Sollen die Einkommen der Topmanager in der Schweiz begrenzt werden?

Linke, Grüne und Gewerkschaften wollen in einer Volksabstimmung durchsetzen, dass in einem Unternehmen der höchste Lohn nicht mehr als das Zwölffache des niedrigsten Lohnes betragen darf

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Die Jungsozialisten in der Schweiz haben mit der Unterstützung von der Sozialistischen Partei, den Grünen und Gewerkschaften eine Initiative auf den Weg gebracht, die die Einkommen der Manager radikal kürzen will. Kein Angestellter soll in einem Jahr weniger verdienen als der bestbezahlte Manager in einem Monat. Gefordert wird, in der Verfassung zu verankern, dass in einem Unternehmen der höchste Lohn nicht mehr als das Zwölffache des niedrigsten Lohnes betragen darf. Daher heißt die Initiative, für die im letzten Jahr mehr als die erforderlichen 100.000 Stimmen gesammelt wurden, 1:12 - Für gerechte Löhne. Das Volk soll damit über gerechte Löhne abstimmen und für faire Spielregeln in der Wirtschaft sorgen können.

Plakat der Juso-Initiative

Der Nationalrat muss sich heute mit dieser Initiative befassen, der Bundesrat hat bereits empfohlen, sie abzulehnen, obgleich auch er das Problem der sich immer weiter öffnenden Kluft zwischen den Topverdienern und dem Rest der Arbeitnehmer sieht:

Der Bundesrat weist an dieser Stelle darauf hin, dass sich die Löhne und Einkommen in der Schweiz seit den 1990er-Jahren gemäss den verfügbaren Informationen ziemlich ausgewogen entwickelt haben. Was dagegen die sehr hohen Löhne betrifft, geht er mit den Initiantinnen und Initianten einig, dass die in den letzten Jahren beobachteten Exzesse zu sozialen und wirtschaftlichen Problemen führen könnten. Dennoch ist der Bundesrat der Ansicht, dass das angestrebte Ziel mit der von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagenen Massnahme nicht erreicht werden kann und dass die Massnahmen im Bereich der Lohnbildung und der Umverteilung der Einkommen, die bereits getroffen wurden oder zurzeit entwickelt werden, dafür besser geeignet sind.

Die Festlegung der hohen Einkommen in der Privatwirtschaft sei Sache der Unternehmen, eine staatliche Festlegung würde die "Standortattraktivität der Schweiz" für wichtige Branchen beeinträchtigen. Zudem strebe der Staat "mit dem Steuersystem und mit zahlreichen Transferleistungen im sozialen Bereich einen Ausgleich der Einkommensverteilung an".

Große Chancen dürfte die Initiative nicht haben, der Schweizerische Gewerkschaftsbund hat sich aber noch einmal dafür stark gemacht. "Die heutigen Lohnscheren sind reine Willkür", heißt es dort. "Sie sind Ausdruck einer arroganten Mentalität, die wirtschaftlichen Erfolg nur als Produkt einer schmalen Managerelite sieht. Das ist zu korrigieren." Verwiesen wird auf die groß Kluft, wie sie überall, nicht nur in der Schweiz, zu finden ist: "Das Verhältnis vom allerhöchsten zum allertiefsten Lohn beträgt 2011 bei Novartis 266:1, bei Nestlé 215:1, bei Roche 213:1." Und man rechnet vor, dass mit der 1:12-Regelung niemand Armut fürchten müsse: "Zahlt ein Unternehmen tiefste Löhne von 4000.- im Monat, wie das die entsprechende SGB-Volksinitiative vorsieht, dann gibt’s für die Spitzen desselben Betriebs immer noch 576‘000.- pro Jahr. Am Hungertuch nagen müssen sie nicht… " Und die Gewerkschaften fordern Mut vor der ewigen Drohung, dass die Topmanager und Unternehmer abwandern würden:

Die Schweiz hat, um das demokratische Selbstbestimmungsrecht zu bekommen, als erste ihre Fürsten verjagt. Das haben die Franzosen und die Deutschen erst viel später gemacht. Wenn wir jetzt die Fürsten in der Wirtschaftswelt verjagen - oder bloss zur Vernunft bringen - dann wird das ausstrahlen.

Alles nur emotional

Das stimmt natürlich aus der Perspektive der Mittelschicht, aber in der wirtschaftsnahen Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) wird unter dem Titel Lasst die Büchse der Pandora zu dafür geworben, die Initiative bloß nicht weiter zu verfolgen. Die Begründung ist erwartbar in ihren Allgemeinplätzen, aber doch auch nicht uninteressant und lehrbuchhaft, zumal in Reaktion auf die Werbung des Gewerkschaftsbunds auch erwähnt wird, dass der monatliche Bruttomedianlohn im Jahr 2010 für Männer 6.397 Franken und für Frauen 5.221 Franken betrug. Offenbar hat man doch auch ein wenig Sorge, dass eine Volksabstimmung stattfinden könne.

Die Debatte werde aber nur "emotional" geführt. Emotional ist für den NZZ-Kommentator zwar die Kritik an der nicht Entlohnung von Managern nachvollziehbar: "Warum verdient eine Krankenschwester, die eine anspruchsvolle und fordernde Arbeit hat, so viel weniger als der Chef des Pharmakonzerns Novartis?" Aber das ist halt nur emotional, d.h. bestimmt von Neid. Und damit komme man nicht weit. Kritik also auch an exzessiven Einkommen ist Neid, das Einstreichen dieser Einkommen wird aber nicht behandelt, es könnte sich ja auch um eine Emotoion, vielmehr um das Laster Gier handeln? Zu fragen, warum jemand Millionen im Jahr verdienen muss, sollte mithin lieber nicht gestellt werden, weil damit in die Untiefen der Emotionen gerät.

Abgewehrt wird jede Beschränkung durch folgende Argumentation, die zwar Objektivität für eine Beschränkung, aber keine für die jeweilige Höhe des Einkommens verlangt:

Auch das immer wieder vorgebrachte Argument, die derzeitige Spreizung der Löhne sei ungerecht, verfängt nicht. Denn die individuellen Einstellungen zum Thema Gerechtigkeit variieren stark. Ein über alle Zweifel erhabenes Mass gibt es nicht. Wäre es nicht sogar "gerechter", wenn der Manager aus dem SGB-Rechenbeispiel nur zehnmal mehr verdienen dürfte als die Arbeitskraft mit dem geringsten Lohn?

Das zwölffache Einkommen ist willkürlich, in der Tat, ein "gerechtes Maß", so der Schreiber, gebe es aber überhaupt nicht, so die ebenfalls unbegründete Schlussfolgerung, weswegen man offenbar eine Beschränkung schon gar nicht fordern dürfe. Hinter der Diskussion über die Gerechtigkeit könnten die wirtschaftlichen Sachverhalten in den Hintergrund treten, fürchtet der NZZ-Journalist, der natürlich weiß, auf welcher Seite er stehen muss, um seinen Job zu behalten. Beruhigend führt er an, dass die Kluft zwischen Reich und Arm nicht größer geworden, sondern zwischen 1998 und 2009 sei die "Ungleichheit" stabil geblieben. Das ist das Sprungbrett, um vor den "wirtschaftlichen Folgen des staatlichen Eingriffs in den Findungsprozess für Managerlöhne" zu warnen. Betroffen seien "vor allem die Topverdiener der Pharma-, Chemie, Finanz- und Handelskonzerne, … die für den Wirtschaftsstandort Schweiz so wichtig sind", von Bankern wird lieber gleich gar nicht gesprochen.

Und was würden Unternehmen machen, wenn die Gehälter ihrer Topmanager gedeckelt würden? Sie würden dann nicht abwandern, sie seien dazu sogar "gezwungen", meint der NZZ-Journalist und beschwört die Apokalypse, wie das immer bei diesen Themen gemacht wird, um den Menschen und Politikern zu zeigen, dass angeblich alle immer im selben Boot wie die Reichen sitzen und sich daher deren Erwartungen zu fügen haben:

In letzter Konsequenz wären sie dazu gezwungen, zumindest Teile ihrer Standorte ins Ausland zu verlagern, weil sie sonst nicht mehr die aus ihrer Sicht besten Führungskräfte rekrutieren könnten. Diese Verlagerung hätte für die gesamte Schweizer Wirtschaft schwerwiegende Folgen. Die Wertschöpfung ginge zurück, die Arbeitslosigkeit stiege, der Binnenkonsum schrumpfte, und die Steuerquellen würden nicht mehr üppig sprudeln. Die Schweiz als Ganzes verlöre. Damit wäre niemandem gedient.