Der geheime Drohnenkrieg über den USA

Marschflugkörper V1 bei der Startvorbereitung. Bild: Lysiak, Deutsches Bundesarchiv (Bild 146-1973-029A-24A). Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Der Robot-Krieg begann schon 1944

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Derzeit steht die Regierung Obama wegen des intensiven Einsatzes von Drohnen unter Druck, mit denen die CIA in Heckenschützen-Manier in Pakistan etliche "Terrorverdächtige" exekutiert. Dem Bureau of Investigative Journalism in London zufolge wurden seit Juni 2004 bis heute zwischen 2562 und 3325 Menschen in Pakistan durch Drohnenangriffe getötet, darunter 474 bis 881 Zivilisten (einschließlich 176 Kinder). Würde umgekehrt über den USA eine ausländische Drohne auftauchen und amerikanische Zivilisten bombardieren, würde man vermutlich von "Terror" und "Krieg" sprechen - oder den Drohnenangriff vertuschen, wie man es bereits 1944 beim ersten interkontinentalen Drohnenkrieg tat. Die Geschichte der japanischen Ballondrohnen war lange ein Staatsgeheimnis und ist noch heute landläufig unbekannt.

Während in Deutschland 1942 die Entwicklung des als "V1" bekannten Marschflugkörpers begann, konstruierte auch das japanische Militär eine geheime Wunderwaffe, mit der tödliche Fracht unbemannt ins Ziel gelenkt werden sollte. Nach zwei Jahren Vorbereitung erhob sich an der japanischen Küste 1944 eine Flotte Wasserstoffballons in die Troposphäre, um sich vom Jetstream mit einer Geschwindigkeit von über 100 km/h über den Pazifik treiben zu lassen. Etwa 80 Stunden später tauchten über den USA unbekannte Flugobjekte ohne Hoheitszeichen auf. An den Ballons, deren Herkunft den Behörden zunächst ein Rätsel war, hingen elektromechanische Abwurfvorrichtungen, die nacheinander jeweils eine Serie an Brandsätzen sowie als letztes eine konventionelle Bombe freigaben.

Beim vier Jahre zurückliegenden japanischen Angriff auf Pearl Harbor war lediglich ein US-Stützpunkt auf einer fernen Insel betroffen. Nun aber verwirklichten die Ballondrohnen den ersten Angriff des Zweiten Weltkriegs auf kontinentales US-Territorium, das bislang als sicher galt. Bereits zuvor hatte ein japanisches Flugzeug Hysterie ausgelöst, das lediglich vor der Küste aufgetaucht war. Obwohl die relativ schwachen und wenigen Bomben für den riesigen Flächenstaat keine objektive Bedrohung darstellten, boten sie Potenzial für eine Massenpanik. Als etwa 1849 Feldmarschall Radetzky über Venedig von unbemannten Ballons Bomben abwerfen ließ, die objektiv kaum bedeutende Schäden anrichteten, reichte der psychologische Effekt aus, um die Venezianer zur Kapitulation zu bewegen. Selbst ein Fehlalarm vermochte Panik auszulösen - etwa am 3.September 1939 in London, als eine Viertelstunde nach der Kriegserklärung Großbritanniens Luftalarm wegen eines erwarteten Vernichtungsschlages gegeben wurde. Tatsächlich war die deutsche Luftwaffe damals hierzu gar nicht in der Lage. Tausende Londoner waren damals vor der imaginären Gefahr geflüchtet, was sich in den folgenden acht Monaten wiederholte, bis die Gefahr schließlich Realität wurde.

Geheimer Luftkrieg

Die US-Regierung befürchtete, dass die Ballons auch mit biologischen Waffen bestückt sein könnten. Diese wären dann die ersten interkontinentalen Massenvernichtungswaffen gewesen. Zunächst war die große Batterie der elektrischen Abwurfautomatik in Verdacht geraten, biologische Kampfstoffe zu enthalten. Um eine Massenpanik zu vermeiden, aber auch, um dem Feind keine Informationen über Treffer zukommen zu lassen, verhängten die Behörden gegenüber der Presse eine strikte Nachrichtensperre. Ein mit Reis gefüllter Ballastsack verriet Militärwissenschaftlern die Herkunft der Drohne. Den Luftstreitkräften gelang es schließlich, einen Teil der eintreffenden Ballons abzuschießen. Ein Pilot brachte sogar das Kunststück fertig, durch den Sog seines Flugzeugs einen Ballon herunter zu treiben, so dass dieser komplett geborgen werden konnte.

Japanische Ballonbombe. Bild: United States Army

Die insgesamt ca. 9.000 japanischen Ballons waren aus Papier hergestellt worden, das nur ein Drittel des Gewichts von Gummi hatte, sodass die Flugkörper eine Höhe von 10.000 m und damit den Jetstream erreichen konnten. Zur Produktion der Papierhülle waren japanische Schülerinnen abgestellt worden. Instrumente wie etwa Höhenmesser lösten den Abwurf von Ballastsäcken aus, um den Ballon zu navigieren. Der elektrische Mechanismus musste in der Troposphäre auch große Kälte überstehen. Nach Abwurf der Brand- und Sprengbomen stiegen die Ballons in große Höhe auf, wo sich die Abwurfvorrichtung sprengte und der mit Wasserstoffgas gefüllte Papierballon seine Spuren in einem orangenen Feuerball vernichtete. Im strategischen Idealfall hätten die USA die Ballons nicht bemerkt und über die aus der Luft fallenden Bomben gerätselt.

Die Effizienz der Ballonbomben war gering, gerade einmal 300 Ballons erreichten überhaupt nordamerikanischen bzw. kanadischen Luftraum. In einem Flächenland wie den USA wäre es auch eher ungewöhnlich gewesen, hätte eine der Drohnen tatsächlich ein militärisch oder psychologisch wichtiges Ziel getroffen. Einzig in Oregon wurden sechs Angehörige einer Familie getötet, als sie im Wald einen Blindgänger berührten. Ein Zusammenhang zwischen der mysteriösen Explosion und den der Öffentlichkeit verheimlichten Ballons war zunächst nicht erkannt worden. Ein unglaublicher Zufall ereignete sich jedoch, als einer der Ballons ausgerechnet einen Brand auf dem Testgebiet des Manhattan-Projekts bei Hanford verursachte. An der für Japan fatalen Entwicklung der Atombombe änderte dies allerdings nichts. Die Geschichte der geheimen Drohnenangriffe auf die USA arbeitete 2005 der Filmemacher Michael White auf.

Operation Aphrodite

Auch die USA versuchten 1944 den Einsatz von Drohnen zum Bombardement. Gemeinsam mit den britischen Streitkräften wurden konventionelle Bomber, die ausgemustert werden sollten, mit Sprengstoff und jeweils vom Begleitflugzeug per Funk ferngelenkt. Möglich wurde dies durch zwei im Cockpit installierte TV-Kameras, die Zielgebiet und Armaturen übertrugen. Zum Start war ein Pilot notwendig, der dann per Fallschirm absprang. Das unausgereifte Programm scheiterte auf ganzer Linie und kostete etliche Piloten das Leben. Darunter prominent: Joseph P. Kennedy junior.

Projekt Mogul

Das US-Militär griff die Idee der Höhenballons auf und experimentierte unter höchster Geheimhaltungsstufe auf einem Stützpunkt in New Mexico. Einer dieser silbrigen Militärballons stürzte 1947 bei Roswell auf dem Acker eines Farmers ab, dem das Militär den Sinn der Überreste streng geheimen Flugkörpers nicht erklären durfte. Der Vorfall wurde zentraler Bestandteil des UFO-Phänomens. Etliche spätere UFO-Sichtungen wurden routinemäßig mit "Wetterballons" erklärt, bei denen es sich tatsächlich jedoch um militärische handelte. Im Auftrag der CIA ließ das Militär in den 50er Jahren eine unbemannte Flotte von über 4.000 Höhenballons über das Territorium der Sowjetunion treiben, um mit akustischen Sensoren nach dem Knall von möglichen Atombombentests zu fahnden.

MQ-1 Predator bewaffnet mit AGM-114 Hellfire-Raketen. Bild: U.S. Air Force

Killer-Drohnen

Waren Flugdrohnen seit Ende der 90er Jahre zunehmend zu Aufklärungszwecken eingesetzt worden, statteten die USA 2004 ihre Systeme mit Luft-Boden-Raketen aus. Die USA halten sich für berechtigt, Personen ohne nachvollziehbares Gerichtsverfahren zu liquidieren, die sie für Terroristen halten. Die Systeme arbeiten jedoch weder sauber, noch präzise. Die mit der Entwicklung neuer Waffen beauftragte DARPA arbeitet an immer obskureren Kriegsrobotern. Nunmehr träumt auch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr. Die wiederum prahlt damit, ihre Drohnen könnten nach Tokio und zurück fliegen. Die Drohnen wären dann wieder da angekommen, wo sie 1944 gestartet waren.