so würde das für den Endverbraucher einen deutlichen Zuschlag auf der Stromrechnung bedeuten, so das Fazit der Studie. Allein in diesem Jahr betragen die nicht internalisierten externen Kosten rund 40 Milliarden Euro. Für die Stromkunden hieße das: von durchschnittlich 26 Cent würden die Stromkosten auf 37 Cent je Kilowattstunde steigen. Somit sei die EEG-Umlage mit 3,59 Cent unterm Strich die deutlich günstigere Kostenbelastung, denn sie helfe, Stromträger mit viel höheren Folgekosten für Steuerzahler und Gesellschaft zu ersetzen.