Einkreisung des Parlaments in Madrid endet in Gewalt

Weil die Politiker der großen Parteien die Demokratie entführt hätten, wurde das spanische Parlament eingekreist

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So friedlich wie am Wochenende in Portugal blieb es in der spanischen Hauptstadt am späten Dienstag nicht, wo ebenfalls friedlich das Parlament belagert werden sollte. Schon im Vorfeld hatte die konservative Regierung die Stimmung enorm angeheizt. Sie hatte so getan, als müsse das Parlament vor Putschisten verteidigt werden, weil Empörte dazu aufgerufen hatten, am 25. September den Kongress einzukreisen. Die Vizeministerpräsidentin Soraya Sáenz de Santamaría hatte erklärt: "Das letzte Mal als der Kongress eingekreist und eingenommen wurde, war bei einem Staatsstreich."

Versamlung auf dem Sol. Bild: Facebook-Seite von Coordinadora25s

Damit zog die Regierungssprecherin einen direkten Bezug dazu, dass 1981 Beamte der paramilitärischen Guardia Civil bewaffneten den Kongress gestürmt hatten (Der letzte Putsch in Europa). Das ist auch deshalb besonders erstaunlich, weil sich die regierende Volkspartei (PP) weder vom Putsch 1936, mit dem die Republik gestürzt wurde, noch von den vier Jahrzehnten der Franco-Diktatur distanziert hat, die von einem Franco Minister gegründet wurde. Eingekreist war er schließlich schon ab Montag der Kongress mit drei Ringen von 1.300 Polizisten (vor allem Aufstandsbekämpfungseinheiten). Absperrgitter verhinderten, dass man auch nur in die Nähe des Parlaments kam.

Mit dem Protest wollte die Empörten-Bewegung klar machen, dass die Politiker die "Demokratie entführt" hätten. Sie sprechen stets von einer "Zweiparteiendiktatur der PPSOE". Die PP und die Sozialdemokraten, die sich Sozialisten (PSOE) nennen, hätten ein Wahlsystem geschaffen, das kleine Parteien benachteiligt. Vor derlei Parlamentariern müsse die Demokratie gerettet werden. Der Rücktritt der Regierung wurde verlangt und eine neue Verfassung gefordert.

Zunächst war erneut versucht worden, die Demonstrationen und Kundgebungen nicht zuzulassen. Angeblich sei dies in der Nähe des Parlaments illegal, wenn Abgeordnete tagen. Letztlich mussten diverse Versammlungen und Demonstrationen dann doch genehmigt werden, die in die Nähe des Kongresses führten. Tausende haben sich daran beteiligt. Nach Angaben der Regierung, welche die Beteiligung an Demonstrationen stets wie in Katalonien deutlich nach unten korrigiert, die sich gegen ihre Politik richten, spricht von 6.000 Teilnehmern.

Letztlich bekamen die Verantwortlichen am Abend dann die Bilder, die angesichts der Panikmache erwartet wurden. Am Neptun-Platz kam es zu heftigen Prügeleien, bei denen mindestens 64 Menschen verletzt wurden. Ein Demonstrant wurde schwer verletzt und erlitt vermutlich eine Verletzung am Rückenmark. Offensichtlich begann die spanische Polizei wie gewohnt brutal auf die Menge einzuprügeln, nachdem einige Demonstranten versucht hatten, Absperrgitter niederzureißen. Das führte zu Prügelorgien. Bis spät in die Nacht hat die Polizei Demonstranten noch in Bahnhöfe verfolgt und verprügelt.

Es soll aber auch andere Bilder gegeben haben. Ein Polizist soll den Helm abgenommen und sich unter Beifall "für meine Kinder" auf die Seite der Demonstranten geschlagen haben. Schließlich sind auch Polizeibeamten und ihre Familien von den massiven Einschnitten der Konservativen ins Sozialsystem betroffen, weshalb sich immer wieder auch Polizisten an Demonstrationen beteiligen. Diese Demonstration und die Krawalle zeigen erneut, dass sich die Proteste in Spanien radikalisieren. Es bleibt nicht mehr nur bei symbolischen Aktionen, sondern es wird auch schon mal zu Enteignungsaktionen gegriffen, um an Lebensmittel zu kommen (Enteignung, Diebstahl oder Plünderung?).