Schon die Rede von der Freigabe von Cannabis sei "gefährlich und unverantwortlich"?

Die repressive Drogenpolitik hat sich als nicht sehr effektiv herausgestellt. Daraus die Legalisierung weicher Drogen zu folgern, ist dennoch politisch nicht erwünscht

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Begünstigt die Legalisierung sogenannter weicher Drogen ihren Konsum? Würde der Gesetzgeber mit einem solchen Schritt Hemmschwellen herabsetzen und Gefahren verharmlosen? Diese Fragen werden seit vielen Jahren gestellt, für die Drogenpolitik sind sie offenbar nicht eindeutig zu beantworten. Denn obwohl vielerorts eingestanden wird, dass die bisherige Politik, die vor allem mit einem generellen Verbot und mit Strafen arbeitet, wenig Erfolg verbuchen kann, scheut man in den allermeisten Ländern vor einer Legalisierung zurück, beinahe immer mit dem Hinweis, dass man den Konsum nicht unterstützen wolle. Diese Vorsicht ist auch den Empfehlungen anzumerken, denen ein neuer Bericht über die Drogenpolitik in Großbritannien zugrundeliegt.

Der Bericht der UK Drug Policy Commission, an dem Wissenschaftler und Strafverfolgungsexperten sechs Jahre gearbeitet haben, stellt die bisherige Drogenpolitik in Frage. Der gegenwärtige Ansatz in Großbritannien sei zu schlicht, er gehe an der Wirklichkeit und an neuen Erkenntnissen vorbei. Zwar würden einige Erfolge verbucht, im Großen und Ganzen sei die Bilanz jedoch nicht zufriedenstellend. Noch immer zähle man in Großbritannien etwa 2.000 Tote in Zusammenhang mit Drogen und 400.000 Personen mit ernsthaften Drogenproblemen.

Weil auch der britische Staat sparen muss, werden die Kosten besonders in den Vordergrund gerückt. Auf 18,6 Milliarden Euro beziffert die Vorsitzende der UK Drug Policy Commission (UKDPC), Ruth Runciman, die geschätzten Kosten, die sich der Gesellschaft aus Drogenmissbrauch ergeben. Und brisanter: 3,7 Millarden Euro verschwende der britische Staat dem Bericht mit einer Drogenpolitik, die nicht effektiv ist.

Der Bericht hält der bisherigen Drogenpolitik vor, dass sie viel zu wenig über die Wirkung der meisten Maßnahmen wisse, die von der Strafverfolgung angewandt werden - ob sie nun auf die Verfügbarkeit der Drogen zielen oder sich darauf konzentrieren, Gesetze umzusetzen, die Besitz und Drogenhandel bestrafen. Klar sei nur, dass längere Freiheitsstrafen von Personen keine besonders gute Lösung sei, wenn man sich das Verhältnis von Kosten, Aufwand und Resultate vor Augen halte.

Als ein anderes Beispiel für wenig effektive Maßnahmen wird auf zum Teil spektakuläre Beschlagnahmen von größeren Drogenmengen verwiesen, die vielleicht in er medialen Präsentation Eindruck machen, aber kaum eine Auswirkung auf den Nachschub auf dem Markt haben. Angeführt werden zudem Schulkampagnen unter dem Motto "Nein zu Drogen", die manchmal sogar kontraproduktive Effekte gezeigt hätten.

Den falschen, bzw. uneffektiven Maßnahmen, deren Defizite Politiker meist erst eingestehen, wenn sie ihren Posten verlassen haben und freier reden können, liege ein falscher Blick zugrunde, so der Bericht: Drogenkonsum führe nicht zwangsläufig zu Problemen, was von Politikern nur selten eingestanden werde. Tatsächlich aber seien die Drogenerfahrungen von Konsumenten häufig nicht mit schwerwiegenden Problemen verbunden. Manchmal, so wagt sich der Bericht über gewöhnliche politische Grenzen hinaus, profitierten Drogenkonsumenten in bestimmten Umständen sogar von ihren Erfahrungen.

Ablehnung allzu radikaler Schritte

All dies könnte naheliegen, die sogenannten soften Drogen zu legalisieren. Der UKDPC-Bericht fordert im Rahmen eines frischen, neuen Zugangs zur Problematik auch, dass die Anwendung des Strafgesetzes bei Delikten im Zusammenhang mit Cannabis-Konsum zurückgefahren werden soll.

Wenn es um kleine Menge gehe, sollte man lieber auch kleinere Strafen bemühen und nicht ins Repertoire der Strafgesetze greifen; man könne dies auch auf der Ebene der Ordnungswidrigkeiten abhandeln, mit Bußgeldern. Dazu könne man Vorladungen zu Belehrungskursen oder Therapien aushändigen. Der Anbau kleinerer Mengen von Pflanzen zum Eigenbedarf sollte ebenfalls nur mäßig bestraft werden. Denn, so die UKDPC, unterminiere der Eigenanbau doch auch das Wirken der größeren Händler.

Einer Legalisierung selbst von weichen Drogen will man allerdings nicht das Wort reden. Weil man, wie der Guardian berichtet, befürchtet, dies würde dann auch entsprechende Forderungen bei härteren Drogen nach sich ziehen. Als Argument wird jedenfalls erwähnt, dass man radikale Schritte ablehne, und begründet wird dies damit, dass die Erlaubnis, Heroin oder Kokain legal zu verkaufen, ganz sicher "mehr Schaden anrichten würde als der bestehende Drogenhandel". Die Innenministerin Theresa May argumentiert ähnlich: Die Legalisierung würde zu weiteren Problemen führen.

Ein Sturm der Entrüstung für die unvorsichtige Äußerung des französischen Bildungsministers

Kaum ein Politiker kann es sich in Europa leisten, das Stichwort "Legalisierung" öffentlich auszusprechen, ohne dass ihm von politischen Gegner Verharmlosung unterstellt wird. Diese Erfahrung macht im Moment der französische Minister für Bildung, Jugend und Sport. Vincent Peillon hatte gestern in einem TV-Interview davon gesprochen, dass es eine Schattenwirtschaft der Drogen gebe. Man könne mit repressiven Mitteln dagegen vorgehen und er sei auch absolut dafür, so Peillons Solidaritätserklärung mit der Praxis, die ja auch von Präsident Hollande und Ministerpräsident Ayrault getragen wird.

Aber, so fuhr der Minister fort, er sehe auch, dass die Ergebnisse nicht sehr effektiv seien. Seit wieviel Jahren betreibe man denn schon diese Politik? Für ihn stelle sich die Frage nach der Legalisierung schon, seit einiger Zeit schon und noch immer. Zunächst deutete der Minister den heiklen Begriff nur an, auf Nachfrage bestätigte er aber, dass der Legalisierung meine. Dann brach heute ein Polemiksturm der Opposition los. Mehrere prominente Abgeordneten der früheren Mehrheitspartei UMP, darunter der frühere Minsterpräsident Fillon, bezeichneten die Aussagen Peillons als "gefährlich" und "unverantwortlich", ins Visier der Opposition geriet einmal mehr die "Laschheit" der Linken.

Peillon ruderte heute zurück, seine Aussagen seien eine "rein persönlich Reflexion" gewesen. Und aus dem Büro des Ministerpräsidenten wurde laut und deutlich verkündet: Es wird keine Legalisierung von Cannabis geben!"