Quote statt Vorrang? Die Zukunft des EEG

Entsolidarisierung des Strommarktes. Private Endkunden zahlen ohnehin die höchsten Strompreise, dazu die volle EEG-Umlage plus die Befreiungen der Industrie obenauf. Sie werden aber von der Senkung der Spitzenstrompreise durch die Erneuerbaren ausgeschlossen. Hans-Josef Fell schlägt vor, dass diese Kostensenkungen bei der Berechnung der EEG-Umlage mit eingerechnet werden und Befreiungen beendet werden müssen. Bild: M. Brake

Die Energie und Klimawochenschau: Und schon wieder steht Streit ins Haus. Diesmal geht's ums Ganze: Das EEG soll abgeschafft werden

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Seine Funktionsprinzipien: dezentrale Energieversorgung, Teilhabe vieler Akteure, Einspeisevorrang, garantierte Abnahme des erzeugten Stroms und wirtschaftliche Vergütung sind seinen Gegnern ein Dorn im Auge. Stattdessen trommeln die Markt-Apologeten seit einigen Wochen für die Abschaffung des EEG und bereiten so die Entscheidung vor, die im Oktober erfolgen soll.

Vergütungsmodelle in Europa. Grün=Einspeisevergütung, Gelb=Quotenmodelle, Zertifikate und Mischformen. Polen steigt 2013 auf die Einspeisevergütung um. In Deutschland, dem Mutterland des EEG, geht die Diskussion um einen möglichen Ausstieg aus der Einspeisevergütung im Oktober in ihre heiße Phase. Bild: M. Brake

Erfolgreicher als erlaubt

Als Ersatz fordern sie Quotenmodelle, die in anderen Ländern bereits gescheitert sind. Das scheint jedoch egal zu sein, denn die neuen Vorschläge sollen vor allem die überkommenen Verteilstrukturen erhalten und kleine Betreiber von EE-Anlagen wieder abhängig machen von den Vertragsbedingungen der großen Energieversorger und den durch die Politik festgelegten Ökostromquoten. Was so als Marktwirtschaft angepriesen wird, entpuppt sich als Planwirtschaft und neuer Zentralismus.

Dabei besteht tatsächlich Bedarf, die Integration von immer mehr regenerativ erzeugtem Strom in das Netz zu ermöglichen, allerdings anders als durch bloße Behindern. Die Einführung des EEG im Jahr 2000 führte zu einem beispielhaften Boom der Erneuerbaren Energien, die jetzt in Deutschland einen Anteil an der Stromerzeugung von rund 22 Prozent haben. Auch weltweit wurde das Konzept übernommen und in bisher 61 Ländern eingeführt. Bereits in der ersten Fassung des neuen EEG war verankert, dass das Gesetz in regelmäßigen Abständen überprüft und angepasst wird. Doch erst unter der aktuellen Koalition soll die weltweit erfolgreichste Regelung zum Ausbau der Erneuerbaren anscheinend ganz abgeschafft werden.

Vordergründig wird der Ruf nach Neuregelung mit dem starken Zubau, insbesondere der Stromerzeugung aus solarer Strahlungsenergie und der damit einhergehenden steigenden EEG-Umlage, begründet. Doch zu offensichtlich ist in der aktuellen Diskussion klargeworden, dass es vor allem um rückwärtsgewandte Klientelpolitik geht.

Entsolidarisierung über den Energiepreis

So wurden schon im EEG selbst Befreiungen eingebaut, wonach bestimmte Branchen sich mit einer Minimal-Vergütung befreien könne. Die Bahn ist so ein Beispiel eines Unternehmens, das zwar gerne damit wirbt, dass es auch einem Anteil Grünstrom einsetzt, pauschal aber nur 0,05 ct/kWh Umlage zahlt, anstatt wie Endkunden derzeit 3,56 ct. Dazu kommt, dass gerade ein Run auf Befreiungen eingesetzt hat. Eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag ergab, dass bis Ende Juni 2012 bereits 2023 Unternehmen einen entsprechenden Antrag gestellt haben, im gesamten Vorjahr waren es nur 813 gewesen. Die Entsolidarisierung wird so über den Energiepreis weiter vorangetrieben.

Außerdem wird nicht ausreichend berücksichtigt, wie die regenerative Energieerzeugung aufgebaut ist, nämlich in erster Linie dezentral. Die meisten Solaranlagen etwa sind Kleinanlagen am Niederspannungsnetz. Jetzt wird gefordert, der Nachfolger des EEG solle eine "Markt- und Systemintegration" der Erneuerbaren bringen, Energieversorger sollen Quoten erfüllen und dazu entsprechende Mengen Ökostrom einkaufen bzw. selbst produzieren. Dass das mit vielen dezentralen Kleinanlagen eine immense Bürokratisierung wäre, bloß um aus ideologischen Vorbehalten den Einspeisevorrang des bisherigen EEG zu ersetzen, liegt auf der Hand.

Und es wäre wohl mit einer Abkehr von der dezentralen Energieversorgung mit all ihren bekannten Vorteilen (u.a. dem schnellen, flächendeckendem Zubau und geringerem Bedarf beim Netzausbau) verbunden. Die Hälfte aller installierten PV-Anlagen liegt leistungsmäßig zwischen 10 und 100 kWp, für diese dezentralen Anlagen gibt es keine Strombörse und ohne Durchleitung auch keinen "Markt".

EON-Chef Johannes Teyssen kommentierte das Interventionsspiel schon vor einiger Zeit so: "Das EEG ist das Verzweiflungsgebiet der deutschen Energiepolitik. Ständig werden Korrekturen nötig, deren Nebenwirkungen wieder neue Korrekturen nötig machen – eine endlose Interventionsspirale".

Marktmodell als Ausstiegsszenario

Rainer Brüderle gab die Plänen seiner Bundestagsfraktion bekannt: Es soll ein Moratorium verordnet werden, wenn der Ausbau der Solar- und Windenergie nicht anders zu bremsen ist. Dieses soll allerdings vorerst nur für Solar- und Windkraft an Land gelten, nicht für die staatlichen Offshorepläne.

Sachsens Wirtschaftsminister Sven Morlock fordert, ganz in der Linie seiner Partei, statt der Abnahme des erzeugten regenerativen Stroms sollten Stromversorger verpflichtet werden, eine Grünstrom-Quote nachzuweisen. Diese solle 2015 eingeführt werde und nach und nach, entsprechend den Zielen der Bundesregierung, steigen.

Die Ausbauziele der Bundesregierung sehen in den nächsten Jahren folgende Anteile der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch vor:

  • 2020: 35 Prozent
  • 2030: 50 Prozent
  • 2040: 65 Prozent
  • 2050: 80 Prozent

Das sieht erst einmal gut aus und scheint beim jetzigen Tempo des Zubaus auch realistisch, doch sollte wirklich eine Umstellung auf Zehnjahrespläne und die "Initiative" der Energieversorger erfolgen, ist abzusehen, dass der Ausbau ganz schnell ins Stocken geraten wird. Denn so wie sich schon jetzt Betriebe von der EEG-Umlage befreien lassen, würden von der Politik ganz schnell auch Befreiungen von den Ausbauzielen eingeführt werden wie schon bei Kerosinsteuer, Clean Development Mechanism (CDM) im Kyoto Protokoll, Mövenpick-Steuer und Co.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), Lobbyinstitut verschiedener Wirtschaftsverbände, stellte gerade ihre Auftragsstudie "Marktwirtschaftliche Energiewende" vor und stellt darin Thesen gegen das EEG auf:

  1. das EEG gefährde die Netzstabilität;
  2. der Ausbau der Erneuerbaren Energien habe das Handelsmodell des Emissionshandels geschädigt, Emissionen würden nur in andere Sektoren verlagert;
  3. auch eine weitere Absenkung der Vergütungssätze könne den Stromkostenanstieg nicht bremsen;
  4. die erneuerbaren Technologien hingen am Tropf und könnten sich ohne Förderung nicht am Markt behaupten.

Deshalb müsse ein "marktbasierter Ordnungsrahmen installiert werden". Energieversorger sollen verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil ihres an die Endverbraucher gelieferten Stroms aus erneuerbaren Quellen entweder selbst zu generieren und durch eine entsprechende Menge an Zertifikaten nachzuweisen oder aber die geforderte Menge an Zertifikaten von anderen Anbietern von grünem Strom zu erwerben. Den Wechsel in diese Richtung fordert das INSM schon für nächstes Jahr. Vom Stand Januar 2013, mit prognostizierten 25 % Ökostromanteil, soll es ab dann radikal weniger werden mit den Erneuerbaren. Für die Jahre 2013 bis 2016 soll nur noch ein Zubau von jeweils 0,5 Prozent pro Jahr erlaubt sein. Statt Marktmodell geht es also um ein Ausstiegsmodell.

Die Mär vom teuren Ökostrom

Wie sehr hier vom INSM fabuliert wird, zeigt die aktuelle Meldung der Bundesnetzagentur, welche die Mär widerlegt, eine Zunahme der fluktuierenden erneuerbaren Energien im Netz gefährde die Netzstabilität. Ganz im Gegenteil, die Versorgungsqualität ist offensichtlich mit Erneuerbaren im Netz außerordentlich hoch. So habe die durchschnittliche Unterbrechung der Versorgung je angeschlossenem Letztverbraucher, der sogenannte SAIDI-Wert, 2011 bei nur 15,31 Minuten gelegen. Dieser Wert liegt unter dem Mittelwert von 17,44 Minuten für den Zeitraum von 2006 bis 2010. Das Jahr 2011 war gleichzeitig das bislang zubaustärkste im Bezug auf neue Photovoltaikinstallationen.

Und schon jetzt erweist sich die Eingriff der Regierung zugunsten der Offshore-Förderung als der aktuelle Kostentreiber nicht nur bei den reinen Stromgestehungskosten, sondern auch bei der teuren und exklusiven Netzanbindung, deren Kosten gerade sozialisiert wurden. Windkraftanlagenbetreiber bekommen Onshore dagegen nur eine rund halb so hohe Vergütung wie Offshore, bezahlen obendrein den Netzanschluss selbst und können die Haftung für Übertragungsprobleme in der Netzanschlussleitung nicht auf die Stromverbraucher abwälzen. Axel Berg von Eurosolar bezeichnet deshalb die Behauptung des neuen Umweltministers, er wolle die "Kosten der Energiewende im Griff behalten" als zynisch.

Vergleicht man die viel gescholtene EEG-Umlage mit den Zuwendungen die Kohle- und Atomkraft erhalten haben und erhalten relativiert sich das Bild. Bild: M. Brake

Sondersteuer auf Solaranlagen und Windräder

Die Moratoriumspläne gehen allerdings noch weiter. Weil es nur zusätzliche Anlagen betreffen würde, sollen Betreiber von bestehenden Solaranlagen und Windrädern mit einer Sondersteuer belegt werden. So soll ein Anreiz für die Anlagenbetreiber entstehen, sich "marktkonform" zu verhalten. Mit der Steuer soll dann ein "Nationales Sondervermögen Energiewende" aufgebaut werden, mit dem der Netzausbau und der Einsatz von Speichern bezahlt werden sollen. Doch Speicher und Netzausbau für wen? Für die Strombörsen, die Offshoreanlagen? Der VDI hatte doch gerade erst nachgerechnet und kam zu dem Ergebnis, dass bis 40% Ökostromanteil erst einmal gar keine neuen Speicher notwendig sind.

Dabei ist auch den Befürwortern des EEG klar, dass die Netzintegration von immer mehr Ökostrom geplant sein will. Auch sie scheinen noch immer vom Erfolg des EEG überrascht zu sein. Eurosolar kündigte für die Diskussion im Oktober ein Konzept für eine Neugestaltung des EEG an, mit dem eine "volkswirtschaftlich vernünftige" dezentrale Energiewende gestaltet werden könne. Hans-Josef Fell von Bündnis 90/Die Grünen weist darauf hin, dass es ein intelligentes Erzeugungs- und Lastmanagementsystem auf dem Weg zum 100% Ziel brauche, um überschüssigen PV-Strom von mittags in die abendliche Verbrauchszeit zu verlagern. Der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) setzt dabei auf eine Förderung der kleinen Speichertechnik direkt an den PV-Anlagen, um damit einen Netzausbau unnötig zu machen.

Außerdem müsse, so die Grünen, der Anstieg der EEG-Umlage durch die Abschaffung von unnötigen Kostenfaktoren z.B. bei der Braunkohleförderung und Befreiung von Industriezweigen gebremst werden. Auch die Marktprämie solle wieder abgeschafft werden, weil sie keine Marktintegration, sondern nur Mitnahmeeffekte erzeuge. Und die Berechnung der EEG-Umlage müsse die kostensenkende Wirkung von PV und Wind in Zukunft mit einrechnen. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) schließlich appelliert, dass trotz der Vergütungsabsenkung und zunehmenden Preisdrucks keine Billiglösungen verbaut werden dürften, denn nur technisch hochwertige Solaranlagen ermöglichen auch in Zukunft den weiteren Zubau und das Zusammenspiel mit anderen Stromerzeugern. Die Ingenieure könnten es also schon regeln und zwar am besten ohne politischen Interventionismus.