Schredder für den Verfassungsschutz

...und was die Security sonst noch zu bieten hat

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Krisenzeiten sind gut für das Sicherheitsgewerbe. So auch für das Mekka der Branche, die alle zwei Jahre stattfindende Security-MesseY in Essen. Sie begeht 2012 ihr 20 jähriges Jubiläum. Unser Autor hat sich ein bisschen umgeschaut.

Security 2010. Bild: Messe Essen

1.086 Aussteller aus 40 Ländern, darunter die USA, Israel, Ukraine, Russland, Taiwan und vor allem VR China sind auf der Messe vertreten. Auf den 85.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche überwiegen zumindest optisch die Bereiche Brandschutz – vom Feuermelder bis zum Löschfahrzeug, Einbruchmeldetechnik, Zutrittskontrollen und Überwachungssysteme.

Freibier beim Taiwanesen

Die Besucher kann sich aussuchen, ob sie von deutscher - oder chinesischer Wertarbeit in fernsehtauglicher Qualität überwacht werden möchten. Mehrere hundert Meter führt der Weg vorbei an chinesischen Firmen, die ihre optisch kaum unterscheidbaren Kamerasysteme feilbieten. Offenbar sind Überwachungsgeräte in China ganz hoch im Kurs.

Bei dieser Konkurrenz ließ sich die Taiwanesische Firma ACTI etwas Besonderes einfallen. Statt der an den übrigen Messeständen ausgelegten Kugelschreibern, Keksen und Gummibärchen bietet ACTI etwas, worauf deutsche Männer reagieren nämlich "Freibier". Vom 25. bis 28. September können sich die Besucher dieser Firma bei einem Freibier die Vorzüge der E 31 Outdoor-Kamera und die wesentliche Unterschiede etwa zur TCM-111 Outdoor-Kamera erläutern lassen. Da es noch mehr von diesen Geräten gibt, sind solche eher trockenen Erläuterungen mit Bier noch besser zu verstehen.

Wer von zuviel Freibier einen dicken Kopf bekommt, kann sich mit Hilfe eines, bei leichtem Druck wie ein Badeentchen quietschenden Massage-Igels aus Plastik mit lustig-niedlichem Gesicht, den Brummschädel massieren lassen. Die schwäbische Firma bietet außer dem Igel Alarm- und Bewegungsmelder. Dem Verkaufsprospekt zufolge, bestimmt für das traute Heim in gehobener Preisklasse.

Westliche Industriespionage?

Überraschendes hatte der Verfassungsschutz zu bieten. Das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz machen auf der Security etwas für alle Beteiligten ziemlich Ungewöhnliches – sie arbeiten zusammen, betreiben sogar gemeinsam einen Messestand. In einer gemeinsam verantworteten Broschüre informieren die Verfassungsschützer des Bundes und der Länder auch über "Wirtschaftsspionage":

Auslandsaufklärung wird von fast allen Staaten der Welt betrieben, um politische Entscheidungen vorzubereiten oder weltwirtschaftliche Lagebilder zu erstellen. (...) Einige Auslandsaufklärungsdienste (sic! neue Wortkreation) haben aber auch die Aufgabe, die Wirtschaft ihres Landes unmittelbar zu unterstützen, indem sie für die Unternehmen ihres Heimatlandes Informationen beschaffen.

Im Weiteren wird über russische und chinesische Dienste informiert.

Verfassungsschutz: Chinesische Nachrichtendienste haben viele Agenten

Zu China heißt es: "Die chinesischen Nachrichtendienste verfügen über ca. eine Million Mitarbeiter. Mit Sorge beobachten die Verfassungsschutzbehörden die offensive Vorgehensweise bei der Informationsbeschaffung in Deutschland." Im weiteren wird dann tatsächlich die Frage formuliert, ob es auch "Wirtschaftsspionage westlicher Dienste" gebe?" Nun ja, es gäbe in den Medien solche Berichte, aber "Belege für eine systematische Wirtschaftsspionage westlicher Dienste liegen bisher nicht vor..."

Damit der chinesische Rechtsstaat und seine vielen fleißigen Wirtschaftsspionen es nicht allzu schwer haben, bei der Beschaffung neuester Entwicklungen, unterhält das u.a. mit Bildauswertung, Optronik und Verteidigungstechnologie befasste Fraunhofer-IOSB neben seinen Niederlassungen in Karlsruhe, Ettlingen, Ilmenau und Lemgo auch eine in Beijing

China - Markt der Zukunft - Aufgrund langjähriger Kooperationen mit Forschungseinrichtungen und Industriepartnern in China hat das IOSB ein Kontaktbüro mit Service- Zentrum direkt in Peking aufgebaut. Die Erfahrung und der Erfolg haben gezeigt, dass es notwendig ist, den Entscheidungsträgern in wichtigen Industrien und Ministerien vor Ort zu begegnen.

Fraunhofer-IOSB
"Automatische Erkennung einer Übergabesituation durch robustes Personentracking in einer Menschenmenge.". Bild: IOSB

Zur Sparte Verteidigung steht in einer Broschüre: "Das Geschäftsfeld Verteidigung ist mit zehn beteiligten Abteilungen das größte Geschäftsfeld am Fraunhofer-IOSB. Es erhält eine Grundfinanzierung für die Beratung staatlicher Stellen. Typisches Stichwort ist Urteils- und Beratungsfähigkeit für die Bundeswehr."

Ein weiterer Bereich betrifft die zielgenaue Personenerfassung, ein Forschungsbereich des Fraunhofer IOSB der in China sicherlich auf große Aufmerksamkeit stößt:

Durch das Aufkommen asymmetrischer Bedrohungsszenarien wuchs der Personenerfassung auch militärische Bedeutung zu (...) Die Bearbeitung der Personenerfassung im IOSB ist breit angelegt und deckt alle militärisch relevantren Spektralkanäle, Kameraperspektiven und Auswertungsaufgaben ab.

Bestens geeignet auch für die Erfassung etwa von nichtkonformen Demonstranten und der für den Partnerstaat VR China so störenden Menschenrechtsaktivisten...

Schreddern für ihre Sicherheit

Nicht weit von den Verfassungsschützern entfernt hat die Firma HSM ihren Stand aufgebaut. Sie bietet Geräte an, von denen auch – wenig erstaunlich – das Bundesamt für Verfassungsschutz welche gekauft habe: ganz tolle Hochleistungsschredder. "Richtig schreddern für Ihre Sicherheit" lautet die Firmendevise. Einer der Kundenberater erklärt die Vorzüge des Gerätes und empfiehlt für sensible Daten die Zerkleinerung auf eine staubähnliche Partikelgröße von maximal 0,2 Quadratmillimetern. Geschreddert werden können nicht nur Odner mit Papieren, sondern auch CDs und Festplatten mit magnetischen Datenträgern – bis zu einer Partikelgröße von max. 5 mm².

"Weil abgelenkte Insassen sich eben viel besser führen lassen." Aus der Broschüre von Telio Communication für MULTio

Knastkompatibles Internet

Wenn trotz aller Zugangskontrollen und trotz aller schuss- und schlagresistenten Fenster ganz bösen Buben dennoch ein Raubzug glückte, werden sie natürlich von unserer unermüdlichen Polizei (auf der Security vertreten durch Beamte des gastgebenden Bundeslandes NRW) gefasst und von der fleißigen Justiz verurteilt. Aber auch im Gefängnis gilt höchste Sicherheitsstufe. Und dazu gehört auch das strikte Verbot von Mobiltelefonen.

Die bereits erwähnte BundPol Security Service hat "verdeckte Handydetektion" im Angebot. Leicht am Gürtel getragen sucht das Gerät "permanent nach Handyaktivitäten und scannt alle Handyfrequenzen einschließlich UMTS", heißt es im Werbeprospekt.

Und Telio Communication GmbH bietet ROOMio, das Haftraum-Telefon sowie einen Knast-tauglichen Internetempfang. Häftlinge sollen durch überwachten Video- und Internetkomsum ruhig gestellt werden. "Ruhe Respekt und Resozialisierung" durch "MULTio". Radio, Fernsehen mit digitalem Videorecorder, PC mit eingeschränktem Internetzugang." Klingt so, als habe man von China gelernt.