Und die Anderen?!

Die Dimension des entfachten Strohfeuers wird besonders deutlich, wenn man die Kosten der EEG Umlage als Teil der gesamten Ausgaben eines Haushaltes betrachtet. Die Interessen hinter der Panikmache sind vielfältig, so dass sich nicht nur Vertreter der konventionellen Energieversorgung und ihre Politiker sondern auch allerlei Sozialverbände beteiligten, jeweils mit ihren Partikularinteressen.Bild

Die Energie- und Klimawochenschau: Alle reden zur Zeit vom Strom, aber die Erneuerbaren sind doch auch angetreten, Treibstoff und Wärme zu liefern, wie sieht es damit aus?

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Der Coup scheint gelungen. In den Medien wird zur Zeit nur noch von der ach so teuren EEG-Umlage gesprochen und als nächste Aktion soll es abgeschafft werden. Schaut man etwas abseits, was die aktuelle Energiepolitik denn Positives zustande bringt, zeigt sich vor allem Stagnation. Der Schwung ist aus der Energiewende genommen worden, ihre jetzigen Verwalter zehren von den Impulsen der ersten Jahre und tun sich ansonsten durch Unterlassung hervor. Ist das aktuelle Strohfeuer also vor allem ein Ablenkungsmanöver vom eigenen Nichtkönnen und Nichtwollen?

Verzerrte Maßstäbe

Wärme und Kraftstoffe machen in einem typischen Haushalt den größten Anteil am Energieverbrauch aus. Das Infoportal "Unendlich viel Energie" hat einmal nachgerechnet (PDF) und kommt, umgerechnet auf alle Haushalte, im Mittel auf monatliche Kosten von 116 € für Treibstoff, 105 € für Heizung und 75 € für Strom, darin enthalten sind 10 € für die EEG Umlage.

Es dominieren also weiterhin die Ölpreise, die über die "Preisfindung" an den Energiebörsen die Kosten für die übrigen Energieträger wie Gas und Fernwärme mit hochtreiben. Absurderweise gilt dass auch für die Strombörse. Nach den Zahlen des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kostete der Import einer Tonne Rohöl im Jahr 1991 noch rund 129 Euro, im ersten Halbjahr 2012 waren schon 640 Euro fällig, also 18 Prozent Preissteigerung pro Jahr für das immer knapper werdende Gut Erdöl, das Leitfossil der weltweiten Energieversorgung.

In der Folge muss ein Haushalt, der mit Öl oder Gas heizt, heute mehr als doppelt so viel für Wärme zahlen wie im Jahr 2000. Den größten Posten machen aber in einem Haushalt mit PKW weiter die Treibstoffkosten aus. Angesichts der sich über die Preissteigerungen abzeichnenden Verknappung der fossilen Energiereserven ist es umso erstaunlicher, dass die Internationale Energieagentur (IEA) trotz dieser seit langem klaren Signale erst mit ihrem World Energy Outlook 2009 zum ersten mal Peak Oil zur Kenntnis genommen und sich vom Wunschbild des nie versiegenden Erdöls gelöst hat.

Freie Fahrt per Brief und Siegel

Ein besonders deutliches Beispiel für die lobbygeleitete Energiepolitik machte die Recherche der SZ letzte Woche öffentlich. Der Brief des deutschen EU-Kommissars Günther Oettinger an Volkswagen-Chef Martin Winterkorn betrifft die Pläne für neue Pkw-Abgasnormen, die eigentlich die Belastung der Umwelt durch den CO2-Ausstoß drücken sollen. Laut SZ schrieb Oettinger an Winterkorn:

Es kann festgestellt werden, dass die verabschiedete Fassung einige nicht unwesentliche Verbesserungen im Vergleich zu dem ursprünglichen Vorschlag beinhaltet. ... Schließlich begrüße ich es, dass die Kommission sich in dem Entwurf verpflichtet, bis 2014 Bilanz zu den Emissionsgrenzwerten ziehen, jedoch keine bindende Verpflichtung eingeht … Damit kann die Diskussion über unsere CO2-Politik für PKWs nach 2020 ergebnisoffen geführt werden.

Eigentlich sahen die Pläne vor, dass Neuwagen in Europa ab 2020 durchschnittlich nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürfen, jetzt soll wieder alles mit allem verrechnet werden können. Das heißt, es gibt keine festen Grenzwerte mehr; Gimmicks wie energiesparende Klimaanlagen, Innenraumleuchten etc. werden ebenso angerechnet wie Elektroautos des jeweiligen Herstellers. Statt verbindlicher Grenzwerte also ein Fest für Bürokraten und Bilanzersteller.

Greenpeace kritisiert: "Offensichtlich hat Kommissar Oettinger sich für neue Schlupflöcher eingesetzt, die die 2020 Ziele aufweichen sollen." Und die Grünen im Bundestag stellen fest: "Seine Aufgabe als Energie-Kommissar ist es, die Energie- und Klimaziele der EU zu erreichen statt sie zu sabotieren. Er versteht sich nur als verlängerter Arm der Lobbyinteressen der Autoindustrie"

Im Zusammenhang mit der Verflechtung von Politik und Wirtschaftsinteressen, bei uns aktuell durch die Diskussion um Nebeneinkünfte von Abgeordneten, rufen LobbyControl, Transparency International und Campact zu einer Petition auf, dass Deutschland endlich die UN-Konvention gegen Korruption unterzeichnet und wirksamere Gesetze gegen Abgeordnetenkorruption festlegt. Denn am 18. Oktober soll über Regeln zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Abgeordneten beraten werden. Deutschland hat als einziges europäisches Land neben Tschechien die Konvention noch nicht ratifiziert.

Der Endenergieverbrauch im Verkehrssektor stieg von 1991 bis 1999 von 2.428 Petajoule (PJ) auf 2.781 PJ und somit um 14,5%. und ist in den letzten 10 Jahren wieder leicht gesunken. Im Jahr 2009 betrug der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors 2.541 PJ und damit 29,2 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Deutschland. Das Umweltbundesamt sieht die stark gestiegener Kraftstoffkosten als Grund dafür an. Der durchschnittliche Kraftstoffverbrauch des Pkw-Bestandes ist seit 1991 pro 100 km um durchschnittlich 0,1 Liter pro Jahr gesunken. Die Effizienzgewinne der Motortechnik würden allerdings durch immer mehr Fahrzeuge und Verkehr wieder aufgefressen.

Etwa 92 Prozent des Energieverbrauchs im Verkehrssektor entfallen auf Treibstoffe. Sie sind für den motorisierten Straßenverkehr der dominante Energieträger. Der Schienenverkehr setzt dagegen schon zu mehr als 80 Prozent elektrischen Strom als Energieträger ein. Damit könnte gerade der Schienenverkehr als Vorreiter der der Elektromobilität agieren. Doch ausgerechnet die Bahnen im Land lassen sich von der EEG Umlage befreien und verschenken so nebenbei den positvien Imagegewinn durch intensive Ökostromnutzung und Alternative zum Individualverkehr.

Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher kritisiert die Nebenwirkung dieser Praxis:

Die Erhöhung der EEG-Umlage geht zum großen Teil auf die gesetzwidrige Befreiung von Großbetrieben durch die Bundesregierung zurück.

Abwarten und nicht dämmen

Auch der Gebäudebereich gilt der Politik anscheinend als unsexy und wird seit einiger Zeit mit wenig Aufmerksamkeit bedacht. Von der neuen Energieeinsparverordnung ("EnEV2012") wurde jetzt bekannt, dass sie frühestens Ende 2013 erscheinen soll und für Neubauten einen noch einmal um 12,5 Prozent gesenkten Energieverbrauch vorsieht. Der dürfte dann für's Heizen bei rund 65 kWh pro m² Wohnkfläche liegen. In der Zwischenzeit hapert es aber weiter bei der Umsetzung. Ein politisch angekündigter "nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050" steht in der Praxis so immer neuen Verzögerungen gegenüber.

Vom aktuellen Niedrigenergiehaus-Standard für neue Gebäude bis zum angestrebten Passivhaus ist es noch ein großer Sprung. Zur Zeit ist aber erst einmal Verzögerung angesagt. Die nächste Energieeinsparverordnung soll erst Ende 2013 kommen und gar keine weiteren Anforderungen an den Gebäudebestand enthalten

Schaut man zurück, dann entspräche 2012 bis 2050 dem Zeitraum von 1974 bis heute. Zwar hat sich einiges getan aber der Fokus liegt seit Jahrzehnten auf dem Neubau so dass im Moment immer noch über 70 Prozent aller Gebäude aus der Zeit vor 1979 stammen und die Neubauquote verringert sich immer mehr, sie liegt jetzt bei 0,55 Prozent pro Jahr.

Selbst wenn also die Anforderungen für neue Häuser schneller vorangetrieben würden, wäre das Ziel Niedrigenergiehaus ein Projekt für viele Generationen. Die Bestandsgebäude müssen also mit einbezogen werden, aber in der nächsten EnEV soll genau das nicht mehr geschehen und keine höheren Anforderungen an Bestandsgebäude gestellt werden.

Dabei hatte der Bundesbauminister doch erst gerade das Ziel ausgegeben bis 2020 20 Prozent Verbrauchsreduzierung bei Gebäuden erreichen zu wollen. Aber: Bei einer angestrebten Verdoppelung der Sanierungsrate von 2 Prozent des Gebäudebestandes in 8 Jahren eine 20 Prozent Einsparung erreichen zu wollen - wie soll das gehen, wenn gleichzeitig die andauernde Debatte um Steuersparmöglichkeiten für Sanierung seit Jahren Sanierungsmaßnahmen verzögert und in der neuen EnEV auf aktualisierte Anforderungen an den Energieverbrauch verzichtet werden soll?

Fast im Stillen werden weiter Solarthermieanlagen installiert. Gefördert werden sie allerdings bei Privathaushalten nur noch wenn sie gleichzeitig Warmwasser und Heizung liefern. Hinzukommen soll jetzt Solarhermie als Prozesswärme in der Produktion. Bild: Solarwirtschaft

Aber immerhin, bei der Solarthermie wird wieder gefördert, allerdings nur Anlagen die Warmwasser und Heizung liefern. Für eine typische Heizung+WW-Solarwärme-Anlage soll es nun 1500 € und für den Kesseltausch 500 € geben. Im ersten Halbjahr 2012 wieder 50.000 Solarheizungen installiert. Vor allem ist aber geplant, solare Wärme als Prozesswärme einzusetzen.

Betriebe erhalten in Zukunft Investitionszuschüsse von bis zu 50 Prozent, wenn sie einen Teil ihrer benötigten Prozesswärme mit Solarkollektoren erzeugen. Vielleicht bewegt das einige Betriebe, die sich von der EEG-Umlage haben befreien lassen, doch noch zum Umdenken, wenn sie in Zukunft nicht nur immer mehr Ökostrom nutzen sondern auch noch mit solarer Wärem produzieren.