Wie mischt die CIA im mexikanischen Drogenkrieg mit?

Ein seltsamer Überfall auf ein Fahrzeug der US-Botschaft bringt auch die mexikanische Polizei in Verdacht

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Gegen zwölf mexikanische Bundespolizisten, die am vergangenen Freitag ein Fahrzeug der US-Botschaft verfolgt und beschossen hatten, ist eine 40-tägige Untersuchungshaft verhängt worden. Ihnen wird unter anderem Amtsmissbrauch sowie versuchter Mord vorgeworfen. Unter Protesten von Familienangehörigen wurden die Polizisten in eine Haftanstalt in Mexiko-Stadt verlegt.

Die Ermittler gehen mittlerweile davon aus, dass eine direkte Beteiligung durch das organisierte Verbrechen vorliegt. Zunächst hatte die Chefin der Generalstaatsanwaltschaft (PGR), Marisela Morales Ibáñez, noch erklärt, es gebe keine Hinweise auf Verbindungen zu den Drogenkartellen, man ermittle in alle Richtungen und arbeite dabei eng sowohl mit mexikanischen als auch US-amerikanischen Behörden zusammen.

Das Fahrzeug der US-Botschaft, ein Toyota Minivan mit Diplomatenkennzeichen, mit zwei US-Agenten an Bord und gesteuert von einem mexikanischen Marinesoldat war nach übereinstimmenden Presseberichten am Freitagmorgen vergangener Woche auf dem Weg zu einem Trainingsgelände der mexikanischen Marine in Xalatlaco. Dort wollten die US-Amerikaner demnach an einer Schießübung teilnehmen. Gegen 8 Uhr, in der Nähe von Tres Marías im Bundesstaat Morelos, auf einem Feldweg vier Kilometer von der Fernstraße Mexiko-Stadt-Cuernavaca entfernt, wurde das Diplomatenauto von einem anderen Fahrzeug eingeholt, dessen Insassen, allesamt Zivilisten, mit Waffen im Anschlag es zum Anhalten zwangen.

Zwei der Insassen stiegen aus und kamen mit angelegten Waffen auf den Toyota zu. Der Fahrer des Diplomatenfahrzeugs setzte daraufhin zurück, wendete abrupt und versuchte sich aus dem Staub zu machen. In diesem Moment fielen die ersten Schüsse und eine wilde Verfolgungsjagd querfeldein begann. Insgesamt vier weitere Fahrzeuge nahmen ebenfalls die Verfolgung auf. Auch aus ihnen wurde geschossen. Zurück auf der Bundesstraße blieb der Toyota dann aufgrund der Einschüsse liegen, wurde aber weiter beschossen, unter anderem mit einem AK-47-Maschinengewehr. Dabei wurden die beiden US-Amerikaner verletzt. In dem Moment tauchten drei Wagen der Bundespolizei auf und die Schüsse ebbten ab. Aber die Waffen blieben weiter auf den zerschossenen Toyota gerichtet; auch die Bundespolizisten hielten ihre Waffen zunächst im Anschlag. Als die Agenten sich als US-Amerikaner auswiesen, riefen die dazugekommenen Bundespolizisten den "Zivilisten" etwas zu, woraufhin diese ihre Waffen senkten.

Die beiden US-Amerikaner wurden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen, die ironischerweise von der Bundespolizei organisiert wurden, in ein Krankenhaus verlegt. Sie hatten keine lebensgefährlichen Verletzungen davon getragen und auch der Fahrer wurde nur leicht verletzt. Dass es keine Toten gegeben hat, lag vor allem an der starken Panzerung des Diplomatenfahrzeuges, der höchsten Sicherheitsstufe entsprechend.

Hinterhalt oder Verwechslung?

Doch auch einige Tage nach dem Vorfall sind noch viele Fragen ungeklärt. So gibt es bisher unterschiedliche, sich zum Teil widersprechende Versionen zum Tathergang. Zudem kommen immer neue Details ans Licht. So sollen an der Verfolgung und Schießerei achtzehn und nicht nur die bisher zwölf inhaftierten Polizisten in zivil beteiligt gewesen sein. Bei den beiden US-Agenten, die in dem beschossenen Auto saßen, handelt es sich nach neuesten Informationen um CIA-Mitarbeiter und nicht, wie zunächst angenommen, um Agenten der Antidrogenbehörde DEA. Auch dementierte die mexikanische Marine Berichte, wonach ein Marinesoldat das Auto gefahren hätte. Vielmehr hätte einer der US-Agenten das Fahrzeug gesteuert. Der Soldat sei als Verbindungsmann und Übersetzer an Bord gewesen. Er habe während des Angriffs per Mobiltelefon Hilfe angefordert.

Die US-Botschaft sprach in einer Erklärung von einem "Hinterhalt", die mexikanische Bundespolizei von einer "Verwechslung". In einer ersten Vernehmung durch die Generalstaatsanwaltschaft hätten die Polizisten ausgesagt, dass die Schüsse auf das Diplomatenauto Ergebnis einer "Konfusion" gewesen seien. Die Bundespolizei in Morelos hätte Informationen erhalten, nach denen ein Unternehmer entführt worden sei und ein Fahrzeug mit denselben Charakteristika von den mutmaßlichen Entführern benutzt würde, um ihr Opfer zu transportieren. Auch hätte das Auto einen Stoppbefehl missachtet.

"Es gibt keinen Hinterhalt, sie haben einfach ihre Pflicht erfüllt, sie haben Versucht, ein Auto anzuhalten, dem die Personen darin offenbar nicht nachgekommen sind, und soweit wir wissen, waren andere Fahrzeuge beteiligt, die nicht zur Bundespolizei gehören", erklärte der Anwalt der Polizisten, Ricardo Monterroso Cisneros.

Nach fünf Tagen meldete sich dann auch Mexikos Präsident Felipe Calderón zu Wort. Gegenüber US-Botschafter Anthony Wayne bedauerte er den Vorfall "zutiefst" und versprach eine gründliche Aufklärung. "Wir können nicht zulassen, dass solche Ereignisse passieren, egal ob aus Fahrlässigkeit, mangelnder Ausbildung, fehlendem Vertrauen oder Mittäterschaft, wir können solche Taten einfach nicht erlauben und werden sie konsequent und mit aller Strenge untersuchen."

Dabei sind Gesetzesübertretungen und Fälle von Amtsmissbrauch durch die Bundespolizei seit Calderóns Drogenkrieg fast schon an der Tagesordnung, wie Francisco Sandoval Alarcón in dem Polit-Blog Animal Politico schreibt. Allein im vergangenen Jahr gab es laut Nationaler Menschenrechtskommission (CNDH) 767 Beschwerden gegen die Bundespolizei, vor allem wegen Veränderungen am Tatort, illegaler Hausdurchsuchungen, willkürlicher Verhaftungen, erniedrigender und unmenschlicher Behandlung von Verdächtigen, willkürlicher Polizeigewalt usw. Die Anzahl der Beschwerden - im Schnitt zwei pro Tag - wird nur von der Armee und der Staatsanwaltschaft übertroffen.

Wie weit geht die Einmischung der USA?

Der Fall von Tres María wirft darüber hinaus ein bezeichnendes Licht auf die (fehlende) Koordination im Antidrogenkampf, bei dem sich Armee, Polizei und Staatsanwaltschaft oft gegenseitig bekriegen. Er rückt aber auch wieder einmal die Einmischung der USA in Mexiko in den Fokus. Es ist nicht der erste Fall, dass US-Agenten zum Ziel von Angriffen werden.

Im Februar 2011 war der Beamte der US-amerikanische Zollbehörde ICE, Jaime Zapata, von Mitgliedern des Los Zetas-Kartells im Bundesstaat San Luis Potosí erschossen worden. Sein Kollege Victor Avila wurde bei dem Angriff verwundet. Über die Ausmaße der US-Beteiligung am mexikanischen Drogenkrieg aber gibt es bisher nur Mutmaßungen. Gerade in Mexiko ein sehr sensibles Thema. Dort wird die direkte Einmischung der USA in innere Angelegenheiten Mexikos seither äußerst kritisch gesehen. Und die USA achten in der Regel peinlichst genau darauf, keineswegs diesen Eindruck zu erwecken.

Mit der Eskalation des Drogenkrieges in Mexiko wächst aber die Besorgnis der USA vor einem Sicherheitsproblem an ihrer Südgrenze. Die Verschärfung der Gesetze zu illegaler Immigration in den südlichen Bundesstaaten wie Arizona, immer neue Grenzbefestigungen und die Aufstockung der Grenzpatrouillen sind Ausdruck dessen. Mit der an den "Plan Colombia" angelehnten Kooperationsvereinbarung "Mérida-Initiative" fließt zudem US-amerikanische Militärhilfe in Milliardenhöhe ins Nachbarland. In dem Kontrakt geht es neben der finanziellen Unterstützung für den Anti-Drogen-Kampf um Waffenlieferungen, den Ausbau von Telekommunikations- und Luftüberwachung sowie Maßnahmen gegen Korruption und zum Ausbau des Justizsystems. Eine direkte Präsenz US-amerikanischer Militärs sieht die Initiative nicht vor. Das wäre der mexikanischen Öffentlichkeit wohl nicht zuzumuten.

Aber es ist ein doppelbödiges Spiel, das die USA da betreiben. Auf der einen Seit die Hilfe für Calderóns Feldzug gegen die Drogenkartelle, auf der anderen die (wenn auch nicht immer freiwillige) Komplizenschaft mit denselben. So die aufgedeckte ATF-Operation "Fast and Furious", bei der mehreren Waffenläden in Phoenix, Arizona, erlaubt wurde, illegal rund 2000 halbautomatische Waffen zu verkaufen, um deren Route zu verfolgen. Doch die Operation lief gründlich schief und ein Großteil dieser "observierten" Waffen tauchte später bei Verbrechen in Mexiko wieder auf.

Statistiken zeigen, dass zwei Drittel aller in Mexiko bei Drogenbanden sichergestellten Waffen aus den USA stammen. Ein anderes Beispiel ist das von der New York Times enthüllte Schema, nach dem DEA-Agenten Millionen von US-Dollars zu waschen geholfen haben, um herauszufinden wie die kriminellen Organisationen das Geld bewegen. Hinzu kommen unbemannte US-Flugzeuge über mexikanischem Territorium zum Ausspionieren der Drogenschmuggelrouten. Die Anzeichen direkter politischer, nachrichtendienstlicher und polizeilich-militärischer Einmischung der USA werden immer evidenter.

Der frühere Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, forderte von der Regierung Calderón Auskunft darüber, was die in Tres Marías beschossenen CIA-Agenten im Land gemacht hätten und ob es ein Abkommen mit den USA gebe, nach dem der US-Geheimdienst in Mexiko operativ tätig sein darf. "Waren sie in zivil, oder waren sie uniformiert, und warum hat das Fahrzeug nicht angehalten. Eine Menge Fragen", so Ebrard in Anspielung auf die immer noch widersprüchlichen Versionen zum Tathergang. "Das Logischste und Vernünftigste wäre, dass einhundertprozentig darüber informiert wird, was passiert ist und was nicht."