Für Romney ist die freie Marktwirtschaft das Allheilmittel

Im US-Wahlkampf stehen mit den Fernsehdebatten die entscheidenden Wochen an

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Mitt Romney und Barack Obama duellieren sich im Oktober in drei Debatten über Innen- und Außenpolitik. Es ist die letzte Chance der Kandidaten, die Bürger von sich zu überzeugen. Für den zahmen Romney heißt es: Alles oder nichts, und dazu gehört auch, kurz vorher noch schnell ein paar Ideen über die Außenpolitik darlegen.

Die vergangenen Wochen waren nicht von Erfolg gekrönt für Mitt Romney. Seine Auslandsreise zu den Olympischen Spielen in England, nach Polen und Israel war geprägt von Pannen, die ihm statt der Schärfung seines bisher blassen außenpolitischen Profils Häme und Spott einbrachten. Aber Romney ist niemand, der aufgibt. Unterbrochen vom republikanischen Parteitag im August nahm er in der vergangenen Woche die UN-Vollversammlung in New York zum Anlass und wagte ein paar Straßen weiter einen erneuten Anlauf. Es ist Romneys letzte Gelegenheit, den Wähler zu zeigen, mit welcher Art Außenpolitik sie rechnen dürfen, sollte er ins Weiße Haus einziehen, bevor diesen Monat die Fernsehdebatten beginnen.

Auf dem Treffen der Clinton Global Initiative erklärte er sein Obama-Kontrastprogramm. Als Präsident würde er demnach eine deutlich offensivere Rolle beim Umgang mit der Krise in Nahen Osten bevorzugen, als es die bisherige Administration bisher tat: "Viele Amerikaner sind besorgt", was die Entwicklung dort angehe, so Romney. Man habe den Eindruck, als wäre man den Vorfällen in Syrien, Ägypten und in Libyen ausgeliefert, statt sie zu beeinflussen.

Er stellte sich außerdem offensiv hinter Israel, indem er die "Stimme des Hasses” kritisierte, ohne Irans Präsident Ahmadinedschad jedoch beim Namen zu nennen. Weiterhin pries er das freie Unternehmertum, quasi als globales Allheilmittel für jede Lebenssituation.

Free enterprise has done more to bless humanity than any other economic system (…). Free enterprise cannot only make us better off financially, it can make us better people.

Außenpolitik à la Romney

Romneys "neuer Ansatz für eine neue Ära": Er würde frische Handelsabsprachen treffen und die "Reagan Economic Zone" aufbauen. Dabei sein dürfe jede Nation, "die nach den Regeln spielt", sagte Romney, und verteilte damit den obligatorischen Seitenhieb Richtung China.

Auch für die Entwicklungshilfe würde er ein anderes Ziel vorgeben: weg von der Abhängigkeit durch ständige Geldzahlungen. Das wäre schlicht nicht nachhaltig. Stattdessen "verbinden wir Hilfe mit Handel und privaten Investitionen, um Individuen zu stärken, Innovatoren zu ermutigen, und Unternehmer zu belohnen." Kurz, Romney würde auf mehr Verträge zwischen Regierungen und dem Privatsektor drängen. Den armen Menschen vor Ort würde dies zu einem selbstbestimmten Leben verhelfen, ist er überzeugt. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, fasste er seine Ziele zusammen, "muss im Zentrum unseres Bemühens stehen."

Ein gekonnter Brückenschlag: Mitt Romney der "Arbeitspräsident", innen- und außenpolitisch. Die Macht der freien Marktwirtschaft ist sein Schweizer Taschenmesser für das Leid der Welt. Der Glaube an Free Enterprise und die Absicht, das Land zurück zum globalen Gestalten durch aktives Eingreifen bei Krisensituation zu bringen - Romneys Lied klingt gut in den Ohren vieler US-Bürger, weil die Urmelodie der amerikanischen Identität mit schwingt.

Ob es reicht, unabhängige Wähler zu überzeugen und Obama in Schwierigkeiten zu bringen, wird die Diskussionsrunde über Außenpolitik am 22. Oktober in Florida zeigen. Ausschlaggebend dafür, wer in fünf Wochen gewählt wird, ist die globale Politik aber weniger. Das zeigte auch Obama. Auf der UN-Vollversammlung hielt er zwar eine Rede, setzte sich danach jedoch wieder ins Flugzeug und verließ New York, um sich dem Volk daheim zu widmen. Die erste Debatte am kommenden Mittwoch in Denver, Colorado, ist wichtiger.

Alles oder nichts für Romney in der ersten Debatte

Dort geht es um Innenpolitik, und damit ums Thema Nummer Eins: die flaue Wirtschaft. Es ist der Unique Selling Point des Kandidaten Romney, seine 25 erfolgreichen Jahre in der Privatwirtschaft der Grund, weshalb er ins Weiße Haus gehört. Romney hat die Formel, um das Land aus der Rezession zu zaubern, so das Motto seiner Kampagne. Bisher brachte ihn das in Umfragen gleichauf mit dem von der menschlichen Perspektive beliebteren Amtsinhaber. Doch seit wenigen Tagen scheinen die Zahlen zugunsten Obamas zu kippen, seine schnelle Abreise vom internationalen Parkett scheint sich auszuzahlen.

In den wichtigen Swingstates Ohio, Florida und Pennsylvania liegt er teilweise mit bis zu 10 Prozentpunkten vor seinem Herausforderer, laut einer Umfrage von Quinnipiac University/CBS News/New York Times. Keine guten Voraussetzungen für Romney: Er geht mit Rückstand in die Diskussion.

Ein unspektakulärer Punktesieg könnte somit nicht mehr ausreichen, um zu überzeugen. Der Idealfall für ihn wäre eine Kombination von Überraschungsschlägen, mit denen er Obama in die Defensive drängt. Aber Romney müsste dies gelingen, ohne dabei feindselig zu wirken und als "Out of Touch" mit dem Ottonormalverbraucher. Für den zaghaften Country-Club Mann ein Drahtseilakt. Während des bisherigen Wahlkampfes hat er das Angreifen anderen überlassen, zuletzt seinem Vize Paul Ryan, und auch für einen verbalen Fehltritt ist er immer zu haben.

Tiefstapeln und Hochloben

Entsprechend intensiv hat Romney sich in den vergangenen Wochen vorbereitet. Schon während des demokratischen Parteitages zog er sich ins Haus eines Freundes im US-Bundesstaat Vermont zurück, um dort mit Senator Rob Portman aus Ohio zu proben. Barack Obama dagegen trainiert angeblich erst seit Sonntag das Frage- und Antwort-Spiel, und zwar mit John Kerry, berichtet die Los Angeles Times.

Es wäre kein Wahlkampf, wenn die beiden Lager nicht auch über die eigene zu erwartende Performance und die ihres Gegners taktieren würden. Mit dem für ihn typischen Humor hat Romney sich bereits vor der ersten Debatte abgeschrieben. Portman hätte bisher jede Proberunde gewonnen, so Romney. Er wäre einfach ein zu guter Obama-Klon. Und seine Kampagne legte Ende der letzten Woche noch einmal nach: Präsident Obama wäre ein "einzigartig begabter Sprecher" und einer der "talentiertesten politischen Vermittler der neueren Geschichte".

Zu einem ähnlich überschwänglichen Lob kann sich Obama-Team offensichtlich nicht durchringen. Man ließ lediglich durchsickern, dass die etlichen Auftritte bei den republikanischen Vorwahlen im Frühling Herausforderer Romney scharf geschliffen hätten für den Angriff, und dass ihr eigener Kandidat wegen seines Jobs als Präsident nur wenige Zeit gehabt hätte, um sich adäquat auf diesen vorzubereiten. Beiden Seiten tanzen den gleichen Tanz: selbst Tiefstapeln, den anderen hochloben, um am Ende die kleinste Überraschung als Große verkaufen.

Zu diskutieren gibt es für Romney und Obama am Mittwoch sechs Fragen à 15 Minuten. Moderator Jim Lehrer hat sie vor knapp zwei Wochen bekannt gegeben: drei zur Wirtschaft, eine zur Gesundheitsfürsorge, eine zur die Rolle der Regierung und eine allgemein über das Verwalten. Auch eine explizite Frage nach "Citizens United" könnte Platz finden - jener umstrittenen Entscheidung, der großen Unternehmen in diesem Wahlkampf durch "SuperPACs" freie Hand bei der Höhe ihrer Parteispenden lässt. Über das Kampagnenetzwerk Avaaz.org rufen Aktivisten seit einiger Zeit dazu auf, eine Petition zu unterzeichnen, um Lehrer dazu zu drängen, etwas Platz in seiner 90-minütigen Gesprächsrunde für das Thema frei zu räumen.

Lösung oder Ursache?

Davon abgesehen darf man konkret das erwarten, was in den vergangenen Monaten über die Fernsehbildschirme flackerte: Romney wird Obama Versagen bei der Wiederbelebung der nationalen Wirtschaft vorwerfen und dafür auf die Arbeitslosenquote von weiterhin über 8 Prozent verweisen. Er wird die hohen Benzinpreise von teilweise über 4 Dollar pro Gallon ins Gefecht werfen (auch wenn die Preise schon einmal vor Obamas Amtsantritt ähnlich hoch waren). Er wird seine eigene Erfahrung im Privatsektor preisen und Obamas kompletten Mangel in dieser Beziehung bemängeln; die nationale Schuldenkrise, sinkendes Einkommen, steigende Energiepreise - das alles wird auf Romneys Notizblock stehen.

Und Obama? Er wird Finten schlagen, abblocken und versuchen, einen kühlen Kopf zu bewahren, denn im Grunde geht es am Mittwoch nur um eine Frage: Ist Romney die Lösung oder das ursprüngliche Problem für die gegenwärtige Wirtschaftslage des Landes? Wer darauf die überzeugenderen Antworten hat, wird aus der ersten Debatte als Sieger herausgehen und damit vielleicht am Ende die Wahl ums Weiße Haus für sich entschieden haben.

Programm:

  1. Format: Debatte; Thema: Innenpolitik, Mittwoch, 3. Oktober; Moderator: Jim Lehrer (PBS)
  2. Vizepräsidenten Biden vs. Ryan debattieren über Innen- und Außenpolitik; Donnerstag, 11. Oktober; Moderator: Martha Raddatz (ABC)
  3. Format: Town-Hall Meeting, unentschlossene Wähler stellen Kandidaten Fragen. Dienstag, 16. Oktober, Moderator: Candy Crowley (CNN)
  4. Format: Debatte; Thema: Außenpolitik, Montag, 22. Oktober, Moderator: Bob Schieffer (CBS)