Wie viele Patienten überleben Operationen in Krankenhäusern?

Nach einer EU-weiten Studie liegt die Todesrate höher als bislang geschätzt, die Unterschiede zwischen den Ländern sind groß

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Nach einer neuen Schätzung der Todesfälle nach chirurgischen Eingriffen sind die Zahlen, die man bislang vermutet hat, zu optimistisch. Für die Studie, die in der Zeitschrift Lancet erschienen ist, wurden im Rahmen der European Surgical Outcomes Study (EuSOS) 46.535 Patienten ab dem Alter von 16 Jahren von 598 Krankenhäusern in 28 europäischen Ländern untersucht, die zwischen dem 4. und 11. April operiert wurden. Herzoperationen blieben ausgeschlossen. Beobachtet wurden sie bis zu 60 Tage nach der Operation. Danach liegt die durchschnittliche Todesrate bei 4 Prozent, doppelt so hoch wie bei früheren Schätzungen, die zwischen 1,3 und 2 Prozent lagen.

Weltweit werden jedes Jahr 230 Millionen größere Operationen ausgeführt. Für die meisten Patienten seien die Risiken gering, aber es gebe Hinweise, dass Komplikationen nach der Operation eine wichtige Todesursache sind, so die Wissenschaftler. In Großbritannien haben 10 Prozent der Patienten, die operiert werden, ein hohes Risiko für Komplikationen, die 80 Prozent der postoperativen Tode ausmachen. Weltweit übertragen würde dies bedeuten, dass jährlich 25 Millionen Patienten hochriskante Operationen unterzogen werden, von denen 3 Millionen noch im Krankenhaus sterben. Auch die Patienten mit Komplikationen, die das Krankenhaus überleben, sind häufig in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt und haben eine kürzere Lebenserwartung.

Die Todesraten unterscheiden sich in den Ländern ganz erheblich. Während in Island 1,2 Prozent nach einer Operation sterben, sind es in Lettland 21,5 Prozent, also mehr als ein Fünftel. Hier ist es also sehr riskant, sich einer Operation zu unterziehen. Dreiviertel der Patienten, die starben, wurden, so Rupert Paerse von der University of London, niemals in die Intensivstation verlegt. Die Autoren gehen davon aus, dass die hohen Todesraten mit der mangelnden Versorgung zusammenhängen, also etwa mit dem Vorhandensein einer ausreichenden Zahl von Betten in der Intensivstation. Dort werden Patienten nach einer Herzoperation normalerweise verlegt. Die durchschnittliche Todesrate liegt hier bei nur 2 Prozent.

Von den Patienten dieser Studie starben 1.855 oder 4 Prozent vor der Entlassung aus dem Krankenhaus. 3.599 (8%) wurden durchschnittlich für 1-2 Tage nach der Operation auf die Intensivstation verlegt. 73 Prozent der Patienten, die starben, kamen zu keinem Zeitpunkt auf die Intensivstation. Allerdings starben auch 506 Patienten (14%), die auf die Intensivstation verlegt wurden, noch im Krankenhaus, 218 davon (43%), nachdem sie wieder aus der Intensivstation auf die normale Station verlegt wurden. In Deutschland liegt die Todesrate bei 2,5 Prozent. 11,6 Prozent der Operierten kamen auf die Intensivstation. Nur in Spanien und Rumänien wurden mehr Patienten nach der OP auf die Intensivstation verlegt. In Spanien lag die Todesrate mit 3,8 Prozent und in Rumänien mit 6,8 Prozent dennoch höher. In Island, wo die Todesrate bei 1,2 Prozent liegt, oder in Norwegen (1,8%) kamen 9,3 bzw. 4,5 Prozent in die Intensivstation.

Werden Variablen berücksichtigt, die einen Einfluss auf die unterschiedliche hohe Todesrate haben können, beispielsweise Alter, Dringlichkeit, Operationsmethoden oder Vorhandensein von Krebs verringern sich zwar die Unterschiede der Todesraten, aber sie bleiben weiter bestehen. Dann besteht in Polen mit 6,92 Prozent, in Lettland mit 4,98 Prozent oder in Rumänien mit 3,19 Prozent das größte Sterberisiko nach Operationen. Bei den westlichen Ländern haben Patienten in Irland (2,61%), Italien (1,7%) und Belgien (1,43%) das höchste Risiko. In Großbritannien, das als Vergleichsbasis dient, weil es dort die meisten Daten gibt, liegt die Todesrate bei 1 Prozent. In Finnland, Island, Norwegen und Schweden ist nach dieser Berechnung das Todesrisiko am geringsten. Im Unterschied zu Lettland liegt Estland an fünfter Stelle, noch vor den Niederlanden, Zypern, Deutschland und der Schweiz, wo die Todesrate auch unter einem Prozent liegt.

Worin die wirklichen Unterschiede liegen, kann aber letztlich nur vermutet werden und eben nicht allein auf die Zahl von Betten in Intensivstationen zurückgeführt werden, wobei auch diese sehr unterschiedlich ausgestattet und geführt werden dürften. Ärmere Länder haben in der Regel ein höheres Streberisiko, allerdings liegt es etwa in Serbien auch nur knapp über 1 Prozent und ist geringer als in Dänemark, Frankreich oder Italien. Auch die Unterschiede in den baltischen Ländern sind schwer zu erklären.