Ein richtiges Kreuz auf dem Stimmzettel für einen Job

US-Unternehmer erklären ihren Angestellten unter Drohung von Arbeitsplatzverlusten, wen sie am 6. November wählen sollen

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Unternehmen dürfen seit dem kontroversen Urteil "Citizens United" nicht nur Millionen in den Wahlkampf investieren. Es erlaubt ihnen politische Einflussnahme auch auf anderem Wege. Die milliardenschweren Koch-Brüder haben ihren Angestellten jetzt einen Brief geschickt. Es geht um die "richtige" Wahl am 6. November.

Vorlagen für Anti-Gewerkschaftsgesetze, erzkonservative Denkfabriken und Millionen US-Dollar für die Organisation der radikalen Tea-Party-Bewegung: Die berüchtigten Industriemagnaten Charles und David Koch (Stehlen und Betrügen) haben ihre ganz eigene Vorstellung, wie sie das Land vor dem Einfluss einer ihrer Ansicht nach liberalen und regulierungswilligen Obama-Regierung schützen können. Kurz vor den wegweisenden Wahlen am 6. November erinnern sie ihre Angestellten daher daran, welcher Kandidat angeblich ihre Jobs bedroht und wer ab Januar 2013 im Weißen Haus Platz nehmen sollte.

Warum in die Ferne schauen, wenn das Wählerpotential bereits für einen arbeitet? Das werden sich die beiden Koch-Brüder wohl dabei gedacht haben, als sie Anfang des Monats zehntausenden Angestellten ihrer Tochterfirma Georgia-Pacific im US-Bundesstaat Oregon ein "Wählerinformationspaket" nach Hause schickten. Darin enthalten: eine Reihe von Vorschlägen für Kandidaten, deren Politik Koch-Industries unterstützt. Immerhin wird am 6. November nicht nur der nächste Präsident der USA gewählt, es finden auch Kongresswahlen statt. Ganz oben auf der Wunschliste stand natürlich Obamas republikanischer Herausforderer Mitt Romney. Warum dies so ist, erklärte Dave Robertson, Präsident der Firma, im Anschreiben der Info-Post, das dem US-Magazin In These Times vorliegt, die über den Vorfall berichtet:

Wenn wir Kandidaten wählen wollen, die hunderte Milliarden an geliehenem Geld ausgeben für teure Subventionen, die ein paar wenige Geschäftsfreunde bevorzugen, die Unternehmen mit beispiellosen Regulierungen belasten, neue und wichtige Bauvorhaben verhindern oder verzögern, und den Freihandel exzessiv behindern, dann werden viele unserer über 50.000 Angestellten und Auftragnehmer unter den Folgen zu leiden haben.

Dave Robertson

Es würden höhere Benzinpreise drohen, eine unkontrollierbare Inflation, und "andere Übel". Robertson schreibt zwar, die Entscheidung, wen man wähle, würde selbstverständlich bei jedem selbst liegen, "beruhend auf den Faktoren, die für einen am wichtigsten" wären. Er vergaß jedoch nicht zu erwähnen, dass die Liste von Kandidaten auf "Wunsch vieler Angestellter" beigelegt worden sei. Für eine differenzierte Meinungsbildung steuerte Charles Koch dem Informationsblatt noch einen Anti-Obama-Leitartikel bei, David verfasste einen Pro-Romney-Text. Die Intention dahinter ist klar: Wer am 6. November Obama unterstützt, der riskiert seinen Job. In Zeiten der Rezession ein so wirksames wie skrupelloses Druckmittel.

Firmen war es bisher untersagt, ihre politische Meinung gegenüber Angestellten zum Ausdruck zu bringen. Doch im Zuge des "Citizens United"-Urteils von 2010 durch das Oberste Gericht wurde auch diesen Pfeiler der Demokratie eingerissen. Das Spiel mit der Existenzangst von Arbeitern ist nun legal und wird genutzt. Anfang des Monats verschickte der im Swing-State Florida ansässige Milliardär David Siegel eine Email an seine 7.000 Mitarbeiter. Die Botschaft war die gleiche wie die der Koch-Brüder. Vier weitere Jahre unter der Obama-Regierung und ihm würde nichts anderes übrig bleiben, als Stellen abzubauen, drohte Siegel seinen Angestellten. Einen Schritt weiter ging Murray Energy, eins der größten Kohlebergwerke des Landes. Laut einem Bericht des progressiven US-Magazins The New Republic nötige das Unternehmen ihre Angestellten, für republikanische Kandidaten Geld zu spenden. Am Ende freilich sind es wieder Charles und David Koch, die bei der Durchsetzung ihrer politischen Ansichten keine Hemmungen kennen.

Für die Arbeiter der Koch-Tochterfirma in Oregon gibt es deshalb eine neue Richtlinie, was den Umgang mit sozialen Netzwerken betrifft. Auch außerhalb des Arbeitsplatzes, heißt es darin, dürfe sich die Nutzung nicht negativ auf die Reputation des Unternehmens auswirken. Unter den Menschen habe sich seitdem eine "Kultur der Angst" ausgebreitet, schreibt In These Times. Demnach hätten sich vor kurzem einige Arbeiter zusammen mit einem demokratischen Abgeordneten ablichten lassen. Als ein paar Tage später das Wahlinformationspaket ihres Arbeitgebers bei ihnen zu Hause eintraf, hätten sie panisch bei ihrem Gewerkschaftsvertreter angerufen. Aus Angst, dass Bilder im Internet auftauchen könnten und sie ihren Job verlieren würden.