"Uns gehört dieses Land"

Den Republikanern fehlt eine Zukunftsvision für das Land, das wird ihnen langfristig den Boden unter den Füßen wegziehen

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Auf dem Parteitag der Republikaner blieben die Partei und Mitt Romney sich treu. Die erhoffte mitreißende Rede hielten andere, Romney bewegte den Saal lediglich durch Anti-Obama-Rhetorik und fütterte unentschlossene Wähler mit der leeren Worthülse von "12 Millionen neuen Jobs". Wie er diesen Plan umsetzen will, darauf ging er nicht ein. Paul Ryan glänzte als bissiger Angreifer und verdammte Obamas erste Amtszeit als "wirtschaftlicher Reinfall". Die Convention zeigte deutlicher denn je, dass es der GOP bei dieser Wahl nur um eines geht: Barack Obama besiegen, nicht Visionen für das Land präsentieren. Die Kurzsichtigkeit, die das Obama-Lager auskostet, könnte der Partei langfristig ihre politische Kraft kosten.

Die herzliche Ehefrau und ein Kraftpaket aus New Jersey sollten in Tampa möglich machen, was Romney persönlich in zwei Jahren nicht geschafft hat: sich als glaubwürdigen Präsidentschaftskandidat aus Fleisch und Blut präsentieren. Und so sprach Ann Romney auf dem Parteitag der Republikaner über "Mitt the Man", webte Anekdoten zusammen, um den Bürgern des Landes ein anderes Bild von ihrem Mann zu präsentieren, als das vom roboterhaften Zahlendreher, das sie seit Monaten zu sehen bekommen. Offenbar war es aber beeindruckend genug, um es zwingend erscheinen zu lassen, dass bei dem Parteitag der Demokraten auch Obamas Ehefrau für ihren Mann auftreten muss.

Bei den Republikanern pustete Gouverneur Chris Christie ins Mikrofon und erschuf Mitt the Leader und versuchte damit die hartnäckige Meinung von Kritikern zu zerstreuen, dass sich Romney anno 2012 nach wie vor lieber nach dem Wind populärer Meinungen dreht, als eine eigenen zu vertreten. Romney, ein Mann, der harte, aber notwendige Reformen anpackt, davon sprach auch Ryan. Der Beifall war erwartungsgemäß überwältigend, sogar beim eher durchschnittlichen Auftritt Clint Eastwoods.

Und dann gab es da noch Marc Rubio, Senator aus Florida. Der Nachwuchsstar der Republikaner und Kind kubanischer Einwanderer sprach über Träume. Die Art von Träumen, die sich tatsächlich vielleicht nur in den USA erfüllen. Die Chance eines jeden einzelnen, unabhängig von Hautfarbe und Herkunft, auf den Aufstieg von ganz unten nach ganz oben. Beim verabschiedeten Programm der Partei fällt der Glaube an den American Dream allerdings zunehmend schwierig.

Das Extreme ist zum Mainstream geworden

Das Dokument gewährt Einblick in erzkonservative Vorstellung der Parteibasis. Die Einwanderungspolitik setzt rigoros weiter auf Abschreckung. Der bestehende Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko soll ausgebaut werden, Arbeitgeber sollen den Aufenthaltsstatus ihrer Arbeiter überprüfen, was in einigen Bundesstaaten bereits zu Massenflucht und Ernteausfall geführt hat. Die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partner soll auf keiner dokumentarischen Ebene erlaubt sein. Und dann will man noch das Verbot auf Abtreibung mit einem Zusatzartikel in die Verfassung festschreiben lassen. Ausnahmen wie im Fall einer Vergewaltigung gibt es nicht. Zwar waren ähnliche Formulierungen bereits 2004 und 2008 im Katalog enthalten, allerdings markiert der 2012er Vertrag im ganzen einen gewaltigen Schub nach rechts. Das Extreme sei nun der Mainstream, schreibt die New York Times.

Seit Barack Obama hat sich die republikanische Partei durch den Einfluss der Tea-Party-Bewegung so radikalisiert, dass es immer weniger Rücksicht auf wichtige demografische Gruppen nimmt. Ihre zugespitzte Agenda scheint einzig ausgerichtet, die ignorante Wahlbasis zu bedienen und die Verärgerten und Desillusionierten im Land aufzusammeln. Ein Seelenfängerprogramm für den schnellen Sieg - und zugleich ein hohes Risiko. Denn falls dieser Sieg im November eintreten sollte, könnte die Herrschaft der GOP nur von kurzer dauern sein, schreibt John Judis in einem Artikel des Magazins The New Republic.

Statt Neuausrichtung gab es die Tea Party

Eine Partei, die gegenwärtig nicht am Schalthebel der Macht sitzt, aber wieder dorthin zurück will, müsse sich logischerweise um den Aufbau einer funktionsfähigen Mehrheit kümmern, so Judis. Die Republikaner sollten daher eigentlich versuchen, gewichtige Wählergruppen innerhalb der Demokraten herauszugreifen und eigene demografische Einheiten weiter zu stärken. Nichts dergleichen scheint die GOP im Jahr 2012 vorzuhaben. Im Gegenteil, sie treiben auch die letzten Lateinamerikaner in wichtigen Swing States wie Colorado in demokratische Hände, vergraulen Mütter, indem sie ihnen das recht auf eigene Entscheidungen bei Abtreibungen absprechen, und Arme, indem sie Kürzungen im Sozialbereich planen. Allein in Paul Ryans Idee, die Gesundheitsvorsorge für Senioren zu privatisieren, liegt das Potential, den ganzen Swing-State Florida gegen die Partei aufzubringen.

Die Demokraten derweil seien seit Clinton und Gore mit einem Progressive Centrism erfolgreich auf Stimmenfang bei den Minderheiten gegangen, so Judis weiter. Sie haben sich der Tatsache gestellt: seit Jahren sinkt der Anteil der weißen während der Anteil von Minderheiten bei den Wähler steigt. Der Vorteil sich auf diesen demographischen Wandel frühzeitig eingestellt zu haben, hätte sich in Staaten wie Kalifornien, North Carolina und Colorado gezeigt, die Obama 2008 gewann. Was den Republikanern derweil als politische Versicherung blieb, war das Thema nationale Sicherheit, was die acht erfolgreichen Bush Jr. Jahre erklärt. Aber Romney und Ryan bleiben nun auch hier blass. Ihr Fokus liegt ganz und gar auf der Innenpolitik. Um den American Dream, von dem Rubio so euphorisch sprach, weiter zu träumen, muss sich die Grand Old Party wohl zur Grand New Party wandeln.

Ein idealer Moment für diesen Neuanfang wäre nach den zwei erschütternden Amtszeiten George W. Bushs gewesen. Nur hätte die Partei dafür auf Macht verzichten müssen, die Wahl 2008 von vornherein abschreiben. Und wer ist dafür schon bereit, wenn er nicht unbedingt muss? Die Basis stellte lieber missmutig John McCain auf, der mit Sarah Palin versuchte die übrig gebliebene Wählergruppe ins Boot zu holen, durch die die GOP sich Hoffnung auf einen Sieg ausrechnete: die Unzufriedenen, die radikale Lösungen einfordern. Statt Neuausrichtung gab es die Tea Party. Mit Mitt the Millionaire und Ryans als Holzfäller des Sozialnetzes, scheint es, als hätte die Radikalisierung der Partei ihren Höhepunkt erreicht: eine ideologische Purifikation - Kompromiss ist Schwäche - unter dessen Deckmantel nur noch Extremisten Platz finden; Sprecher und jubelndes Volk in einem. Vielleicht kennzeichnet 2012 den letzten Angsttrieb vor der Seelenhygiene der Partei.

Dass die Erneuerung früher oder später kommen muss, offenbart nicht nur die schleichende Niederlage bei der Jagd nach breiten Wählergruppen, sondern auch der eigene Nachwuchs.

Viele der "Young Leaders" der Republikanischen Partei würden mit den Standpunkten der alten Generation brechen und die Zukunft im Blick haben, indem sie liberale bis moderate Ansichten annehmen, die im Widerspruch mit der traditionellen konservativen Ideologie seien, schreibt Susan Saulny in der New York Times und spricht damit vor allem Themen wie die Homo-Ehe und Abtreibung an. So schnell wie sich die gegenwärtige Generation entwickele, müsse die Partei einfach Platz für diese "Jungen Republikaner" anbieten oder sie wird aufhören zu existieren, legt John Della Volpe in selben Artikel nach, Leiter für Meinungsfragen beim Harvard Institute of Politics. So einfach kann die Rechnung sein.

Aber sollte die Grand Old Party auf ein anderes Ergebnis kommen und auch künftig an ihrer Ideologie-Schraube drehen wollen, dann gibt es da immer noch diese eine weitere Möglichkeit, an der die Partei bereits seit einigen Jahren kräftig arbeitet: "Voter ID Restriction" oder: schärfere Gesetze bei der Wählerregistrierung von Minderheiten.

Den demografischen Gruppen, die nicht auf einer Linie mit dem durchgetrimmten republikanischen Programm liegen, spricht man kurzerhand das Recht ab, wählen zu gehen. Erst Anfang des Jahres haben die Republikaner erfolgreich das Early Voting beschnitten (Kampf um Ohio). Etwas anderes zu jeder Wählergruppe zu sagen, wäre herablassend, brachte Chris Christie den Kodex der Partei noch einmal auf den Punkt.

"We own this Country", rief Clint Eastwood dem Publikum in Florida dann auch passenderweise zu. Und wenn Eastwood damit sicherlich alle Bürger der USA meinte, in der Großraumhalle in Tampa wurde dieser Satz gerne missverstanden.