Marokko: Essverbot und Staatstrojanerverdacht

Ein junger Mann aus Rabat wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er während des Ramadan in der Öffentlichkeit Speisen zu sich nahm

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Am 19. August endete der nach dem Mondkalender berechnete moslemische Fastenmonat Ramadan, während dem Moslems angehalten sind, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder feste noch flüssige Nahrung zu sich zu nehmen. Einige islamische Länder haben einen Verstoß gegen diese Fastenordnung mit weltlichen Strafen belegt. Darunter befindet sich auch das nordafrikanische Königreich Marokko.

Dort sieht der Artikel 222 des Strafgesetzbuches vor, dass öffentliches Essen während der Ramadanzeit mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft wird. Ausnahmen gelten für Kranke, Kinder, Schwangere und Nichtmoslems, die sich das Land als Touristen erhalten will. Letzte Woche verurteilte ein Gericht in Rabat unter Rückgriff auf diese Vorschrift einen jungen Mann zu einem dreimonatigen Gefängnisaufenthalt, weil in der marokkanischen Hauptstadt während der Verbotszeit öffentlich gegessen hatte. Der Mann hatte seine Festnahme allerdings bewusst provoziert, weil er als Angehöriger einer Gruppe, die für mehr individuelle Freiheit eintritt, international auf die Lage in seiner Heimat aufmerksam machen wollte.

Altstadt von Rabat. Foto: Pline. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Die marokkanischen Sicherheitskräfte stehen im Verdacht, gegen solche Bürgerrechtsgruppen mit rechtsstaatlich unzulässigen Mitteln vorzugehen: Als beispielsweise die regierungskritische Website Mamfakinch.com im Juli einen von Google und Global Voices gestifteten Preis für die Förderung der Redefreiheit bekam, da landete kurz darauf eine merkwürdige Email im Posteingang der Mitarbeiter des Bürgermedienprojekts.

Sie war in Französisch verfasst - der Sprache der intellektuellen Elite des arabischen Landes- und trug den Betreff "Dénonciation" (Anzeige). Im Text der Mail bat der Verfasser darum, dass man weder seinen Namen, noch irgendetwas anderes erwähnen solle, weil er keine Probleme wolle. Sonst enthielt die Mail lediglich einen Link auf etwas, das für den Betrachter aussah wie ein Word-Dokument mit dem Namen "scandale (2).doc".

Mehrere Mitarbeiter der Website klickten auf den Link - und mussten in den kommenden Wochen feststellen, dass sich ihre Rechner mehrwürdig verhielten. Daraufhin wandte sich Mamfakinch-Mitgründer Hisham Almiraat an unabhängige Computersicherheitsexperten, die feststellten, dass sich durch scandale (2).doc ein ausgefuchster Mehrstufentrojaner installierte, der erst das Betriebssystem des Anwenders überprüfte und dann - je nach Bedarf - Software für ein Apple- oder ein Windows-Betriebssystem nachlud, die Skype-Gespräche aufzeichnen, Screenshots anfertigen, Emails abgreifen und sogar heimlich das Mikrofon und die Webcam des Rechners aktivieren konnte.

Anhand von Referenzen im Code schöpften die Spezialisten, die die Malware untersuchten, den Verdacht, dass sie von einer europäischen Firma stammen könnte, die Spyware mit solchen Fähigkeiten an Regierungen und Sicherheitsbehörden verkauft. Ein Mitgründer dieser Firma, die Presseanfragen zum Fall Mamfakinch unbeantwortet lässt, rühmte sich im letzten Jahr öffentlich, Programme seines Unternehmens würden in 30 Ländern und auf allen Kontinenten eingesetzt.

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