Blechspielzeug

Endlos variabel, auch mit Schlafzimmerblick ein Design. Alle nicht gesondert gekennzeichneten Fotos: Tom Appleton.

Auto-Design vom Schnauzbartkühler bis zu den langweiligen Tigern aus Germany

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In jeder größeren Stadt gibt es einen Laden, der altes Spielzeug verkauft. Buntes Blech mit Aufziehmotoren aus dem Jahre Schnee. Wer Glück hat, findet darunter auch ein paar Importe aus Japan. Eine designhistorische oder anthropologische Untersuchung, die dieses Spielzeug nach den gleichen Kriterien betrachten würde, wie man Werkzeug oder Waffen aus verschiedenen Kulturen vergleicht und analysiert, würde zu der überraschenden Feststellung gelangen, dass bereits hier, auf der niederen Ebene der Produktion von Spielzeug aus Weißblech, das japanische Design dem europäischen und amerikanischen seiner Zeit überlegen war. Während westliche Hersteller sich oft mit einer klobigen, reduktiven oder auch karikaturistischen Annäherung an reale Objekte begnügten (Autos, die scheinbar alle irgendwie "Anton" oder "Hugo" hießen), versahen die Japaner ihre Billig-Exporte mit zahlreichen kleinen, feinen Nuancen, wie man sie etwa beim deutschen Hersteller Schuco erst wieder bei sehr viel teureren Modellen finden würde.

Natürlich waren die Japaner damals noch ihre eigenen Koreaner, das heißt, sie fertigten zu Niedrigstlöhnen und strampelten sich ab, um nach oben zu kommen. Ihre Spielzeugautos sahen toll aus - aber ihre richtigen Autos sahen nicht sehr viel anders aus als die Spielzeugautos. Heute sehen ihre richtigen Autos längst nicht mehr wie Spielsachen aus; und die Koreaner sind selber Japaner geworden, wie dieses Video beweist. Es ist mittlerweile auch schon von fast zwei Millionen Menschen gesehen worden.

"Es scheppert nix," hört man da VW-Chef Martin Winterkorn sagen, wie er letztes Jahr auf der internationalen Automobilausstellung in FFM in einem Hyundai sitzt. "BMW kann’s nicht. Wir können’s nicht. Wieso kann der das?" Fragt der VW-Mann weiter. Und dass ihn bei solch offenkundig firmeninterner Selbstkritik jemand filmt und das Filmchen dann auch noch auf YouTube stellt, mag überraschen. Aber immerhin - es sorgt für gläserne Verhältnisse.

Oder es zeugt von einer gewissen Blauäugigkeit, denn die Zusammenarbeit zwischen VW und seinem chinesischen Kooperationspartner FAW [First Automotive Works] hat sich als handfeste Industriepiraterie entpuppt, wie das Handelsblatt unlängst zu berichten wusste. Die Chinesen benutzten die Abkürzung über VW, um rasch ein paar Konstruktionspläne für ihre eigenen Marken abzukupfern. Damit kann im Prinzip nun ein chinesischer Golf oder Polo in eigener Regie vom Band laufen. Abmachungen, Vereinbarungen, Verträge werden von den chinesischen Partnern lässig umschifft, Fuhrkutscherdelikte werden leichthin als Kavaliersdelikte abgetan.

Bild: Tom Appleton

Statt in dieser Situation die Reißleine zu ziehen, vertraut der deutsche Juniorpartner (VW hält im Joint Venture mit FAW nur 40 Prozent) auf die Blödheit der Chinesen. Sie seien unfähig, mehr als 80 Prozent eines Automobils aus Deutschland nachzubauen, bei den restlichen 20 Prozent hapere es dann, zitierte das Handelsblatt irgendwelche namentlich nicht weiter genannte Ingenieure von VW. Der deutsche Autobauer ist offensichtlich geblendet von den hohen Verkaufszahlen seiner Fahrzeuge in China, rund 2.5 Millionen Stück pro Jahr. China ist der größte Absatzmarkt von VW, so etwas bläst man nicht einfach in den Wind.

Allerdings könnten die Chinesen diesen Binnenmarkt sehr viel billiger mit einem eigenen Auto bedienen, selbst wenn es nur ein 80prozentiger VW-Nachbau wäre. Die übrigen 20 Prozent könnte man sich aus Korea dazukaufen. Bei einem solchen chinesischen Hybrid-VW würde dann mit Sicherheit auch nichts mehr scheppern.

Vor zwei Jahren fragte der Economist in einer Sonderbeilage, "Die Chinesen - Freunde oder Feinde?"

Dein Freund, der Industriespion

Das hat man bei VW vermutlich nicht zur Kenntnis genommen oder in typisch westlicher Hybris als "uns nicht betreffend" abgetan. Was lockte, war natürlich die Rendite. Einen Golf oder Polo zu einem Bruchteil des Preises in China zusammenbauen lassen, aber zum gleichen Preis zu verkaufen, bedeutet eine erhöhte Gewinnspanne.

Das umgekehrte Schema, die Chinesen nach Wolfsburg einzuladen, mit 40 Prozent am Geschäft zu beteiligen, und dann die Fahrzeuge nach China zu exportieren, hätte rundum wenig Sinn gemacht. Und die deutschen Arbeiter wären sicher nicht bereit gewesen, für zwei Euro die Stunde zu arbeiten. So aber liefert VW seine Technologie gratis nach China, wo sie nachher irgendwo in den Tiefen des Landes unauffindbar verschwindet - jedenfalls schwerer auffindbar als Saddam Husseins Waffen für die Massenvernichtung im Irak.

Nicht nur das Verhältnis zwischen VW und seinem China-Partner FAW erinnert an die Ehe der Gottesanbeterin, die ihren Gemahl beim Hochzeitsakt verspeist: VW hat auch in Japan mit seinem dortigen Partner Suzuki kein glückliches Händchen bewiesen. Zwei Jahre lang nichts als bitterer Hass und Streit - und zuletzt stoppte die Kommunikation zwischen den beiden Partnern komplett. Fragt sich, in welcher Sprache sie sich wohl anschweigen? Denn dass sich bei dem deutschen Global Player VW irgendjemand die Mühe gemacht hätte, Japanisch drauf zu haben, könnte man bezweifeln. In Mexiko beispielsweise erhalten mexikanische VW-Mitarbeiter Sprachunterricht, damit sie besser Deutsch verstehen.

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