Die Kunst der Coolness

Was macht Coolness aus? Woran erkennt man sie? Und warum ist sie für uns so anziehend? Eine kleine Spurensuche

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Menschen, die im Lichte der Öffentlichkeit stehen, können nicht sein, wie sie sind. Neider und Feinde bedrohen sie. Verehrer, falsche Freunde und Neugierige stellen ihnen nach. Sie müssen deshalb zum Selbstschutz ein gehöriges Maß an professioneller Distanz erlernen. Von dieser Technik bis zur Kunst der Coolness ist es allerdings noch ein weiter Weg.

Heroen der Coolness: Dean, Wolfe, Houellebecq

Seit Jahrzehnten hängt in vielen Jugendzimmern ein Heiligenbild von James Dean. Wie Clay Collins in seiner Studie zur Körperhaltung von Dean ausführlich darlegte, gelang es Dean, als Pantomime Coolness darzustellen. Ergebnis laut Collins: "He was a paragon of coolness."

Generationen von Jugendlichen versuchen, Körperhaltungen und Stilelemente der Coolness nachzustellen - selten mit Erfolg. Schriftsteller dagegen können kontinuierlich einen coolen Schreibstil pflegen. Als lebende Vertreter dieser Kunst könnten etwa Tom Wolfe und Michel Houellebecq gelten.

"Ein typischer Tom Wolfe-Held mit beneidenswerter Coolness" bescheinigt etwa Christian Seiler in seiner Rezension von "Ich bin Charlotte Simmons", der Romanfigur Hoy Thorbe in der Weltwoche. Arno Widmann in der Berliner Zeitung über "Ausweitung der Kampfzone": "Das Element des Helden von Michel Houellebecq ist die Coolness."

Wenn Coolness tatsächlich durch Körperhaltungen und Stilelemente, durch Gesten und Blicke mehr als nur angedeutet werden kann, könnte sich der Versuch lohnen, Coolness nicht nur als Gegenstand ikonographischer Historie am Schreibtisch zu diagnostizieren.

Als eine Meisterin der Kunst der Coolness auf dem Gebiet der Mode gilt Heidi Klum. "Klare Coolness-Regeln im Hause Klum", weiß dann Pro7, die TV-Volkshochschule für Stylish-Sein und Werden. Da Klum für bekanntlich nicht auf Rosen gebettete Telepolis-Autoren nicht zeitnah zur Verfügung stand, mussten diese sich mit weniger bekannten Models begnügen.

Bildern kann man keine Coolness verordnen. Aber sie können den Hauch der in ihr ausgeübten Distanz wiedergeben. Diese ist natürlich zuerst die Distanz zum Publikum, vertreten durch das Auge des Fotografen. Wer diese Distanz nicht herstellen kann, dessen Pose kann nur noch zufällig cool wirken, dann nämlich, wenn der Fotograf das Model in einem unbeobachteten Moment erwischt.

Auch Woody Allen oder Til Schweiger können dann cool wirken, wenn sie nicht gerade versuchen, Coolness zu spielen. Wie das nächste Foto zeigt, kann die Coolness von Profis schnell abgelegt werden:

Woher kommt diese Sehnsucht nach Coolness? Im Alltag muss eigentlich ständig Betroffenheit bewiesen und gezeigt, also geheuchelt werden. Ein Mitarbeiter fällt wegen Krankheit aus? Sofort heißt es "gute Besserung". Kein Kaffee mehr in der Espressomaschine? Entschuldigung. Hab' ich vergessen. Die Beziehung zwischen den Menschen besteht weitgehend aus Entschuldigungen für jede Abweichung von der perfekten Funktion. Coolness ist gegen diese Selbst- und Fremdanklagen immun, falsch: sie immunisiert gegen sie.

Man kann sich vorstellen, dass David Cameron auch die Pleite der Londoner City gelassen verkünden würde, etwa mit einem "Well, they seemed to be somehow overvalued."

Coolness ist eine Kunst-, keine Lebensform

Wer möchte schon einen coolen Arzt, der die Krebsdiagnose stellt? Den coolen Lehrer, der das eigene Kind für die Hauptschule empfiehlt? Coolness als Kunstform in Literatur, Medien und Musik lassen wir schon eher zu. Es geht ja "nur" um Entertainment und eine gewisse Aufregung. Wir achten aber gut darauf, in Familie und Beruf nicht unter den Verdacht der Coolness zu geraten.

Ein bekanntes Paradox: Wir dürfen in einer Gesellschaft, deren einziges erklärtes Ziel materieller Wohlstand ist, diesen nicht zeigen und loben, sondern sollen ihn verstecken und verdammen. Und wir sollen in Krisen jeder Art cool bleiben, obwohl jeder Anflug von Coolness sofort zu Kritik und Ausschluss aus der Gemeinschaft führt. Bleiben wir also bei der Coolness als Kunstform.