Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?

"Verteidigungsminister Thomas de Maizière treibt das Projekt voran"

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch die Bundeswehr will bewaffnete Drohnen, schon seit längerem, die Forderung wird nun in immer kürzeren Abständen von verschiedenen Vertretern erhoben (EU will zivilen Luftraum für schwere Drohnen öffnen). "Verteidigungsminister Thomas de Maizière treibt das Projekt voran", hieß es gestern in der SZ, neu ist das nicht: Für Verteidigungsminister de Maizière sind Kampfroboter wie alle Waffen "ethisch neutral". Luftwaffenchef Generalleutnant Karl Müllner hatte schon im Sommer deutlich gemacht, dass "aus rein militärischer Sicht Drohnen bewaffnet sein müssen". Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus, spricht sich aktuell dafür aus, ebenso der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch: "Wir brauchen die bewaffneten Drohnen sehr schnell und sollten sie jetzt beschaffen."

Gegenwind gegen diesen geradezu stürmisch vorgetragenen Wunsch gibt es kaum. Auch aus den Reihen der SPD wird grundsätzlich Einverständnis signalisiert, oppositionelle Stimmen sind kaum vernehmbar. Stritig ist anscheinend nur die Frage, ob die bewaffneten Drohnen gekauft werden sollen oder im europäischen Verbund selbst hergestellt. Rasch soll es gehen, so der Tenor derjenigen, die für den Kauf amerikanischer Drohnen plädieren.

Dem Selbstverständnis der Bundeswehr entsprechend wird die Aufrüstung defensiv begründet. Die bewaffneten Drohnen sollen die Soldaten schützen:

Hätten unsere Soldaten bewaffnete Drohnen zur Verfügung, müssten sie nicht mehr hilflos zuschauen, wenn unsere eigenen Leute bedroht werden, sondern sie könnten eingreifen und den Gegner vertreiben, ohne Leben und Gesundheit eigener Kräfte zu gefährden.

Hellmut Königshaus

Bei Auslandseinsätzen, wie jetzt in Afghanistan, wären Kampfdrohnen sehr wichtig, so der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch: "In Gefahrensituationen wie im Falle eines Hinterhalts könnte der Gegner direkt ausgeschaltet werden." Und auch der Oberst a.D., der Vorsitzende des Reservistenverbandes Roderich Kiesewetter, für die CDU im Bundestag, stimmt zu: "Ich sage ganz offen ja. Je vielseitiger die Drohnen einsetzbar sind, umso besser der Schutz deutscher Soldaten."

Zwar kennt auch er Bedenken - wie die anderen auch, die nicht zufällig ihr Eintreten für die Kampfdrohnen mit dem Hinweis auf eine nötigen Diskussion über den Einsatz von bewaffneten Drohnen ergänzen. Doch wirft Kiesewetter den Pappkamerad "völkerrechtliche Bedenken" (Sind gezielte Tötungen mit Drohnen legal?) leichterhand um. Nachdem er im Gespräch mit dem Deutschlandradio Kultur zuerst darauf verweist, dass vorab geprüft werden müsse, ob der Einsatz bewaffneter Drohnen völkerrechtlich vertretbar sei, nimmt er gleich darauf die Antwort vorweg

Aus heutiger Sicht verstößt der Einsatz nicht dagegen. Wenn wir solche Systeme beschaffen sollten, wird sich Deutschland völkerrechtlich an die Bestimmungen halten, die das Genfer Zusatzprotokoll vorsieht.

Saubere Kriegsführung?

Dass die Kriegsführung mit Drohnen bei weitem nicht so sauber ist, wie Militärs das gerne vermitteln würden, und ihr Einsatz weitaus unpräziser und die rechtliche Seite voller ungeklärter Flecken, tritt sehr klar in einem Bericht von amerikanischen Rechtsexperten der Stanford-Universität und der New York University zutage. Der Bericht, dessen wesentliche Erkenntnisse sich heute in mehreren Medien wiederfinden, räumt mit einigen Klischees auf, die sich auch in den oben genannten Äußerungen wiederfinden.

Dort geht es um den Einsatz von Drohnen der CIA in Pakistan. Der ist in Vielem und grundsätzlich nicht vergleichbar mit der Situation deutscher Soldaten in Afghanistan. Der CIA geht es um gezielte Tötungen, der Bundeswehr geht es um den Schutz ihrer Soldaten. Und doch, wenn davon die Rede ist, dass die Geräte laut Bericht eine "unpräzise Steuerung" haben, dann müsste dies auch den Militärs hierzulande zu denken geben.

Laut Bericht liegt die hohe Zahl an zivilen Opfern auch an der zeitlichen Verzögerung zwischen der Aufnahme von potentiellen Zielen am Boden und der Übertragung des Videos in die Steuerungszentrale der CIA. Dadurch kämen Ungenauigkeiten ins Spiel. Genaues Schießen würde damit unmöglich gemacht. Das sollen auch Firmen einräumen, "die an der Entwicklung der Drohnen beteiligt waren".

Die Hoffnung, dass sich die "Unsauberkeit" des Drohneneinsatzes mit technischem Fortschritt beheben ließe, steht auf wackligem Boden. Denn die Fehler mit häufig tragischen Konsequenzen, dass Unschuldige getötet werden, beginnen bei der Auswahl des Zieles, die von Militärs und (noch) nicht von autonom operierenden UCAVS getroffen werden. Auch hier gibt es natürlich gravierende Unterschiede zwischen "gezielten Tötungen" (deren Ziele, wie der Bericht notiert und schon länger bekannt), oft aus Verhaltensmustern, die den Verdacht bestärken, es handle sich um Terroristen, erschlossen werden) und dem Einsatz, wie ihn die Bundeswehrvertreter skizzierten.

Doch zeigen allein die Umstände des vom deutschen Befehlshaber, damals Oberst, Klein georderten Bombenabwurfs 2009 in Afghanistan an, wie schwer bei manchen militärischen Einsätzen Zivilisten von Kämpfenden zu unterscheiden sind und die Bedrohungslage einzuschätzen ist. Das alte Problem bei Einsätzen von Drohnen ist, dass sie die Hemmschwelle herabsetzen können (Ferngesteuerte Waffensysteme senken die Angriffsschwelle). Solche Bedenken äußert auch Kiesewetter wenn auch genereller: Durch die Verfügbarkeit von Drohnen sinke möglicherweise die Schwelle für einen Militäreinsatz.

Internationale Vereinbarungen

Seine Idee, wie diese wieder auf die richtige Höhe zu setzen wäre, besteht darin, dass die Einsätze nicht ferngesteuert von Europa aus, sondern im Einsatzgebiet selbst stattfinden: "Um auch die persönliche Betroffenheit deutlich zu machen, dass dies entsprechend in den Einsatzgebieten ist." Wie wahrscheinlich ist die Verwirklichung eines solchen Vorschlags? Nach bisherigen Erfahrungen ist die "persönliche Betroffenheit" bei Militärs nicht als sonderlich starkes Argument gegen logistische und strategische Einwände berühmt.

Fragen, die das Missverhältniss von theoretischer Schönfärberei und schmutziger Praxis berühren, stellen sich auch auf rechtlichem Gebiet. Der genannte Bericht der US-Akademiker stellt Interviews von "Betroffenen", Pakistaner, die in Waziristan wohnen und sich von den amerikanischen Drohnen so sehr bedroht fühlen, dass sie psychisch erkranken, die Geheimhaltung gegenüber, mit der Obama die Drohnen-Operation umgibt. Es gebe keine Transparenz, es sei nicht einmal klar, ob es zwischen den USA und Pakistan eine Abmachung über rechtliche Grundlagen gebe.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich angesichts dieses "gefährlichen Präzidenzfalles" Regierungen auf internationale Abkommen einigen und sich an internationale Vereinbarungen, etwa zum Schutz von Zivilpersonen, halten?

Die Befürworter der Drohnen setzen auf saubere und eindeutige Einsatzregeln, die zivile Kollateralschäden vermeiden, und auf internationale Vereinbarungen. In solchen Forderungen liegt viel Hoffnung. Jedoch zeigen manche Konflikte wie zum Beispiel in Syrien, wo wiederholt die Rede von militärischem Eingreifen war, dass Standards aus internationalen Vereinbarungen im Kriegszustand auf sehr dünnem Boden stehen.