Junge US-Bürger verlieren Interesse an Parteipolitik und Wahlen

Nachdem Obama sein Versprechen auf Veränderung gebrochen hat, scheint die Wahl zwischen Obama und Romney für eine wachsende Zahl junger Menschen keine mehr zu sein

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Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass bei jungen US-Bürgern die Bereitschaft sinkt, zu den Wahlen zu gehen oder sich überhaupt für Parteipolitik zu interessieren. Das politische System lässt nur den Wechsel zwischen den zwei verkrusteten Parteien zu, Abgeordneter oder gar Präsident kann fast nur werden, wer entweder selbst viel Geld hat oder ausreichend Sponsoren findet. Beim Präsidentschaftswahlkampf geht es nur am Rande um politische Themen und Ziele, vor allem geht es um eine Show, um Aufmerksamkeit und Erregung.

Nach einer Umfrage des Pew Research Center unter registrierten Wählern ist der Hype verflogen, der noch bei den Wahlen 2008 zu spüren war, als immerhin eine kleine Mehrheit der US-Bürger sich mit der Wahl von Barack Obama sich für den Wandel entschied, schon allein auch deswegen, weil erstmals ein Schwarzer zum US-Präsident wurde. Aber der nach Kompromiss und Einvernehmlichkeit suchende Obama scheiterte ziemlich schnell mit seinem Slogan "Yes, we can" und mit den von ihm geweckten Hoffnungen im In- und Ausland. Selbst kleinere Veränderungen wie die Schließung von Guantanamo gelangen nicht. Dazu kam, dass die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise erst nach seinem Amtsbeginn deutlich wurden und er auch für die Fehler seines Vorgängers in Haft genommen wurde.

Im September 2008 haben zumindest 65 Prozent der 18-29-Jährigen gesagt, sie würden sich mit der Wahl beschäftigen, im September 2012 sagen dies nur noch 48 Prozent. Auch bei den Älteren ist das Interesse geschwunden, wenn auch nicht so stark. 2008 gaben 35 Prozent der Altersgruppe an, sie würden die Wahlkampfnachrichten genau verfolgen, jetzt sagen das gerade noch 18 Prozent. Und hatten 2008 noch 72 Prozent behauptet, sie seien entschlossen, zur Wahl zu gehen, sagen dies jetzt nur noch 63 Prozent - und überlassen damit das Feld den älteren Menschen. Von den 50-64-Jährigen wollen hingegen 90 Prozent zur Wahl gehen, 2 Prozent mehr als 2008, und von den über 65-Jährigen sogar 91 Prozent, 4 Prozent mehr als 2008.

Und es wollen nicht nur weniger wählen gehen, es haben sich auch nach Umfragen, die seit Beginn des Jahres geführt wurden, weniger junge Menschen als früher als Wähler registrieren lassen, wobei schon die Auskunft seltsam ist, dass gerade einmal 50 Prozent sagen, sie wüssten mit Sicherheit, dass sie registriert seien. 61 Prozent sagten dies noch 2008. Mehr als 80 Prozent sicher sind die Menschen über 50 Jahre. So wächst nicht nur demografisch den älteren Menschen mehr politische Macht zu, sondern die jungen Menschen lassen dies auch zu, weil sie zunehmend von der Politik bzw. von diesem politischen System für sich nichts mehr erwarten. Für viele scheint die Wahl zwischen Obama und Romney keine wirkliche Wahl zu sein, was die Chancen für Romney steigen lassen könnte.

Auch wenn Obama von den jungen Menschen deutlich Romney vorgezogen wird, ist der Abstand nicht mehr so groß wie 2008 zu McCain. Einen deutlichen Vorsprung hält Obama weiter bei den Frauen, bei allen Nichtweißen und vor allem bei den Schwarzen. Bei den jungen Weißen liegt er nur noch gleichauf mit Romney.

Allerdings sinkt nicht nur auch das politische Interesse der an sich republikanisch orientierten jungen Menschen ebenso ab, sondern auch der Anteil der gemäßigten und liberalen Republikaner in allen Altersgruppen, die sich für den Wahlkampf interessieren und wählen gehen wollen. Er ist um 16 Prozent von 89 Prozent auf 73 Prozent gesunken, bei den konservativen Republikanern jedoch nur um 2 Prozent auf jetzt 90 Prozent. Bei den Demokraten ist das Interesse um 5 Prozent eingebrochen, bei den Unabhängigen um 8 Prozent, gleich ob eher liberal oder konservativ orientiert.

Anders als in den meisten anderen Demokratien, in denen auch kleinere Parteien eine Chance haben und es ein Mehrparteiensystem gibt, kann sich im plutokratischen Zwei-Parteien-System in den USA wenig bewegen. Aber das ist nur ein Grund, schließlich sinkt allgemein die Wahlbeteiligung in allen demokratischen Systemen, auch wenn sie mehr Optionen an Wahlmöglichkeiten und eine größere Durchlässigkeit für neue Parteien bieten. Aber daraus sollte man wohl nicht den Schluss ziehen, dass das Interesse an Demokratie sinkt, sondern eher das an deren Organisation als Parteiensystem.